OGH vom 02.02.1994, 9ObA610/93

OGH vom 02.02.1994, 9ObA610/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Felix Joklik und Dr.Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der Antragsteller 1.) Fachverband Gastronomie, 2.) Fachverband der Hotel- und Beherbergungsbetriebe, beide Wien 4, Wiedner Hauptstraße 63, beide vertreten durch Dr.Alfred Strommer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewrekschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst, Wien 1, Hohenstaufengasse 10, vertreten durch Franz Niemitz, Vorsitzender und Rudolf Kaske, Zentralsekretär, ebendort, diese vertreten durch Dr.Gerhard Dengscherz, per Adresse des Antragsgegners über den nach § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird festgestellt, daß im Bereich des Gastgewerbes die Gewährung der Wochenfreizeit an Jugendliche im Sinne des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes auch durch Freigabe am Sonntag und den darauffolgenden Montag erfüllt wird.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrt die aus dem Spruch ersichtliche

Feststellung und brachte zur Begründung vor:

Strittig sei die Auslegung des Wortes "wöchentlich" in § 19 Abs 3 Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz (KJBG). Zu Unrecht vertrete die Antragsgegnerin den Standpunkt, der in der zitierten Gesetzesstelle getroffenen Anordnung werde nur dann Rechnung getragen, wenn die wöchentliche Freizeit von zwei zusammenhängenden Kalendertagen innerhalb einer Kalenderwoche gewährt werde; sie berufe sich dazu auf einen Erlaß des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Diese Rechtsansicht sei jedoch unrichtig. Tatsächlich sei der Begriff "wöchentlich" jedoch auf die Arbeitswoche zu beziehen und dem Gesetzesbefehl werde auch durch die Gewährung von Freizeit am Sonntag und dem darauffolgenden Montag entsprochen. Einem solchen Verständnis entspreche auch die Bestimmung des § 19 Abs 1 KJBG; nur wenn ein Teil der Freizeit auch auf den folgenden Montag falle, sei bei einem Arbeitsende am Samstag 14 Uhr die Gewährung einer 43-stündigen Freizeit möglich. Legte man die Bestimmung in dem von der Antragsgegnerin gewünschten Sinne aus, so sei sie völlig unanwendbar. Beginne der Jugendliche seine Arbeit etwa am Montag um 11 Uhr, so werde damit auch der Lauf der Arbeitswoche in Gang gesetzt. Bei Beendigung der Tätigkeit am Samstag um 14 Uhr sei sohin die Gewährung einer 43-stündigen Freizeit während der laufenden Arbeitswoche (einschließlich von 9 Stunden am Montag) möglich. Nur bei einem solchen Verständnis könne dem § 19 Abs 1 KJBG ein sinnvoller Inhalt unterstellt werden. In gleicher Weise sei aber der in § 19 Abs 3 KJBG ebenfalls verwendete Begriff "wöchentlich" auszulegen. Durch diese Bestimmung sei der Freizeitanspruch bloß quantitativ ausgedehnt worden, weil anstelle einer ununterbrochenen Freizeit von 43 Stunden nunmehr zwei zusammenhängende Kalendertage zu gewähren seien: dem Begriff "wöchentlich" sei jedoch keine andere Bedeutung zu unterstellen. Auch der zweite Satz des § 19 Abs 3 KJBG weise deutlich in diese Richtung. Danach könne die Gewährung von Freizeit an zwei aufeinanderfolgenden Tagen entfallen, wenn dem Jugendlichen Freizeit gemäß § 19 Abs 1 KJBG (43 Stunden ab spätestens Samstag 14 Uhr) gewährt werde und in die folgende Arbeitswoche ein betrieblicher Sperrtag falle, an dem der Jugendliche nicht beschäftigt werde; auch hier stelle der Gesetzgeber auf die Arbeitswoche und nicht auf die Kalenderwoche ab. Die Gewährung von Freizeit an einem Sonntag und dem darauffolgenden Montag trage den sich aus dem Gesetz ergebenden Intentionen in besonderem Maß Rechnung und liege auch im Interesse der jugendlichen Arbeitnehmer, die dadurch eine zusammenhängende Freizeit von 2 Kalendertagen unter Einschluß eines Sonntages zur Verfügung hätten. Daß der Montag in der folgenden Kalenderwoche liege, sei irrelevant; ebenso komme der Frage, ob dieser Montag ein betrieblicher Sperrtag sei, keine Bedeutung zu. Im Sinne einer gesetzlichen Ermächtigung (§ 18 Abs 3 KJBG) ordne der maßgebliche Kollektivvertrag an, daß die Beschäftigung Jugendlicher auch an 23 aufeinanderfolgenden Sonntagen pro Jahr zulässig sei, sofern die übrigen Sonntage arbeitsfrei bleiben. Umsomehr müsse eine Regelung, die dem Jugendlichen eine zusammenhängende Freizeit von 48 Stunden unter Einschluß des Sonntags gewähre, zulässig sein.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Antrages. Jugendliche hätten im Gastgewerbe entweder Anspruch auf eine wöchentliche Freizeit von zwei zusammenhängenden Kalendertagen in der der Sonntagsarbeit folgenden Arbeitswoche unabhängig vom Vorhandensein eines betrieblichen Sperrtages bzw Samstag und Sonntag in Zeiten außerhalb der Sonntagsarbeit, wenn kein betrieblicher Sperrtag anfalle oder Anspruch auf eine 43-stündige, nach Möglichkeit spätestens am Samstag um 14 Uhr beginnende Wochenfreizeit neben einem betrieblichen Sperrtag an dem sie nicht beschäftigt werden. Auch bei einem auf einen Montag fallenden Sperrtag sei außerhalb von Zeiten der Sonntagsarbeit Wochenfreizeit zu gewähren, in die der Sonntag zu fallen habe. Unter dem Begriff Wochenfreizeit, in die der Sonntag zu fallen hat, sei aber gemäß § 19 Abs 1 KJBG auch zu verstehen, daß diese Wochenfreizeit nach Möglichkeit spätestens am Samstag um 14 Uhr beginnen solle. Es sei nicht der Disposition des Arbeitgebers überlassen, Jugendlichen im Gastgewerbe außerhalb der Zeiten der Sonntagsarbeit die Wochenfreizeit am Samstag um 14 Uhr oder erst am Sonntag beginnen zu lassen. Außerhalb der Zeiten der Sonntagsarbeit sei die spätestens am Samstag um 14 Uhr beginnende 43-stündige Wochenfreizeit neben einem allenfalls an einem Montag liegenden betrieblichen Sperrtag zu gewähren. Der Begriff "wöchentlich" sei nicht auf die Arbeitswoche, sondern vielmehr auf die Kalenderwoche zu beziehen. Andernfalls könnte es in einem Betrieb je nach dem Zeitpunkt des Beginnes des Lehr- oder Beschäftigungsverhältnisses zu je nach Dienstnehmer oder Lehrling unterschiedlichen Arbeitswochen kommen, was schwierig zu handhaben sei. Der Begriff "wöchentlich" sei auch im Zusammenhang mit den Regelungen über die Wochenarbeitszeit (§ 10 Abs 1 und § 14 Abs 1 KJBG) zu sehen, die ebenso nur auf eine Kalenderwoche bezogen werden könnten; dies sei in § 10 Abs 1 zweiter Satz KJBG auch ausdrücklich so definiert. Die von den antragstellenden Parteien gewünschte Auslegung, daß dem Gebot des Gesetzes durch Gewährung von Freizeit am Sonntag und dem darauffolgenden Montag entsprochen werde, entspreche nicht dem Schutzzweck des KJBG, was im übrigen auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck komme.

Die Antragsteller sind gesetzliche Interessenvertretungen der Arbeitgeber (Floretta-Strasser, ArbVG Handbuch, 48) und daher ex lege kollektivvertragsfähig. Der Antragsgegner ist eine gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer, der die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde (Floretta-Strasser aaO, 1025). Sowohl Antragsteller wie auch Antragsgegner sind daher als Parteien in einem Verfahren nach § 54 Abs 2 ArbVG legitimiert. Die Antragsteller haben unbestritten behauptet, daß vom Gegenstand des Antrages mehr als drei Arbeitnehmer betroffen seien, was im übrigen auch völlig außer Zweifel steht.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist berechtigt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mit Erlaß vom , Zl 62.470/16-3/92 den Erlaß vom , Zl.62.470/6-3/92 ersetzt und darin festgehalten (S 6 des Erlasses), daß § 19 Abs 3 KJBG auf die Kalenderwoche abstelle und durch Gewährung von Freizeit am Sonntag und dem darauffolgenden Montag dieser Norm nicht entsprochen werde. Die in Erlaßform ergangene generelle Vorschrift richtete sich an alle Arbeitsinspektorate und damit nicht an die Rechtsunterworfenen (nach außen), sondern an Organwalter (im Innenverhältnis). Ob eine solche "Verwaltungsverordnung" beim Verfassungsgerichtshof anfechtbar ist oder nicht (vgl dazu Walter-Mayer, Grundriß des österr. Bundesverfassungsrechtes7 Rz 603, 1105 aber auch die dort zitierte abweichende Judikatur des Verfassungsgerichtshofes; Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht 200 ff; Walter, ÖJZ 1965, 30 ff [36] kann dahingestellt bleiben, weil bei der Entscheidung nicht der genannte Erlaß anzuwenden ist (Art 89 B-VG), sondern das Begehren des Antrages ausschließlich aus dem Wortlaut des Gesetzes abgeleitet wird. Ein Antrag an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 B-VG scheidet daher schon aus diesem Grund aus.

Ein wesentliches Ziel der KJBG-Novelle 1992 war die grundsätzliche Einführung der Fünf-Tage-Woche für Jugendliche auch im Gastgewerbe. Hierauf weisen die Gesetzesmaterialien (390 BlgNR 18, 2, zu Abs 3 letzter Satz) auadrücklich hin; dabei wird auch die Bedeutung der Gewährung der Freizeit am Wochenende im Hinblick auf das Freizeit- und Erholungsbedürfnis, die familiären und sozialen Kontakte und die körperliche und geistige Entwicklung besonders hervorgehoben. Grundsätzlich soll daher Jugendlichen eine Freizeit von zwei zusammenhängenden Kalendertagen wöchentlich gewährt werden. Wird die Wochenfreizeit nach § 19 Abs 1 KJBG gewährt, so kann von der Bestimmung des § 19 Abs 3 erster Satz abewichen werden, wenn in die folgende Arbeitswoche ein betrieblicher Sperrtag fällt, an dem der Jugendliche nicht beschäftigt wird. In diesem Fall sind dem Jugendlichen nicht zwei zusammenhängende Kalendertage als Freizeit zu gewähren; wird die Arbeit erst am Samstag um 14 Uhr beendet, so steht ihm nur der Rest des Samstags und der Sonntag neben dem betrieblichen Sperrtag in der folgenden Arbeitswoche zur Verfügung. Der damit verbundene Nachteil (keine Freizeit an zwei aufeinanderfolgenden Kalendertagen) wird dadurch ausgeglichen, daß letztlich wenn auch mit einer Unterbrechung mehr Freizeit (Samstag teilweise, Sonntag und betrieblicher Sperrtag) zu gewähren ist. Damit wird aber nur eine Ausnahme von der grundsätzlichen Anordnung, daß Freizeit an zwei aufeinanderfolgenden Kalendertagen zu gewähren ist, statuiert.

Strittig ist hier, ob dem primären Gebot des § 19 Abs 3 KJBG durch Gewährung von Freizeit am Sonntag und dem darauffolgenden Montag entsprochen wird. Fragen der Sonntagsarbeit werden durch den Antrag daher nicht berührt. Der Antragsgegner begründet seinen Standpunkt im wesentlichen damit, daß der Begriff "wöchentlich" auf die Kalenderwoche zu beziehen sei und dem gesetzlichen Gebot daher nur Rechnung getragen werde, wenn beide aufeinanderfolgenden Tage, an denen dem Jugendlichen Freizeit gewährt wird, in einer Kalenderwoche liegen. Dem kann nicht gefolgt werden.

Es trifft zu, daß das KJBG an anderer Stelle an die Kalenderwoche anknüpft. In § 10 Abs 1 wird (wörtlich übereinstimmend mit § 2 Abs 1 Z 3 AZG) die Wochenarbeitszeit als die Arbeitszeit innerhalb eines Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag definiert; § 14 Abs 1 KJBG nimmt im Zusammenhang mit der Überstundenregelung auf die Wochenarbeitszeit Bezug. Daraus kann nicht geschlossen werden, daß sich der Begriff "wöchentlich" in § 19 Abs 3 KJBG auf den gleichen Zeitraum bezieht. Die genannten Bestimmungen haben verschiedene Regelungsinhalte zum Gegenstand. § 11 KJBG normiert die zulässige Arbeitszeit für Jugendliche und bestimmt einen starren Beobachtungszeitraum (§ 10 Abs 1 KJBG) innerhalb dessen diese Arbeitszeit gelagert sein muß. Für eine solche Regelung sprechen nicht zuletzt auch Gründe der Überprüfbarkeit. Es entspricht auch dem vom AZG verfolgten Ziel, die Arbeitszeit innerhalb einer Kalenderwoche zu begrenzen.

§ 19 Abs 3 KJBG will hingegen dem Jugendlichen die Erholung durch die Gewährung von wöchentlicher Freizeit an zwei aufeinanderfolgenden Tagen sichern. Dieser Zweck wird aber unabhängig davon erreicht, ob diese Tage innerhalb einer Kalenderwoche liegen oder den Sonntag und den anschließenden, nach der gesetzlichen Definition des § 10 Abs 1 KJBG schon der nächsten Arbeitswoche zuzurechnenden Montag umfassen. Auch in diesem Fall stehen dem Jugendlichen nach fünf Arbeitstagen zwei aufeinanderfolgende Tage an Freizeit zur Verfügung. Da bei einer Freizeitgewährung von zwei aufeinanderfolgenden Tagen die Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Anordnung ohne Schwierigkeiten möglich ist, ist auch kein fixer Beobachtungszeitraum erforderlich.

§ 4 ARG bestimmt, daß bei Beschäftigung während der Wochenendruhe Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden innerhalb jeder Kalenderwoche besteht. Bei der Festlegung der Wochenruhe in dieser Bestimmung stellt das Gesetz ausdrücklich auf die Kalenderwoche ab. In § 19 Abs 3 KJBG fehlt jedoch eine Bezugnahme auf die Kalenderwoche. Auch dafür, daß "wöchentlich" im Sinne der Definition des § 10 Abs 1 KJBG zu verstehen wäre, ergibt sich, wie dargestellt, kein Hinweis. Auch die Gesetzesmaterialien bieten hiefür keinen Anhaltspunkt.

Daß sich dann, wenn verschiedene Personen in einem Bertieb die Arbeit an unterschiedlichen Wochentagen antreten, verschiedene Arbeitswochen ergeben und damit die Freizeitgewährung zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt, spricht nicht gegen diese Auslegung. Auch bei der vom Antragsgegner gewünschten Interpretation stünde die zeitliche Lagerung der zwei aufeinanderfolgenden Freizeittage keineswegs von vornherein fest, zumal sie innerhalb der Kalenderwoche verschieden gelagert sein könnte. Eine gestaffelte Gewährung der Freizeittage entspricht auch durchaus den Bedürfnissen vieler Gastgewerbebetriebe, die bei Nichteinhaltung eines Sperrtages den durchgehenden Betrieb aufrecht erhalten müssen. Im übrigen könnte der Arbeitgeber durch eine vorgezogene Freizeitgewährung bei einem Dienstantritt an einem späteren Wochentag als dem Dienstag die Einhaltung der im Antrag bezeichneten Freizeitgewährung im Einklang mit dem Gesetz sicherstellen. Daß die Gewährung der Freizeit in dieser Form dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer willkürlichen Disposition eröffnen könnte, ist nicht erkennbar.

Es war daher im Sinne des Antrages zu entscheiden.