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OGH vom 18.12.2012, 14Os77/12y

OGH vom 18.12.2012, 14Os77/12y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred R***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 9 Hv 130/11f-55, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom , GZ 9 Hv 130/11f-59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen (im Schuldspruch IV/a und im Freispruch) unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I, II, III, IV/b und V, demnach auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Beschwerde und der Berufung wird der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred R***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (zu ergänzen:) iVm § 161 Abs 1 (erster Satz) StGB (II) und des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (V) sowie der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 (Abs 5 Z 1, 3 und 5) und Abs 2 (Abs 5 Z 1) (zu ergänzen:) iVm § 161 Abs 1 (erster Satz) StGB (I/A und B), der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 (zu ergänzen:) iVm § 161 Abs 1 (erster Satz) StGB (III) und des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** und G***** als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Manfred R***** GmbH und der Autohaus Manfred R***** GmbH sowie als faktischer Geschäftsführer der G***** GmbH, sohin als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) juristischer Personen,

(I) durch kridaträchtiges Handeln grob fahrlässig

A) die Zahlungsunfähigkeit dieser Unternehmen dadurch herbeigeführt, dass er entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens

a) betreffend die Manfred R***** GmbH übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, indem er von 2006 bis die Erbringung vermögenswerter Leistungen und die Durchführung von Reparaturarbeiten zugunsten der in seinem Privateigentum stehenden „B*****“ im Gesamtwert von 65.274,17 Euro ohne betrieblichen Anlass und ohne Rückfluss von Geldmitteln veranlasste;

b) betreffend die Autohaus Manfred R***** GmbH einen bedeutenden Bestandteil des Vermögens dieser Gesellschaft verschleuderte oder verschenkte, indem er

1) im Jahr 2008 auf die Einbringung einer Forderung gegenüber Josef S***** in der Höhe von 9.118 Euro verzichtete;

2) von bis zumindest Josef S***** einen im Eigentum der Autohaus Manfred R***** GmbH stehenden gebrauchten PKW der Marke Volvo S 60 zur unentgeltlichen Nutzung überließ;

c) betreffend die Autohaus Manfred R***** GmbH und die G***** GmbH jeweils einen bedeutenden Bestandteil des Vermögens dieser Gesellschaften verschleuderte oder verschenkte, indem er von 2006 bis Neu- und Gebrauchtwagen sowie Autoersatzteile im Gesamtwert von 411.754,68 Euro ohne unmittelbaren Rückfluss von Geldmitteln an die finanziell stark angeschlagene Manfred R***** GmbH lieferte;

d) betreffend die Manfred R***** GmbH und die Autohaus Manfred R***** GmbH Jahresabschlüsse aus den Jahren 2007 und 2008, zu deren Erstellung er verpflichtet war, zu erstellen unterließ oder auf eine solche Weise oder so spät erstellte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dieser Gesellschaften erheblich erschwert wurde;

B) in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Manfred R***** GmbH und der Autohaus Manfred R***** GmbH die Befriedigung wenigstens eines der Gläubiger der genannten Gesellschaften dadurch vereitelt oder geschmälert, dass er jeweils entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens einen bedeutenden Bestandteil der Gesellschaften verschleuderte oder verschenkte, indem er

a) betreffend die Manfred R***** GmbH von bis die Erbringung weiterer vermögenswerter Leistungen und die Durchführung von Reparaturarbeiten zugunsten der in seinem Privateigentum stehenden „B*****“ in Höhe von 11.675,28 Euro ohne betrieblichen Anlass und ohne Rückfluss von Geldmitteln veranlasste;

b) betreffend die Autohaus Manfred R***** GmbH

1) von bis weiterhin Neu- und Gebrauchtwagen sowie Autoersatzteile im Gesamtwert von 240.149,81 Euro ohne unmittelbaren Rückfluss von Geldmitteln an die finanziell stark angeschlagene Manfred R***** GmbH lieferte;

2) von Jänner 2009 bis zur Rückstellung des Fahrzeugs nach dem Alexandro U***** einen im Eigentum der Autohaus Manfred R***** GmbH stehenden gebrauchten PKW der Marke Volvo S 60 zur unentgeltlichen Nutzung überließ;

1) von Jänner 2009 bis zur Rückstellung des Fahrzeugs nach dem Josef S***** einen im Eigentum der Autohaus Manfred R***** GmbH stehenden und auf diese angemeldeten Neuwagen der Marke Volvo S 80 zur unentgeltlichen Nutzung überließ, wobei der Autohaus Manfred R***** GmbH dadurch Versicherungskosten und Spesen in der Höhe von 10.481,49 Euro entstanden;

(II) Bestandteile des Vermögens nachstehender Unternehmen „veräußert, beiseite geschafft oder sonst das Vermögen der Gesellschaften wirklich oder zum Schein verringert“ und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen um einen insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag vereitelt oder geschmälert, indem er

a) betreffend die Manfred R***** GmbH zwischen und ein in deren Eigentum stehendes, im Jahr 2004 geleastes Wohnmobil, für welches die Gesellschaft eine Anzahlung von 7.500 Euro leistete und monatliche Leasingraten in der Gesamthöhe von 51.000 Euro bezahlte, um 30.000 Euro an Dr. Leonhard O***** verkaufte und den - nach Aufrechnung von Forderungen des Dr. O***** gegenüber der Gesellschaft - erhaltenen Barerlös in Höhe von 15.000 Euro seinem Privatvermögen zuführte;

b) betreffend die Autohaus Manfred R***** GmbH von bis private Bargeldentnahmen aus der Geschäftskassa tätigte und private Überweisungen vom Firmenkonto durchführte, obwohl er wusste, dass er seine dadurch begründeten Verbindlichkeiten gegenüber dem Unternehmen in Höhe von insgesamt 143.106,19 Euro aufgrund seiner finanziellen Situation nicht mehr erfüllen würde können;

(III) nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Manfred R***** GmbH und der Autohaus Manfred R***** GmbH nachstehende Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt, indem er

1) zwischen und Zahlungen und geldwerte Leistungen der Manfred R***** GmbH zugunsten der G***** GmbH in Höhe von 32.503,22 Euro veranlasste;

2) am beim Verkauf des unter Punkt (richtig:) II/a genannten Wohnmobils gegen bestehende Forderungen von Dr. Leonhard O***** gegenüber der Manfred R***** GmbH sowie gegenüber der Autohaus Manfred R***** GmbH in der Höhe von insgesamt 15.000 Euro aufrechnete;

(IV) als alleinverantwortlicher Geschäftsführer der Dienstgeber die Beiträge der Dienstnehmer zur Sozialversicherung einbehalten und dem berechtigten Sozialversicherungsträger, nämlich der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, vorsätzlich vorenthalten, nämlich

a) hinsichtlich der Autohaus Manfred R***** GmbH von Anfang Mai 2008 bis Juni 2009 in Höhe von 54.088,44 Euro;

b) hinsichtlich der (richtig:) Manfred R***** GmbH von Februar bis Mai 2009 in Höhe von 10.208,43 Euro;

(V) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer (§ 147 Abs 2 StGB) Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Urteil namentlich genannte Personen und Mitarbeiter dort näher bezeichneter Unternehmen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die die Genannten in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 105.149,20 Euro am Vermögen schädigten, und zwar

1) zwischen und durch die Vorgabe von Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der Manfred R***** GmbH und der Autohaus Manfred R***** GmbH zur Lieferung von Waren und Erbringung von Leistungen in im Urteil im Einzelnen angeführten 39 Fällen, wobei der Schaden in mehreren Einzelfällen 3.000 Euro überstieg;

2) am Slavica Z***** durch die Vorgabe, die Autohaus Manfred R***** GmbH liefere ihr einen neuen Volvo S 80, zur Leistung einer Baranzahlung in der Höhe von 10.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

Schon vor dem Eingehen auf diese überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zunächst, dass dem Urteil zum Schuldspruch IV/b ein Nichtigkeit begründender Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zum Nachteil des Beschwerdeführers anhaftet, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Die Subsumtion eines Verhaltens unter § 153c StGB setzt in objektiver Hinsicht nämlich voraus, dass dem Dienstgeber in den betreffenden Beitragszeiträumen überhaupt die jeweiligen Nettolöhne übersteigende Mittel zur Verfügung standen (Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153c Rz 19), wozu die Entscheidung (anders als zum Schuldspruch IV/a; vgl US 24) in Bezug auf die Manfred R***** GmbH (IV/b) keinerlei Feststellungen enthält (US 15, 24).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zeigt zudem in Betreff der Schuldsprüche I, II, III und V - deutlich genug - zutreffend auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite insoweit gänzlich unbegründet geblieben sind (Z 5 vierter Fall).

Soweit sich der (undifferenziert zu allen Schuldsprüchen erhobene) Einwand offenbar unzureichender Begründung auch auf die Feststellungen zum Schuldspruch IV/a bezieht, kommt der Beschwerde demgegenüber keine Berechtigung zu, weil deren Ableitung aus der Aussage des Zeugen Michael K***** und der insoweit geständigen Verantwortung des Angeklagten (ON 44 S 3; US 28 und 31) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken begegnet.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen sowie der Begründungsmangel erfordern die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang und insoweit die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 285e iVm § 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO). Demzufolge erübrigt sich eine Erörterung des darauf bezogenen (weiteren) Beschwerdevorbringens.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Ein Eingehen auf die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom , GZ 9 Hv 130/11f-59, mit dem das Protokoll über die Hauptverhandlung (vom ) hinsichtlich des in § 271 Abs 1 Z 7 (§ 260 Abs 1 Z 3) StPO genannten Inhalts berichtigt und die Urschrift des angefochtenen Urteils (im Wesentlichen) in Betreff des Ausspruchs über die Strafe an das verkündete (richtig:) angeglichen wurde, erübrigt sich aufgrund der Kassation des Strafausspruchs. Das Verbot der reformatio in peius steht - wie der Vollständigkeit halber auszuführen ist - mit Blick auf die nach neuerlicher Urteilszustellung (vgl dazu Danek, StPO § 270 Rz 57; Ratz, WK-StPO § 285 Rz 2) rechtzeitig zum Nachteil des Angeklagten ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 66) im zweiten Rechtsgang nicht in Rede (§ 16 StPO).

Bleibt anzumerken, dass die - durch die (teilweise) Aufhebung des Urteils zwar ohnehin weggefallene (SSt 12/44; RIS-Justiz RS0100493, RS0101303) - Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg (US 7) verfehlt war. Rückständige Beiträge vom Sozialversicherungsträger sind nämlich - vom Erstgericht ohnehin erkannt (US 34 f) - im Verwaltungsweg einzutreiben, wenn - wie hier - eine zur Vertretung einer juristischen Person berufene Person eine strafbare Handlung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB verwirklicht (Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153c Rz 33 ff). Die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Adhäsionsverfahren ist unzulässig, womit die dessen ungeachtet abgegebene - ausschließlich auf die Verletzung des § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB gestützte - Anschlusserklärung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO - und zwar möglichst frühzeitig (vgl § 67 Abs 5 StPO;14 Os 30/09g; 12 Os 115/10v; Fabrizy StPO11 § 67 Rz 9, 12; zum Ganzen: Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 - 379 Rz 29, 53 ff) - als offensichtlich unberechtigt zurückzuweisen gewesen wäre.

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht - mit Blick auf § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (vgl 12 Os 119/06a [verst Senat] = EvBl 2007/130, 700) - im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (II) zudem deutliche Feststellungen dazu zu treffen haben, ob durch das das Vermögen der Gesellschaft verringernde Verhalten des Angeklagten tatsächlich ein (anderer) Gläubiger eine Forderung nur zum Teil oder gar nicht beglichen erhalten hat und dadurch ein 50.000 Euro übersteigender Schaden entstand. Wäre es nämlich trotz Gelingens der Vermögensverringerung nicht zu einer - die Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB überschreitenden - Gläubigerschädigung gekommen, würde - bei neuerlicher Erweislichkeit entsprechenden Vorsatzes - insoweit (bloß) strafbarer Versuch vorliegen (Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 156 Rz 19 f, 22 und 23; § 158 Rz 6). Das Anführen eines Schadenseintritts bloß im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag dieses Feststellungsdefizit zu objektiven Tatumständen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 271).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.