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VfGH vom 13.03.2002, b18/02

VfGH vom 13.03.2002, b18/02

Sammlungsnummer

16489

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung einer Bieterbewilligung für den elterlichen Hof aufgrund der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Prognoseentscheidung hinsichtlich der Selbstbewirtschaftung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer beim Landesgrundverkehrsreferenten die Erteilung einer Bieterbewilligung gemäß § 20 Abs 3 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im folgenden: TGVG 1996) für die am beim Bezirksgericht Lienz stattfindende erneute Versteigerung der Liegenschaft "Kerschbaumer" EZ 90027, GB Leisach sowie des Grundstückes 785/4 EZ 255, GB Leisach. Mit Bescheid vom versagte der Landesgrundverkehrsreferent die beantragte Bewilligung.

2. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung: Aus dem Erhebungsbericht des im Zuge des Ermittlungsverfahrens auf Berufungsebene beauftragten Amtsorgans der Landes-Grundverkehrskommission gehe hervor, daß der Beschwerdeführer den geschlossenen Hof "Hueber" EZ 90006, GB Bannberg erworben habe. Das Eigentum an dem geschlossenen Hof sei unter der Auflage, innerhalb von vier Jahren auf die Liegenschaft aufzuziehen und den Betrieb "Hueber" als selbständigen Landwirtschaftsbetrieb zu führen, zugeteilt worden. Laut Auskunft der Gemeinde Leisach habe der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz noch nicht auf den "Hueberhof" verlegt. Die landwirtschaftlichen Flächen würden zwar von dem Beschwerdeführer bewirtschaftet, jedoch werde kein Vieh auf der Hofstelle gehalten. Die in der Berufung angeführten Gründe für den "Nichtaufzug" auf die Hofstelle seien bereits 1997 bei Abschluß des Ankaufes des "Hueberhofes" bekannt gewesen. Sowohl der Betrieb "Hueberhof" wie auch der Betrieb "Kerschbaumer" stellten für sich arbeitsintensive land- und forstwirtschaftliche Betriebe dar. Der Beschwerdeführer sei hauptberuflich bei einem Elektrounternehmen beschäftigt. Eine gemeinsame Bewirtschaftung beider Höfe zusammen im Nebenerwerb sei nicht möglich. Ausgehend von diesem Sachverhalt stehe die Erteilung einer Bieterbewilligung im Widerspruch zu den in § 6 Abs 1 TGVG 1996 angeführten Schutzinteressen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vor.

Er behauptet, die Behörde habe zwar ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, jedoch seien die Ergebnisse ausschließlich einseitig zu Lasten des Beschwerdeführers gewürdigt worden, weshalb der belangten Behörde willkürliches Verhalten vorzuwerfen sei.

Dem Beschwerdeführer sei das Aufziehen auf den "Hueberhof" bis dato nicht möglich gewesen, da die Wohnberechtigte zwar derzeit nicht auf der Hofstelle wohne, das Wohnrecht aufgrund einer krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheit jedoch nicht erlösche. Weiters sei der gesamte Wirtschaftstrakt in einem äußerst schlechten baulichen Zustand. Im Falle der Ersteigerung des elterlichen Hofes blieben dem Beschwerdeführer Investitionen erspart, da diesfalls eine geeignete Hofstelle für beide Höfe zur Verfügung stünde. Schließlich hätte der Beschwerdeführer im Falle der Ersteigerung die Möglichkeit, seine Tätigkeit als Angestellter aufzugeben, da die Bewirtschaftung beider Höfe eine lebensfähige (Existenz)Grundlage schaffen würde. Derzeit müsse der Beschwerdeführer einem anderen Beruf nachgehen, um die Grundlage für die Bewirtschaftung des "Hueberhofes" gewährleisten zu können. Die flexiblen Arbeitszeiten des Elektrounternehmes ermöglichten ihm eine vorbildliche Bewirtschaftung des "Hueberhofes". Der Beschwerdeführer wolle den elterlichen "Kerschbaumerhof" - dessen einziger Hoferbe er sei - erwerben, um diesen gemeinsam mit dem "Hueberhof" als Vollerwerbslandwirt führen zu können, weshalb Selbstbewirtschaftung vorliege. All diese Aspekte habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt und das Vorbringen des Beschwerdeführers völlig ignoriert.

Mittlerweile sei dem Beschwerdeführer die Frist zum Aufzug auf den "Hueberhof" vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde mit Ergänzungsbescheid vom aus den oben angeführten Gründen um zwei weitere Jahre verlängert worden.

1.2. Die belangte Behörde habe auch das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Sie verwehre dem einzigen möglichen Hoferben den exekutiven Erwerb seines elterlichen Hofes, obwohl er sämtliche Voraussetzungen für den Erwerb erfülle, und wende daher die ihrer Entscheidung zugrundeliegende Rechtsgrundlage gesetzwidrig an.

2.1 Bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen könnte eine Verletzung des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur vorliegen, wenn die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einem gehäuften Verkennen der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

2.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen käme eine Verletzung des Grundrechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums nur im Falle einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes in Frage.

3. Es liegt weder Willkür noch eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes vor:

3.1. Der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist ein - aus verfassungsrechtlicher Sicht - nicht zu beanstandendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen. Die belangte Behörde hat sich - wie dem Akteninhalt entnommen werden kann - mit der Sach- und Rechtslage eingehend und in vertretbarer Weise auseinandergesetzt. Der Behauptung, die belangte Behörde habe das Vorbringen des Beschwerdeführers völlig ignoriert, kann der Verfassungsgerichtshof auf Basis der ihm vorliegenden Verwaltungsakten nicht folgen. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens auf Berufungsebene ist auf der gegenständlichen Liegenschaft ein Augenschein von einem Amtsorgan der Landes-Grundverkehrskommission vorgenommen worden. Der Beschwerdeführer hatte auch die Möglichkeit, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen; davon hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers, warum er nicht auf die Hofstelle des "Hueberhofes" aufziehen könne, stellte die belangte Behörde fest, daß dem Beschwerdeführer diese Umstände bereits 1997 bei Abschluß des Ankaufes des "Hueberhofes" bekannt gewesen seien.

Dem Vorwurf, den Argumenten der belangten Behörde sei die Rechtsgrundlage für die Verweigerung der Bieterbewilligung entzogen worden, da mit Ergänzungsbescheid die Frist zum Aufzug auf den "Hueberhof" verlängert worden sei, ist folgendes entgegenzuhalten: Da der Ergänzungsbescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom erst nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung der Bieterbewilligung in zweiter Instanz (Sitzung der Landes-Grundverkehrskommission am ) erlassen wurde, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie diesen Umstand nicht berücksichtigt hat.

Gemäß § 6 Abs 1 TGVG 1996 hat die Behörde eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob im Falle der Genehmigung des Grunderwerbes gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden. Die Behörde hat auf Basis der Tatsachenfeststellung, daß der Beschwerdeführer hauptberuflich als Betriebsführer bei einem Elektroinstallationsunternehmen angestellt ist, die Prognose gestellt, daß der Beschwerdeführer den "Kerschbaumerhof" und den "Hueberhof" gemeinsam im Nebenerwerb nicht werde bewirtschaften können. Die Erteilung der Bieterbewilligung stehe daher im Widerspruch zu den Schutzinteressen des § 6 Abs 1 TGVG 1996. Ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler kann der Behörde nicht angelastet werden, da - so auch die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - die Auffassung, zur Selbstbewirtschaftung sei grundsätzlich die persönliche Anwesenheit des Erwerbers erforderlich, verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. zB - mit Hinweisen auf die weitere Rechtsprechung - VfSlg. 14966/1999; ).

Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewandt hat:

Wie bereits ausgeführt, hat die belangte Behörde die Versagung der Genehmigung im wesentlichen mit der negativen Prognoseentscheidung begründet, die nach einem Ermittlungsverfahren erfolgte, im Zuge dessen der Behörde keine Fehler unterlaufen sind, die mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wären. Die Prognoseentscheidung war auch nicht deshalb überflüssig, weil der Beschwerdeführer der einzige Hoferbe ist. Auch im Falle eines Erbganges hätte er wegen der besonderen Bestimmungen des Höfegesetzes (LGBl. für Tirol 47/1900 idF BG BGBl. 657/1989) keine Sicherheit, den Hof übernehmen zu können.

Der Beschwerdeführer ist daher auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

4. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs (Art6 StGG) verletzt worden zu sein. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte eine Verletzung dieses Rechtes nur dann vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (s. VfSlg. 14966/1997; ). Wie bereits ausgeführt, ist der belangten Behörde ein solches Verhalten nicht vorzuwerfen. Angesichts dessen kommt eine Verletzung des Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs nicht in Frage.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in einem Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

6. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. etwa VfSlg. 13419/1993, 14408/1996). Die Beschwerde war daher abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.