VfGH vom 27.09.2003, b18/00

VfGH vom 27.09.2003, b18/00

Sammlungsnummer

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Spruch

I. Die Beschwerdeführer J D zu B18/00 und H E zu B19/00 sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, diesen Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit je 2.143,68 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

II. Die Beschwerde der C E zu B19/00 wird zurückgewiesen

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die K. Bau-GmbH beantragte die Baubewilligung zur Errichtung von acht Wohnhäusern mit insgesamt 29 Wohneinheiten auf GP 2924 der KG 56313 Neumarkt-Land. Die verbaute Fläche der Häuser beträgt 1.027,95 m², die Geschoßfläche 2.980,39 m². Am wurde eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu der auch die Nachbarn und nunmehrigen Beschwerdeführer geladen worden waren; diese erhoben gegen die beabsichtigte Bauführung Einwendungen. Daraufhin änderte die bauwerbende Gesellschaft am ihr Bauansuchen dahingehend ab, dass die Baubewilligung nur noch hinsichtlich der Häuser 6-8 beantragt wurde. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Neumarkt a. W. erteilte die baubehördliche Bewilligung für die Häuser 6-8. Hinsichtlich dieser Häuser kam den Beschwerdeführern aufgrund der Entfernung ihrer Grundstücke von den geplanten Bauten keine Parteistellung zu. Für das Haus Nr. 5 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde Neumarkt a. W. - nach einem entsprechenden Bauansuchen - mit Bescheid vom die baubehördliche Bewilligung. Die Beschwerdeführer zu B19/00 (C und H E) haben dagegen keine Berufung erhoben; die Berufung des J D (Beschwerdeführer zu B18/00) wurde mangels Erhebung von Einwendungen bis zum Ende der mündlichen Verhandlung am als "unbegründet abgewiesen". Ein wegen der versäumten Einwendungsfrist erhobener Antrag auf Wiedereinsetzung war letztlich nicht erfolgreich (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Z 99/06/0040).

Die bauwerbende Gesellschaft brachte weiters für die Häuser 1-4 jeweils Ansuchen um Kenntnisnahme einer Bauanzeige ein. Diese Bauanzeigen wurden vom Bürgermeister der Marktgemeinde Neumarkt a. W. am mit vier Bescheiden zur Kenntnis genommen.

Mit Schreiben vom beantragten die nunmehrigen Beschwerdeführer H E und J D Akteneinsicht hinsichtlich der Häuser 1-4 und die Zustellung der Bescheide über die Kenntnisnahme der Bauanzeige. Die Akteneinsicht wurde gewährt. Die Anträge auf Zustellung der Bescheide über die Kenntnisnahme der Bauanzeige wies der Bürgermeister mit Bescheid vom mangels Parteistellung zurück.

In der dagegen erhobenen Berufung führten die nunmehrigen Beschwerdeführer H E und J D aus, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Bauanzeige nicht vorlägen, da die "Teilung" des Baubewilligungsverfahrens für die Häuser 1-8 in zwei Baubewilligungsverfahren und vier Bauanzeigeverfahren eigens zu dem Zweck vorgenommen worden sei, den Nachbarn die Möglichkeit von Einwendungen zu nehmen. Die Bestimmungen des § 10 Abs 3, 3a und 5 Sbg BauPolG seien verfassungsrechtlich bedenklich.

Die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Neumarkt a. W. wies die Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Bei den Häusern handle es sich unbestritten um Kleinwohnhäuser iSd § 3 Abs 1 Z 1 BauPolG iVm § 40 Abs 1 Bautechnikgesetz, die bloß anzeigepflichtig seien. Im Bauanzeigeverfahren hätten die Nachbarn gemäß § 10 Abs 3 BauPolG keine Parteistellung.

Die Salzburger Landesregierung gab der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer, deren Gegenstand nur der Antrag auf Bescheidzustellung und Akteneinsicht war, keine Folge. Im angefochtenen Gemeindebescheid sei schlüssig dargelegt worden, dass das Bauvorhaben einem Bauanzeigeverfahren unterzogen werden konnte und den Nachbarn somit keine Parteistellung zukomme. Die Teilung des gegenständlichen Bauverfahrens sei dem Bauwerber freigestanden.

2. Die auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden behaupten die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§§3, 10 BauPolG).

3. Die Salzburger Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor.

4. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen mit Beschluss vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs 1 Z 1 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG), Kundmachung der Salzburger Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 40/1997, eingeleitet.

In der nichtöffentlichen Sitzung am , protokolliert zu G18, 19/03, hat der Verfassungsgerichtshof § 3 Abs 1 Z 1 BauPolG als verfassungswidrig aufgehoben.

5. Die belangte Behörde hat daher eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer J D zu B18/00 und H E zu B19/00 wurden also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind jeweils Umsatzsteuer in Höhe von 327,- €

und eine Eingabegebühr in Höhe von 181,68 € enthalten.

II. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beschwerdelegitimation nur dann gegeben, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Parteien verletzt worden sein kann, wenn mithin die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre berühren, der Bescheid also subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt (s. zB VfSlg. 7226/1973 mwH). Wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls schon ausgesprochen hat (VfSlg. 5358/1966, 8746/1980), hat die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte zwingend die Parteistellung im Verwaltungsverfahren zur Folge, oder - anders gesagt - es kann die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, nur bei Personen vorliegen, denen an der im konkreten Verwaltungsverfahren behandelten Sache die Stellung einer Partei zugekommen ist.

Da die Beschwerdeführerin C E zu B19/00 weder einen Antrag auf erstinstanzliche Bescheiderlassung gestellt hat, noch Bescheidadressatin ist, ist ihre Beschwerde unzulässig.

Die Beschwerde der C E zu B19/00 war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

III. Diese Entscheidungen konnten gemäß § 19 Abs 4 Z 3 und § 19 Abs 3 Z 2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.