OGH vom 16.01.1991, 9ObA607/90
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Walter Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers F*****, wider den Antragsgegner Ö*****, vertreten durch Dr. Wolf D. P*****, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Rechtliche Beurteilung
1.) Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz 1987, BGBl 1987/298, als verfassungswidrig aufzuheben.
2.) Mit der Fortführung des Feststellungsverfahrens gemäß § 54 Abs 2 ASGG wird im Sinne des § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.
Begründung:
Beim Obersten Gerichtshof ist ein Feststellungsverfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG anhängig, in dem der Antragsteller die Feststellungen begehrt, daß
a) die streitgegenständlichen Vertragspensionen unter die Geltung des § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz fallen, und
b) gemäß § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz, BGBl 1987/298, eine Wertanpassung bestehender Pensionszuschüsse der betroffenen Unternehmungen für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des ÖIAG-Finanzierungsgesetzes und dem nicht nachholend zu erfolgen hat.
Der Antragsteller führt zur Begründung seiner Feststellungsanträge aus, daß zwischen ihm und dem Antragsgegner die mehr als drei pensionierte Arbeitnehmer betreffende Frage trittig geworden sei, ob die Bestimmung des § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz 1987 eine befristete Aussetzung der Wertanpassungsklauseln in dem Sinn vorsehe, daß nach diesem Zeitraum die in der Zwischenzeit bei Anwendung der Klauseln zu erfolgende Wertanpassung nachgeholt und auf diesem neu ermittelten Wert weiter aufgebaut werden müsse, oder ob eine echte Aussetzung der Wertanpassungsklauseln erfolgen soll, so daß die Klauseln erst ab wieder angewendet werden können, ohne daß eine Nachholung der Wertanpassung für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes und dem erfolgen soll. Des weiteren sei strittig, ob die vom Antrag erfaßten Pensionen überhaupt als Zusatzpensionen im Sinne des § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz angesehen werden können.
Der Antragsteller behauptete folgenden Sachverhalt:
In einigen Mitgliedsunternehmen des Antragstellers wurden mit gewissen Gruppen von Angestellten Einzelverträge über Pensionszuschüsse abgeschlossen. Der Pensionszuschuß beträgt maximal 80 % des letzten Bruttomonatsbezuges, wobei Ruhebezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung auf diesen Pensionszuschuß angerechnet werden.
In diesen Pensionsverträgen sind regelmäßig Wertsicherungsklauseln in unterschiedlicher Ausgestaltung enthalten. In der Regel wird als Basis der Wertsicherung der Verbraucherpreisindex 1966 herangezogen, wobei Schwankungen nach oben oder unten in jeweils unterschiedlicher Höhe (3 % bzw. 5 %) unberücksichtigt bleiben. Lediglich darüberhinausgehende Veränderungen schlagen sich entsprechend auf die Höhe der Pension nieder. Andere Wertsicherungsklauseln orientieren sich an den kollektivvertraglichen Erhöhungen der Ist-Gehälter; in diesem Ausmaß wird auch die Pension erhöht. Eine weitere Variante sieht eine Anpassung an das Niveau des durchschnittlichen Normalbezuges der Angestellten und Arbeiter des Unternehmens (ebenfalls unter Berücksichtigung eines 5 %igen Schwellenwerts) vor.
Nach § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz sind bei Gesellschaften des ÖIAG-Konzerns, die Mittelzuführungen im Sinne des § 1 Abs 1 leg cit oder sonstige Zuführungen von Darlehen oder Eigenkapital durch den Eigentümer erhalten, in betrieblichen oder einzelvertraglichen Vereinbarungen über Zusatzpensionen enthaltene Wertanpassungsklauseln bis zum nicht anzuwenden. Demgemäß ist bei allen in Frage kommenden Pensionszuschüssen die Wertsteigerung für den im Gesetz genannten Zeitraum ausgesetzt worden.
Der Antragsteller vertritt dazu die Rechtsauffassung, daß die antragsgegenständlichen Pensionsansprüche unter den Begriff der Zusatzpension des Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz zu subsumieren seien, da auch aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage eine Differenzierung nach der Art der Leistung des Unternehmens nicht hervorgehe.
Hinsichtlich der Aussetzung der Wertanpassung könne die Bestimmung des Art I § 7 Abs 1 leg cit nur so verstanden werden, daß zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes und dem die in den bestehenden Pensionsvereinbarungen enthaltenen Wertanpassungsklauseln außer Kraft gesetzt seien. Sei die Regelung befristet unanwendbar, müßten die in diesem Zeitraum stattgefundenen Kaufkraftverluste für alle Zukunft unberücksichtigt bleiben. Dies bedeute, daß für die Jahre 1987 bis 1990 keine Nachholung der eingetretenen Wertminderung zu erfolgen habe. Eine Wertanpassung könne im Sinne der jeweiligen, erst ab wieder in Kraft gesetzten Wertanpassungsklauseln erst wieder ab vorgenommen werden.
Diese Interpretation entspreche auch dem Zweck der Norm, die zur Durchführung strukturverbessernder Maßnahmen erforderlichen Mittel sicherzustellen. Aber auch die Gesellschafter des ÖIAG-Konzerns hätten durch Eigenleistungen einen Beitrag zur Stärkung ihrer Liquidität sowie der Ertragslage des Konzerns zu erbringen. Zu diesen Eigenleistungen gehöre die Notwendigkeit, bei den betrieblichen Pensionsbeiträgen Einsparungen zu erzielen; diese würden aber ad absurdum geführt, wenn zum die Wertanpassungen der vergangenen Jahre wieder aufgefüllt werden müßten. Setze man die Wertanpassungsklauseln auf Dauer aus, ergebe sich eine Einsparung von ca. 218 Mill S; müßte die Wertanpassung 1991 hingegen rückwirkend vorgenommen werden, betrage die Einsparung nur 33 Mill S, also ein im Vergleich zu den Sanierungsleistungen von 32 Milliarden S kaum erwähnenswerter Betrag. Die finanzielle Belastung der Unternehmen hätte gerade durch das Aussetzen der Wertanpassung bis Ende 1990 in Grenzen gehalten werden sollen. Nur durch eine nicht rückwirkende Inkraftsetzung der Wertanpassungsklauseln ab könne ein nachhaltiger Sanierungsbeitrag erreicht werden.
Der Antragsgegner vertritt in erster Linie den Standpunkt, daß die Bestimmung des Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz verfassungswidrig sei und daher überhaupt nicht angewendet werden dürfe. Er regt daher an, einen Gesetzesprüfungsantrag nach Art 140 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen und führt dazu im Sinne eines von o.Univ.-Prof.Dr.Richard NOVAK, Graz, erstatteten Rechtsgutachtens aus, daß die Kürzungsmaßnahme des § 7 Abs 1 leg cit sozial unausgewogen und unsachlich sei. Die Maßnahme verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, da sie dem Gebot des Vertrauensschutzes zuwiderlaufe und ohne jede Übergangsfrist ganz massiv in schutzwürdige Interessen eingreife. Nach den geltenden Vertragsbedingungen der V***** AG werde die Höchstgrenze des Ruhebezuges von 80 % des letzten Bruttomonatsentgelts erst nach 40 anrechenbaren Dienstjahren erreicht. Die betroffenen Pensionisten hätten bereits vorgeleistet und keine Möglichkeit mehr, sich auf den drastischen Eingriff einzustellen oder darauf zu reagieren. Soweit der eingesparte Betrag von höchstens 200 Pensionisten aufgebracht werde, ergebe sich nach den vom Antragsteller genannten Beträgen für den Zeitraum von 3 1/2 Jahren bereits ein Opfer des einzelnen Pensionisten von S 165.000, bei einer Unberücksichtigung der ausgesetzten Valorisierung auch in der Folgezeit ein solches von ca. S 1 Mill. Ein Verzicht auf diesen Betrag führe sohin zu einer erheblichen Schmälerung des Lebensstandsards der betroffenen Pensionisten.
Für den Fall der Nichtstellung eines Überprüfungsantrags beantragt der Antragsgegner die Abweisung der Feststellungsanträge. Bei den in Frage stehenden Ruhebezügen handle es sich nicht um Doppel- oder Zusatzpensionen. Die vertraglichen Ruhebezüge seien vielmehr als Gesamtpension konzipiert und als Substanz einer einzigen Pensionsleistung anzusehen.
Soweit der im Feststellungsantrag behauptete Sachverhalt nicht näher auf die einzelnen Wertsicherungsklauseln in den bestehenden Verträgen eingehe, sei er unvollständig und ungenau. Die Annahme des Antragstellers, daß es nach dem zu einem rückwirkenden Aufleben der Klauseln komme, sei falsch. Die Bestimmung des Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz sehe begrifflich nur vor, daß die Klauseln bis nicht anzuwenden seien; an ihrem Bestand habe sich dadurch nichts geändert. Die Absicht der Parteien sei durch einfache Vertragsauslegung aus den zugrundeliegenden Vereinbarungen schon dem Wortlaut nach klar erkennbar, sodaß die Auslegung des Antragstellers den geschlossenen Vereinbarungen und sohin auch den §§ 914 ff ABGB widerspreche. Da die Wertsicherungsklauseln nach dem Ende des Jahres 1990 wieder anzuwenden seien, sei vom Gesetz her die vertragsgemäße Anwendung der Klauseln und somit der Vergleich zwischen Basismonat und Vergleichsmonat geboten. Es werde daher der Antrag gestellt, festzustellen, daß eine Wertanpassung bestehender Rechtsanspruchspensionen der betroffenen Unternehmungen mit dem Wortlaut der Verträge entsprechend durch Vergleich des Basismonats mit dem Vergleichsmonat nach den entsprechenden Indices zu erfolgen habe.
Der zur ergänzenden Äußerung aufgeforderte Antragsteller brachte keine weitere Stellungnahme ein.
Der Oberste Gerichtshof hat über den gestellten Feststellungsantrag, der im Sinne des § 54 Abs 2 ASGG zulässig ist (DRdA 1990/8; DRdA 1989/30 ua), auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhalts zu entscheiden (§ 54 Abs 4 ASGG), wobei dem einschreitenden Senat auch das Antragsrecht an den VfGH zusteht, da er auch in diesem Rahmen in der Rechtsprechung tätig wird (Kuderna, ASGG § 54 Erl 20).
Bei dieser Entscheidung ist Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz 1987 im Sinne der zu Art 89 Abs 2 B-VG ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 3319, 3349, 4644, 5790, 9906, 9911 uva; dazu auch Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht6, 377) "anzuwenden". Die vom Antragsteller beschriebenen Vertragspensionen bei den Gesellschaften des ÖIAG-Konzerns sind vom Geltungsbereich des Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz umfaßt, da diese Bestimmung nicht zwischen "Zusatzpensionen" und "Pensionszuschüssen" unterscheidet. Die Entscheidung über den Feststellungsantrag hängt daher davon ab, ob Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz etwa nach den EBzRV im Sinne einer "Außerkraftsetzung" der Valorisierungsklauseln und eines befristeten "Ausschlusses der Steigerung" so anzuwenden ist, daß die Wertsicherung nicht nur in dem vom Gesetz genannten Zeitraum, sondern auch für die Zukunft unberücksichtigt bleiben soll (144 BlgNR 17. GP, 8; auch MietSlg 34.150 ua). Die angefochtene Norm ist für die Entscheidung präjudiziell (VfSlg 11.289 ua).
Der Oberste Gerichtshof hat gegen die Anwendung des Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit aus folgenden Erwägungen Bedenken:
Die Verfasser der Regierungsvorlage
des ÖIAG-Finanzierungsgesetzes waren sich der Problematik der in bestehende Verträge eingreifenden Regelung des Art I § 7 Abs 1 leg cit (vgl. Novak, Der verfassungsrechtliche Schutz von Anwartschaften vor Eingriffen des Gesetzgebers, ZAS 1988, 109
110) bewußt. Sie meinten jedoch, daß direkte Eingriffe des Gesetzgebers in bestehende vertragliche Vereinbarungen verfassungsrechtlich zulässig seien, wenn sie weder exzessiv seien noch unsachliche Differenzierungen enthielten (VfSlg 8212/1977; wN bei Walter/Mayer aaO 443 f). Die Regelung lasse die vertraglichen Zusatzpensionen (mit dem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes gebührenden Betrag) unberührt und schließe nur befristet Steigerungen aus, so daß sie nicht in den Kern der bestehenden Vertragsrechte eingreifen. Die Bestimmung sei sachlich gerechtfertigt, weil sie sich auf Unternehmen beschränke, deren Eigentümer letztlich der Bund sei, welcher durch finanzielle Zuwendungen ihren Bestand sichere. In das bestehende Konzept der Selbstregelung der Beziehungen zwischen den Angehörigen solcher Unternehmungen und diesen Unternehmungen werde nur insoweit eingegriffen, als es die finanzpolitischen Notwendigkeiten einer möglichst geringen Belastung des Bundesbudgets verlangten. Durch die Befristung des Eingriffs auf jenen Zeitraum, bis zu dem die finanzielle Sanierung erwartet werde, sei auch das Gleichheitsgebot gewahrt.
Diese Argumente vermögen insgesamt nicht zu überzeugen.
Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wiederholt ausgesprochen hat, ist der Gesetzgeber zwar nicht gehindert, auch in sogenannte "wohlerworbene Rechte" einzugreifen, wenn dabei das Gleichheitsgebot gewahrt wird (VfSlg 3665/1959, 3768/1960, 3836/1960, 11.288/1987, 11.309/1987 uva). Der Verfassungsordnung ist ein "Grundrecht wohlerworbener Rechte" fremd
(VfSlg 10.588/1985; wN zur Rspr des VfGH bei Griller in Runggaldier-Steindl, Handbuch zur Betriebspension, 139 FN 61). Das Bestreben, Anspruchsberechtigte bei gleichen sachlichen Voraussetzungen gleich zu behandeln, vermag jedoch nicht die Minderung wohlerworbener Rechte jedweder Art und jedweder Intensität sachlich zu begründen (VfSlg 11.309/1987). Der (einfache) Gesetzgeber hat bei der Änderung der Rechtspositionen vor allem auch den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen (VfSlg 11.288/1987; dazu Novak in Wenger FS, Vertrauensschutz und Verfassungsrecht 159 ff, 174 f; auch Tomandl in ZAS 1987, 178 f). Das mit der Regelung des Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz verfolgte Ziel der Entlastung des Bundeshaushalts kann zwar an sich geeignet sein, Eingriffe in bestehende Rechtspositionen sachlich zu rechtfertigen, doch können auch Zielsetzungen dieser Art - wie bereits allgemein hervorgehoben - die Minderung wohlerworbener Rechte jedweder Art und jedweder Intensität sachlich nicht begründen
(VfSlg 11.665/1988). Erfordern Maßnahmen zur Entlastung des Bundeshaushaltes Kürzungen, so verlangt das Gebot der Sachlichkeit, daß ein im Interesse der Gesamtheit zu erbringendes Opfer nicht punktuell gezielt eine relativ kleine Gruppe treffen darf, sondern entsprechend breit gestreut werden muß. Eine solche Kürzung kann nach sozialen Gesichtspunkten differenzieren und darf nicht tendenziell wirtschaftlich Schwächere stärker treffen.
Bei der Kürzung von Pensionen - auf die der hier verfügte mehrjährige Valorisierungsstop hinausläuft - fällt besonders ins Gewicht, daß die in Betracht kommenden Personen schon während ihrer aktiven Berufstätigkeit den Standard ihrer Lebensführung auf den Bezug einer später anfallenden Pension (eines Ruhegenusses) einrichten. Mit einer bestimmten Pensionsregelung sind daher auch schutzwürdige Erwartungen der Betroffenen verbunden. Sie vertrauen darauf, daß diese Erwartungen nicht durch plötzliche, ihre Lebensführung direkt treffende Maßnahmen des Gesetzgebers beeinträchtigt werden. Eine Mißachtung dieses Vertrauens wiegt bei Pensionisten besonders schwer, weil sie sich nachträglich meist nicht mehr auf geänderte Umstände einstellen können, wenn ihre Erwartungen infolge einer Änderung der Gesetzeslage nicht erfüllt werden. Ein nur punktuell von Gesetzen geforderter Akt der Solidarität (hier: gegenüber der Allgemeintheit) wird daher in der Regel unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu rechtfertigen sein (VfSlg 11.665/1988; iglS VfSlg 11.741/1988; ähnlich auch schon VfSlg 11.309/1987).
Der durch Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz erfolgte Eingriff in die Rechtsposition der pensionierten Arbeitnehmer ist darüber hinaus auch unter dem Gesichtspunkt der Unverletzlichkeit des Eigentums zu beurteilen, da sich der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff nach ständiger Rechtsprechung des VfGH nicht bloß auf das Eigentum an körperlichen Sachen, sondern auf alle vermögenswerten Privatrechte und daher auch auf private Forderungsrechte erstreckt (VfSlg 3684, 5371, 6986, 6808, 7545, 8201; Walter/Mayer aaO 450), wogegen Gehalts- und Ruhegenußansprüche öffentlich-rechtlicher Bediensteter und sozialversicherungsrechtliche Ansprüche als
Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur nicht Schutzobjekt der Eigentumsgarantie sind (Walter/Mayer aaO 451; Novak, ZAS 1988, 113 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen;
Klecatsky-Morscher, B-VG3 ENr 3 zu Art 5 StGG). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 6780/1972 mwN) kann der einfache Gesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen nur verfügen, wenn er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechts berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt und - wie in der jüngeren Rechtsprechung (wegen Art 1 ZPMRK) hinzugefügt wurde - soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse "Allgemeininteresse") liegt (VfSlg 9911/1983; 11.402/1987). Insofern gewährt der Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums nicht bloß Schutz vor dem Entzug des Vollrechts, sondern (jetzt) auch gegen bloße Eigentumsbeschränkungen (Art 1 Abs 2 Z 1 ZPMRK; auch Walter/Mayer aaO 453), ohne daß hier auf die Frage der Abgrenzung zwischen Enteignung und Eigentumsbeschränkung eingegangen werden müßte. Die Frage, ob der "Wesenskern" des Eigentumsrechts berührt ist, wird im wesentlichen unter Heranziehung des Gleichheitssatzes beurteilt (VfSlg 5513; 7304; Walter/Mayer aaO 451). Auch bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses kann die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes (vgl etwa VfSlg 11.402/1987) dadurch rechtlich bedeutsam sein, daß den einzelnen im Verhältnis zu anderen Berechtigten ein unangemessenes "Sonderopfer" abverlangt wird (VfSlg 6884/1972, 7234/1973, 7759/1976; JBl 1987, 168; Walter/Mayer aaO 452). Bei Anwendung dieser Grundsätze bestehen jedenfalls (substantiierte) Bedenken gegen Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit.
Mit dem anzuwendenden Gesetz sollte eine Budgetentlastung erzielt werden. Die damit verbundenen Nachteile treffen aber nicht alle Nutznießer aus der Zuführung von Mitteln durch den Eigentümer, sondern nur die Bezieher von Zusatzpensionen, also eine relativ kleine Personengruppe, die aus den vom VfGH im Erkenntnis 11.665/1988 aufgezeigten Gründen besonders schutzwürdig ist. Betriebspensionen fallen in der Regel erst nach längerer Dauer des Arbeitsverhältnisses an. Sie werden dem Arbeitnehmer wegen seiner Arbeitsleistung versprochen und beruhen auf dem Arbeitsvertrag. Die Betriebspension ist gewissermaßen ein aufgespartes, "thesauriertes" Entgelt, das sich der einzelne Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit und Loyalität gegenüber dem Betrieb erdient hat. Die Arbeitnehmer verzichten in Zeiten der Konjunktur auf einen für sie vielleicht vorteilhaften Wechsel des Arbeitsplatzes und sie erbringen ihre Arbeitsleistung, um unter anderem auch eine Betriebspension zu erhalten (JBl 1989, 264; Kerschner, WBl 1988, 217; Säcker in Tomandl, Betriebliche Sozialleistungen 48 ua). Mit Rücksicht auf diese Situation haben Pensionisten schon während ihrer aktiven Berufstätigkeit den Standard ihrer Lebensführung vielfach auf den Bezug der später anfallenden Zusatzpension eingerichtet und ihre oft jahrzehntelangen Arbeitsleistungen in der Erwartung erbracht, daß durch die Pensionierung kein erhebliches Absinken des während der Aktivzeit erzielten Standards der Lebensführung eintritt. Sie vertrauen darauf, daß diese Erwartungen nicht nach der Erbringung ihrer gesamten Arbeitsleistung durch plötzliche, ihre Lebensführung direkt treffende Maßnahmen beeinträchtigt werden und halten nicht zuletzt wegen der späteren Zusatzpension an ihrem Arbeitsverhältnis fest. Bei Pensionisten wiegt eine Mißachtung dieses Vertrauens besonders schwer, weil sie sich nachträglich meist nicht mehr auf geänderte Umstände einstellen können.
Im vorliegenden Fall geht es freilich nicht darum, daß den betroffenen Zusatzpensionisten die vertraglich zuerkannten Zusatzpensionen durch einen Akt des Gesetzgebers überhaupt aberkannt wurden. Der Eingriff beschränkt sich vielmehr darauf, daß die Wertsicherungsklauseln dieser Pensionsverträge durch einen Akt des Gesetzgebers vorübergehend sistiert wurden. Es ist daher auch die Ausgewogenheit und Intensität des Eingriffs zu prüfen.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist jedoch der gesetzliche Eingriff in die vertraglichen Zusatzpensionen der ÖIAG-Pensionisten auch nicht damit zu rechtfertigen, daß er nur die vertraglich vereinbarte Wertsicherung für einen Zeitraum von maximal etwa 3 1/2 Jahren betrifft, weil gleichartige Maßnahmen für aktive Dienstnehmer der durch Mittelzuführungen begünstigten Unternehmen nicht getroffen wurden. Die aus der Gesamtsicht ohnehin wenig effektiven Einsparungsmaßnahmen (vgl. VfSlg 11.665/1988) wurden also nur zu Lasten einer relativ kleinen Gruppe von Pensionisten erzielt, wogegen die aktiven Arbeitnehmer in derselben Zeitperiode von den üblichen jährlichen Lohnerhöhungen nicht ausgeschlossen wurden. Ein an sich naheliegender Vergleich mit den sogenannten "Statutarpensionisten" scheidet schon deshalb aus, da diesen vom jeweilugen Arbeitgeber von vornherein nur jederzeit widerrufliche Pensionsansprüche zuerkannt wurden (DRdA 1989/30).
Im übrigen sind aber die Eingriffe in die vertraglichen Ansprüche der betroffenen Zusatzpensionsbezieher durchaus nicht geringfügig, auch wenn man von immerhin durchaus möglichen Extremfällen (nicht auszuschließende Gefahr ganz erheblicher Geldentwertungen gerade im fraglichen Zeitraum) absieht und die Auswirkungen des Gesetzes nach der im Verfassungsrecht gebotenen Durchschnittsbetrachtung (VfSlg 10.291/1984, 11.665/1988) beurteilt. Für den durchschnittlichen Betroffenen konnten jedenfalls während des Zeitraums von 3 1/2 Jahren relativ große Pensionseinbußen eintreten, die sich dann, wenn Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-Finanzierungsgesetz nach seinem Wortlaut dahin ausgelegt werden müßte, daß die Wertsicherung ab auf jener Basis fortzusetzen ist, die im Zeitpunkt des gesetzlich angeordneten Valorisierungsstops bestand, für die betroffenen Zusatzpensionisten auf ihre Lebenszeit perpetuieren, wogegen die erst ab in Ruhestand tretenden Dienstnehmer davon weder während ihrer Aktivzeit betroffen waren noch in ihren Pensionsansprüchen berührt werden. So gesehen ist der Eingriff sozial unausgewogen; er ist von beträchtlicher Intensität und reicht für die Betroffenen - jedenfalls bei einer möglichen Auslegungsvariante des Gesetzes - über den Zeitpunkt der vom Gesetzgeber erwarteten Unternehmenssanierung () hinaus.
Auch das schwerwiegende Argument für eine Sachlichkeit der Regelung (das gegen die aufgezeigten Bedenken vorgebracht werden kann), nämlich daß der Eigentümer durch die Beistellung der zur Sanierung erforderlichen Mittel den Bestand des (jeweiligen) wirtschaftlich gefährdeten Unternehmens des ÖIAG-Konzerns sichert und damit überhaupt erst die Grundlage dafür schafft, daß die Zusatzpensionen an die Betroffenen weitergezahlt werden können, wogegen sie im Insolvenzfall auf die Ansprüche nach § 3 Abs 3 IESG verwiesen wären, rechtfertigt jedenfalls Regelungen, die nur für Unternehmen des Bundes gelten, keineswegs. Ein dem Gleichheitsgrundsatz nicht widersprechender Eingriff in die Vertragspositionen von Unternehmensgläubigern mit der Begründung, daß der Eigentümer zur Rettung des Unternehmens (ohne gesetzliche Verpflichtung) Mittel zuführe, auf diese Weise eine Insolvenz vermeide und dadurch auch Gläubigerinteressen sichere, sodaß von diesen Gläubigern billigerweise ein Solidaritätsakt gefordert werden könnte, müßte grundsätzlich auf alle Unternehmen, bei denen ein solcher Fall eintreten kann, erstreckt werden und dürfte nicht nur für Unternehmen des Bundes (oder einer sonstigen Gebietskörperschaft) gelten. Ein sachlicher Grund dafür, eine solche Regelung auf Gesellschaften im Eigentum des Bundes zu beschränken, womit sich dieser als Privatrechtsträger Vorteile gegenüber anderen Privatrechtsträgern verschaffen kann, liegt nicht vor (vgl VfSlg 11.402/1987). Die bei einer solchen Maßnahme vorgesehene Kürzung könnte - ähnlich wie im (geltenden oder früheren) Insolvenzrecht - nach sozialen Gesichtspunkten differenzieren, dürfte aber jedenfalls nicht tendenziell nur wirtschaftlich Schwächere stärker treffen. Diesen Anforderungen wird aber der vorliegende gesetzgeberische Eingriff, der nur die Kürzung von vertraglichen Zusatzpensionen und dies wiederum nur im ÖIAG-Konzern betrifft, nicht gerecht.
Zur unsachlichen Beschränkung der Regelung auf Betriebe des ÖIAG-Konzerns ist darauf zu verweisen, daß der Bundesgesetzgeber selbst eine ähnliche allgemeine, für alle Aktiengesellschaften geltende Regelung (für Vorstandsmitglieder) abgelehnt hat. Gemäß § 78 Abs 2 AktG 1937 war der Aufsichtsrat zu einer angemessenen Herabsetzung der Bezüge der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft berechtigt, wenn nach der Festsetzung eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft eintrat, daß die Weitergewährung der Bezüge eine schwerwiegende Unbilligkeit für die Gesellschaft wurde. Diese Bestimmung wurde anläßlich der Austrifizierung des Aktiengesetzes 1937 nicht übernommen. Der Grund für die Streichung lag nach den EBzRV darin, daß diese Bestimmung "nicht dem rechtsstaatlichen Prinzip der Vertragstreue entspricht" (301 BlgNR 10. GP, 69; vgl DRdA 1989/30). Für seine eigenen Gesellschaften hält sich der Bund an dieses rechtsstaatliche Prinzip hier offenbar nicht.
Ergänzend ist der Stellungnahme des Antragsgegners, es wäre auch bei einer Antragstellung an den VfGH wünschenswert, daß der Oberste Gerichtshof eine "einstweilige Entscheidung" treffe, entgegenzuhalten, daß abgesehen davon, daß eine solche Entscheidung in § 54 ASGG nicht vorgesehen ist, auch in diesem Fall die Bestimmung des Art I § 7 Abs 1 ÖIAG-FinanzierungsG "angewendet" werden müßte. Dagegen bestehen aber die aufgezeigten Bedenken.