VfGH vom 28.06.1984, B178/82
Sammlungsnummer
10088
Leitsatz
Heeresdisziplinargesetz; Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens; Gleichheitsverletzung nach Aufhebung der Worte "statt der Entlassung" im § 61 Abs 2
Spruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Der Bf. ist Bundesbeamter (Berufsoffizier) des Ruhestandes. Er wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Erk. der Disziplinaroberkommission für Berufsoffiziere beim Bundesministerium für Landesverteidigung (im folgenden kurz: DOK) vom mehrerer Dienstvergehen für schuldig erkannt. Über den Bf. wurde die Disziplinarstrafe der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit Minderung des Ruhegenusses um 5 vH verhängt.
Am beantragte der Bf. die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 61 Abs 2 des Heeresdisziplinargesetzes, BGBl. 151/1956 (HDG).
b) Das Disziplinarrecht der Berufsoffiziere richtet sich auch nach dem Inkrafttreten des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. 333, (BDG 1979) nach dem HDG (s. § 151 BDG 1979).
§61 Abs 2 HDG lautet:
"Der zu einer Disziplinarstrafe rechtskräftig verurteilte Heeresangehörige oder seine gesetzlichen Erben können die Wiederaufnahme des Verfahrens auch nach vollzogener Strafe verlangen, wenn sie neue Tatsachen oder Beweismittel beibringen, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet sind, den Freispruch oder die Verhängung einer Ordnungsstrafe oder statt der Entlassung eine mildere Disziplinarstrafe zu begründen."
c) Die DOK wies - in einem zweiten Rechtsgang - mit dem im Instanzenzug ergangenen Beschluß vom den Wiederaufnahmsantrag vom ab. Sie begründete dies damit, daß keine der Voraussetzungen der Schlußwendung des § 61 Abs 2 HDG vorlägen: Es käme ein Freispruch oder die Verhängung einer Ordnungsstrafe nicht in Betracht; der letzte Satzteil dieser Bestimmung könne nur angewendet werden, wenn ursprünglich die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wurde.
2. Gegen diesen zweitinstanzlichen Bescheid vom wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Bf. behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit der Worte "statt der Entlassung" im § 61 Abs 2 HDG geprüft.
Mit Erk. vom , G10/83, hat er diese Worte wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
II. 1. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG ist ein vom VfGH aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Das im angefochtenen Bescheid angenommene Hindernis für die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens besteht sohin nicht mehr.
Da der angefochtene Bescheid die beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens in Anwendung der als gleichheitswidrig aufgehobenen Worte ablehnt, verletzt er den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (vgl. zB VfSlg. 9165/1981 und 9357/1982).
Der Bescheid ist daher aufzuheben.