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OGH vom 09.03.2000, 8ObS60/00g

OGH vom 09.03.2000, 8ObS60/00g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Paul und Richard Paiha als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ljubisa G*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich, Burgenland, Wiener Neustadt, Gröhrmühlgasse 4-6, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (S 49.359,26 netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 354/99h-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cgs 136/99y-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis bei einer Gesellschaft mbH beschäftigt, die am wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 2 ALöschG gelöscht wurde. Der vom Kläger am zu Se 302/98z des Landesgerichtes Korneuburg gestellte Antrag auf Konkurseröffnung wurde mangels passiver Antragslegitimation - wegen der inzwischen erfolgten amtswegigen Löschung - zurückgewiesen.

Die rechtliche Begründung der Berufungsentscheidung, die amtswegige Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 2 ALöschG in Verbindung mit der Zurückweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung wegen Fehlens eines die Parteifähigkeit begründenden Vermögens einer GmbH sei einer Ablehnung mangels hinreichenden Vermögens (§ 1 Abs 1 Z 3 IESG) gleichzuhalten, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisionsausführungen ist zu entgegnen.

Rechtliche Beurteilung

Die Formulierung des § 1 Abs 1 IESG enthält hinsichtlich der Aufzählung der der Konkurseröffnung gleichzuhaltenden Tatbestände in den Z 1 bis 6 keinen sprachlichen Hinweis, dass nur diese Tatbestände im Sinne einer taxativen Aufzählung einer Konkurseröffnung gleichzuhalten sind; ebensowenig enthält sie den Hinweis, dass es sich um eine demonstrative Aufzählung handelt (es fehlt das regelmäßig verwendete Wort "insbesondere"). Nach der Rechtsprechung (SZ 59/177; SZ 69/159 ua) schließt auch eine taxative Aufzählung eine erweiternde Auslegung nicht aus. Das bedeutet, dass die einer Konkurseröffnung gleichzuhaltenden Tatbestände, wenn es die Teleologie bzw der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung (EvBl 1999/75 Rüffler, Richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, ÖJZ 1997, 121) gebietet, für eine vorsichtige Analogie offenstehen. Schon das Berufungsgericht hat zutreffend auf die durch die Novelle BGBl 1992/835 in § 1 Abs 1 Z 3 IESG erfolgte Ersetzung des Ausdruckes "Abweisung" durch den weiteren Begriff "Ablehnung" hingewiesen (Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 102; Grießer, Löschung gemäß § 2 AmtslöschungsG und die Anspruchsvoraussetzung auf Insolvenz-Ausfallgeld nach § 1 Abs 1 IESG, ZIK 1997, 37 ff [40]), was die Auslegung gestattet, dass davon auch die Zurückweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung wegen vorausgehender Löschung wegen Vermögenslosigkeit umfasst ist.

Eine gegenteilige Auslegung geriete in einen Widerspruch zu Art 2 Abs 1 lit b der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom , ABl Nr L 238 vom , S 23, wonach der Arbeitgeber im Sinne dieser Richtlinie als zahlungsunfähig gilt,

"wenn die auf Grund der genannten Rechs- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde


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entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat,


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oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen".

Dieses Auslegungsergebnis wird überdies dadurch bestätigt, dass Art 2 Abs 2 der genannten Richtlinie das einzelstaatliche Recht bezüglich der Begriffsbestimmung der Worte "Arbeitnehmer", "Arbeitgeber", "erworbenes Recht" und "Anwartschaftsrecht" unberührt lässt, während ein vergleichbarer Vorbehalt zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit fehlt. Daher ist der Begriff der Zahlungsunfähigkeit im weiteren Sinne der Richtlinie zu verstehen, sodass auch der Fall der Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 2 ALöschG unter diesem Begriff und damit unter § 1 Abs 1 Z 3 IESG zu subsumieren ist (vgl Grießer aaO, 39).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG iVm §§ 41, 50 ZPO.