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OGH vom 31.08.1994, 8ObS6/94

OGH vom 31.08.1994, 8ObS6/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Haselmann und Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Felix F*****, vertreten durch Dr.Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Versicherungsdienste, 1040 Wien, Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 75.059,50 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 34 Rs 69/93-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 25 Cgs 2001/92-8, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.898,-- (darin S 483,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß vom wurde über das Vermögen der K*****-GesmbH der Konkurs eröffnet. Zwischen dem Kläger und der nunmehrigen Gemeinschuldnerin bestand ein (zumindest) dienstnehmerähnliches Arbeitsverhältnis. Der Kläger meldete aus dem Rechtsgrund "Honorarforderung" eine Forderung von S 73.189,-- an, die ursprünglich vom Masseverwalter bestritten, mit einem nach der Prüfungstagsatzung eingelangtem Schriftsatz jedoch zur Gänze anerkannt wurde. Das Anmeldungverzeichnis wurde daraufhin im Sinne dieses Anerkenntnisses berichtigt.

Innerhalb von vier Monaten nach Konkurseröffnung stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld. Geltendgemacht wurden Honoraransprüche für Tätigkeiten in der Zeit vom bis in der Höhe von S 73.189,50 einschließlich Umsatzsteuer und die Kosten des für den Kläger im Konkursverfahren eingeschrittenen Kreditschutzverbandes im Ausmaß von S 1.870,--. Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte die Zahlung im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die Forderung im Konkurs bestritten und der Kläger nicht Dienstnehmer der insolventen Firma gewesen sei.

Mit seiner am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung von S 75.059,50 sA schuldig zu erkennen. Der klagsgegenständliche Anspruch resultiere aus Forderungen gegen die nunmehrige Gemeinschuldnerin. Der Kläger habe dort im Frühjahr 1990 mit der Anzeigenakquisition auf Honorarbasis begonnen. In weiterer Folge sei er immer stärker in das Unternehmen eingebunden und mit Aufgaben der Betriebsbuchhaltung, des internen Rechnungswesens und der internen Finanzverwaltung befaßt worden. Er habe eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 25 bis 30 Stunden ausgeübt, sei dem Geschäftsführer untergeordnet und zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. Ein bestimmter Erfolg seiner Arbeit im Sinne einer werkvertraglichen Vereinbarung sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger sei im April 1991 aus dem Unternehmen ausgeschieden. Zumindest ab Herbst 1990 sei das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis, zumindest jedoch als ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis im Sinne des § 2 Z 3 IESG zu qualifizieren gewesen. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien von der nunmehrigen Gemeinschuldnerin dem Grunde und der Höhe nach anerkannt worden.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung mit folgender Begründung: In sämtlichen Honorarforderungen des Klägers seien 20 % Umsatzsteuer enthalten. Selbst bei aufrechtem Bestand der Honorarforderung wäre der auf Umsatzsteuer entfallende Betrag in der Höhe von S 12.198,25 kein nach dem IESG gesicherter Anspruch. Die Bestimmung des § 3 Abs. 4 IESG, wonach das Insolvenzausfallsgeld lediglich vermindert um jene gesetzlichen Abzüge gebühre, die von anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Insolvenzverfahren geltend zu machen seien, sei zumindest analog auf die geforderte Umsatzsteuer anzuwenden. Dem Kläger entstehe dadurch kein Nachteil, da er beim Finanzamt eine Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 16 Abs. 1 UStG vornehmen könne. Auch seien Zuschüsse aus öffentlichen Fonds an den Zuschußberechtigten nicht umsatzsteuerbar.

Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren in vollem Umfang Folge. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß die Umsatzsteuer im Gegensatz zur Lohnsteuer nicht dem § 3 Abs. 4 IESG unterstellt werden könne, da sie keinen gesetzlichen Abzug, der von öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Insolvenzverfahren geltend zu machen sei, darstelle.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es den Zuspruch des Kapitalbetrages bestätigte, das Zinsenbegehren jedoch abwies. Es erklärte die Revision an den Obersten Gerichtshof für zulässig und führte zu seiner Entscheidungsbegründung aus: Das Insolvenzausfallgeld stelle keinen bundesgesetzlich geregelten Zuschuß dar, der dem Zuschußberechtigten aus öffentlichen Kassen oder aus Mitteln bundesgesetzlich errichteter Fonds gewährt werde und der gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 2.Satz UStG nicht als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt zu werten sei. Zu diesen Zuschüssen zählten vor allem Preisstützungen und Subventionen im Bereich der Landwirtschaft nach dem Marktordnungsgesetz, aber auch Vergütungen nach § 30 FLAG. Das Insolvenz-Ausfallgeld stelle jedoch weder einen Zuschuß noch eine Subvention dar, sondern eine Sozialversicherungsleistung im weiteren Sinn. Die Umsatzsteuerpflicht entfalle auch nicht deshalb, da das Entgelt im Sinne des § 16 Abs. 3 UStG uneinbringlich sei, da von Uneinbringlichkeit in Anbetracht des Anspruches nach dem IESG keine Rede sein könne. Das Insolvenzausfallgeld stelle nämlich das Surrogat für den gesicherten Anspruch dar. § 3 Abs. 4 IESG könne nicht analog angewendet werden, da die Umsatzsteuer keine gesetzliche Abzugspost nach dieser Gesetzesstelle sei. Eine durch Analogie zu schließende planwidrige Lücke liege nicht vor. Dem Kläger stehe daher das Insolvenzausfallgeld unter Einbeziehung der Umsatzsteuer zu.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobenen Revision der Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 3 Abs. 4 IESG gebührt das Insolvenzausfallgeld in der Höhe des gesicherten Anspruches vermindert um die Dienstnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung und vermindert um jene gesetzlichen Abzüge, die von anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Insolvenzverfahren geltend zu machen sind. Die Arbeitnehmer erhalten also im allgemeinen aufgrund des IESG ihren Nettolohn aus dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds ersetzt (Schwarz/Reissner/Holzer/Holler, Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz 184; ZfVB 1982/1756). Dies entspricht dem Zweck des IESG, nämlich den Arbeitnehmer vor der typischerweise nicht selbst abwendbaren und absicherbaren Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes seiner Entgeltansprüche, auf die er typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes sowie des Lebensunterhaltes der unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen ist, zu bewahren (9 ObS 15/92). Nur dann, wenn der Arbeitnehmer Abgaben selbst zu leisten hat und diese auch nicht von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, umfaßt das Insolvenz-Ausfallgeld auch diese Beträge, wie dies etwa bei dem im ASVG ausnahmsweise vorgesehenen Fall der Selbstabfuhr des Arbeitnehmeranteils am Sozialversicherungsbeitrag durch den Arbeitnehmer (§ 61 ASVG) der Fall ist (Schwarz/Reissner/Holzer/Holler, aaO 184). Der Arbeitnehmer soll somit nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als er es ohne die Insolvenz des Arbeitgebers wäre.

Gemäß § 82 EStG haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Lohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Es liegt daher insoweit ein Fall des § 3 Abs. 4 IESG vor, da der Bund seinen Anspruch im Insolvenzverfahren geltend machen kann (vgl. ZfVB 1986/2125). Anders liegt der Fall bei der Umsatzsteuer. Diese wird allein vom Unternehmer, somit jenem, der die Leistung erbringt, geschuldet (§ 19 Abs. 1 UStG), ohne daß der Leistungsempfänger (hier: die nunmehrige Gemeinschuldnerin) haftbar gemacht werden könnte. Der Bund kann daher die Schuld im Insolvenzverfahren nicht eintreiben. Hiezu kommt, daß die Umsatzsteuer nach dem Entgelt bemessen wird (§ 4 UStG), während die Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird (§ 47 Abs. 1 EStG) und somit nur die Lohnsteuer nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 4 IESG unter die dort genannten gesetzlichen Abzüge zu subsumieren ist.

Gemäß § 2 Z 3 IESG finden die Bestimmungen des Bundesgesetzes auf Ansprüche von arbeitnehmerähnlichen Personen sinngemäß Anwendung. Sinngemäße Anwendung bedeutet, daß die Ansprüche dieser Personen zwar prinzipiell wie Arbeitnehmeransprüche zu behandeln sind, daß aber den Besonderheiten der jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse Rechnung getragen werden muß (Schwarz/Reissner/Holzer/Holler aaO 146). Für die Auslegung des § 3 Abs. 4 IESG kommt es daher im gegenständlichen Fall entscheidend darauf an, ob der Kläger durch die Bemessung des Insolvenzausfallgeldes in Höhe der Honorarforderung einschließlich Umsatzsteuer besser gestellt würde, als er es außerhalb des Insolvenzfalles gewesen wäre, ob er daher in jedem Falle zur Abfuhr der Umsatzsteuer verpflichtet ist. Bei Klärung der Frage ist vorerst zu berücksichtigen, daß gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 der Unternehmer, der einen Umsatz ausgeführt hat, dessen Bemessungsgrundlage sich ändert, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen hat. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist diese Vorgangsweise sinngemäß auch dann einzuhalten, wenn das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, so ist der Steuerbetrag erneut zu berichtigen. Die Beantwortung der Frage, ob Uneinbringlichkeit vorliegt, hat nach den Umständen des Einzelfalles zu erfolgen (Dorazil/Frühwald/Hock/Mayer/Paukowitsch, KommUStG Anm.9 zu § 16, Kranich/Siegl/Waba/Cananek, Mehrwertsteuerhandbuch5 Anm.5 zu § 16;GesRZ 1990, 42). In der Praxis der Finanzverwaltung wird Uneinbringlichkeit mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit angenommen (Achatz, Mehrwertsteuer-Berichtigung bei Zahlungsunfähigkeit, WBl. 1987, 205; Kolacny/Mayer, UStG Anm.5 zu § 16). Zum Entgelt gehört gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 UStG auch, was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung oder sonstige Leistung gewährt. Liegt eine derartige Leistung eines Dritten, die gewährt wird, damit oder weil der Unternehmer eine Leistung bewirkt, die somit im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Leistungsaustausch steht, vor, ist die Uneinbringlichkeit zu verneinen (vgl. Achatz aaO 207). Nicht zum steuerbaren Entgelt gehören aber nach dem zweiten Satz der zuletzt genannten Gesetzesstelle bundesgesetzlich geregelte Zuschüsse, die dem Zuschußberechtigten aus öffentlichen Kassen oder aus Mitteln bundesgesetzlich errichteter Fonds gewährt werden. Zu derartigen Zuschüssen werden jene nach dem Marktordnungsgesetz sowie alle Kostenzuschüsse gezählt, die im Interesse eines einheitlichen Preisgefüges und aus agrarpolitischen Erwägungen gewährt werden wie Preis- und Frachtkostenzuschüsse. Weiters Verwertungszuschüsse, Preisstützungen, Exportstützungen und Zuschüsse im Rahmen der Rindfleischverbilligungsaktion, schließlich auch Kostenersätze an Beförderungsunternehmen aufgrund des § 30 Abs. 1 FLAG 1967 sowie Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz (Kranich/Siegl/Waba, KommzMehrwertsteuer Anm.126 bis 138c zu § 4).

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß die Zahlung des Insolvenzausfallgeldes, obwohl es sich um bundesgesetzlich geregelte Zuschüsse, die aus Mitteln eines bundesgesetzlich errichteten Fonds gewährt werden (§ 13 IESG), handelt, nicht als Zuschüsse im Sinne des § 4 Abs. 2 Z 2 zweiter Satz UStG gewertet werden können. Diese sind ihrem Wesen nach nämlich dahin zu definieren, daß sie eine Prämie darstellen, die dem Unternehmer gegeben wird, um ihn zu einem im öffentlichen Interesse gelegenen Handeln anzuregen (vgl. VwGHSlg F 6105; VwGH 89/14/0071). Daß das Insolvenzausfallgeld dieser Definition nicht unterstellt werden kann, bedarf keiner weiteren Erörterung. Da somit dem Kläger im Wege des Insolvenzausfallgeldes das Entgelt für seine Leistung von einem anderen als dem Empfänger gewährt wird, ohne daß die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 2 Z 2 zweiter Satz Platz greift, ist die Umsatzsteuer im Sinne des § 16 Abs. 3 UStG nicht uneinbringlich und der Kläger zu deren Entrichtung weiterhin verpflichtet.

Es erweist sich somit, daß § 3 Abs. 4 IESG auch im Lichte der Besonderheit der gegenständlichen werkvertraglichen Beziehung keiner über den Wortlaut hinausgehenden Auslegung bedarf, um dem Sinn des Gesetzes gerecht zu werden, sondern daß vielmehr in Anbetracht der weiterbestehenden Umsatzsteuerpflicht des Klägers das Insolvenzausfallgeld auch diesen Steueranteil enthalten muß, um den Kläger so zu stellen, wie dies ohne Insolvenz des Auftraggebers der Fall gewesen wäre. Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit.a ASGG.