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VfGH vom 03.10.1980, B175/77

VfGH vom 03.10.1980, B175/77

Sammlungsnummer

8880

Leitsatz

EStG 1972, keine Bedenken gegen § 34 Abs 8 idF der Nov. 1974; keine Gleichheitsverletzung;

FLAG 1967, keine Bedenken gegen § 8 Abs 4

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Antrag vom wurden vom Beschwerdeführer Aufwendungen für seinen am geborenen arbeitsunfähigen Sohn in Höhe von S 23.528,- als außergewöhnliche Belastung iS des § 34 EStG 1972 zwecks Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte 1975 geltend gemacht. Vom Finanzamt wurde ein Betrag von S 19.728,- als außergewöhnliche und zwangsläufige Aufwendungen anerkannt, die zumutbare Mehrbelastung gemäß § 34 Abs 4 EStG 1972 mit S 20.391,- errechnet und damit der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen.

1.2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung begehrte der Beschwerdeführer die volle steuerliche Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen ohne Berücksichtigung einer zumutbaren Mehrbelastung gemäß § 34 Abs 8 EStG 1972. Mit Berufungsvorentscheidung vom anerkannte das Finanzamt die geltend gemachten Aufwendungen von S 23.528,- in voller Höhe als außergewöhnliche und zwangsläufige Aufwendungen, rechnete jedoch eine mit S 20.417,-

ermittelte zumutbare Mehrbelastung an, da im Zuge der Berufungserhebungen festgestellt worden sei, daß der Beschwerdeführer für seinen Sohn keine erhöhte Familienbeihilfe beziehe. Auf der Lohnsteuerkarte 1975 sei daher lediglich ein steuerfreier Betrag von monatlich S 260,- einzutragen. Nachdem vom Beschwerdeführer fristgerecht ein Vorlageantrag erstattet und damit die Berufungsvorentscheidung außer Kraft gesetzt worden war, gab die Finanzlandesdirektion für Stmk. mit Berufungsentscheidung vom , Z B 246-3/76, der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge und verfügte die Eintragung eines steuerfreien Betrages wegen außergewöhnlicher Belastung auf der Lohnsteuerkarte 1975 in Höhe von monatlich S 260,- iS des § 34 Abs 1 bis 5 EStG 1972 unter gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens. In der Begründung des Bescheides schloß sich die Finanzlandesdirektion für Stmk. der in der Berufungsvorentscheidung vertretenen Rechtsansicht an.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Anregung, § 34 Abs 8 EStG 1972 als verfassungswidrig aufzuheben, gebracht, die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

2. Der VfGH hat erwogen:

2.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn die Behörde der dem Bescheid zu Grunde gelegten Rechtsvorschrift einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn die Vorschrift - ihre Gleichheitssatzwidrigkeit hervorrufen würde oder wenn die Behörde Willkür geübt hat (VfSlg. 7558/1975). Ein willkürliches Verhalten ist nicht nur bei absichtlichem Zufügen von Unrecht, sondern auch dann gegeben, wenn der Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (VfSlg. 7107/1973), oder wenn die Behörde ihre Entscheidung leichtfertig fällt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Behörde trotz strittigen Sachverhaltes ohne jegliches iS des Gesetzes durchgeführtes Ermittlungsverfahren entschieden hat. Das Verfahren ist in solchen Fällen derartig qualifiziert mangelhaft, daß nicht bloß die Verletzung einfach-gesetzlicher Verfahrensvorschriften, sondern ein Eingriff in die Verfassungssphäre vorliegt (VfSlg. 7775/1976 und die dort zitierte Vorjudikatur).

2.2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung wird vom Beschwerdeführer vorerst auf die behauptete Gleichheitswidrigkeit des § 34 Abs 8 EStG 1972, BGBl. 440, idF der Einkommensteuergesetznov. 1974, BGBl. 469, gestützt. Da Steuerpflichtige gemäß § 34 Abs 8 EStG in der novellierten Fassung in den Genuß der außergewöhnlichen Belastung ohne Anrechnung der zumutbaren Mehrbelastung nur dann kommen, wenn ihnen gemäß § 8 Abs 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, Steuerpflichtige jedoch, die einen Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe nicht stellen, die Begünstigung der Nichtanrechnung der zumutbaren Mehrbelastung verlieren und sich die zumutbare Mehrbelastung anrechnen lassen müssen, sei § 34 Abs 8 EStG 1972 idgF gleichheitswidrig, da das Abstellen der Begünstigung auf den Familienbeihilfebezug eine unsachliche Differenzierung darstelle.

2.2.2. § 34 Abs 8 EStG 1972 idF der Einkommensteuergesetznov. 1974, BGBl. 469, lautet:

"(8) Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Kinder, für die dem Steuerpflichtigen gemäß § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Anwendung der Bestimmungen des Absatzes 4 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Einkommensteuergesetznov. 1974 führen hiezu aus (1201 BlgNR XIII. GP, S 14), daß mit der Bedachtnahme auf § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 der nach § 34 Abs 8 EStG 1972 begünstigte Personenkreis erweitert werde. Die Angleichung an die Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 bedeute außerdem eine Verwaltungsvereinfachung.

Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 steht gemäß Abs 5 leg. cit. für Kinder zu:

a) deren körperliche oder geistige Entwicklung infolge eines Leidens oder Gebrechens so beeinträchtigt ist, daß sie im vorschulpflichtigen Alter voraussichtlich dauernd einer besonderen Pflege oder eines besonderen Unterhaltsaufwandes bedürfen,

b) deren Schulbildung im schulpflichtigen Alter infolge eines Leidens oder Gebrechens voraussichtlich dauernd und wesentlich beeinträchtigt ist oder die überhaupt schulunfähig sind,

c) deren Berufsausbildung infolge eines Leidens oder Gebrechens voraussichtlich dauernd und wesentlich beeinträchtigt ist,

d) die infolge eines Leidens oder Gebrechens voraussichtlich dauernd nicht fähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß Abs 6 kann der Nachweis der erheblichen Behinderung insbesondere durch ein Zeugnis eines inländischen Amtsarztes erbracht werden.

2.2.3. Die Behörde hat § 34 Abs 8 EStG 1972 idgF den Inhalt unterstellt, daß die Gewährung der Begünstigung an die Voraussetzung gebunden ist, daß dem Steuerpflichtigen erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird.

Daß gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs 4 FLAG Bedenken bestünden, hat der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, solche Bedenken sind auch im VfGH aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden.

Auch wenn - wie die belangte Behörde annimmt - die Gewährung der Begünstigung gemäß § 34 Abs 8 EStG 1972 idgF an die Voraussetzung gebunden sein sollte, daß dem Steuerpflichtigen erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 FLAG gewährt wird, kann der VfGH nicht finden, daß die Norm gegen das Gleichheitsgebot verstoßen würde. Wenn die Begünstigung des § 34 Abs 8 EStG 1972 idgF den Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 FLAG zur Voraussetzung hat, dann findet sich die sachliche Rechtfertigung hiefür schon in der wesentlichen Verwaltungsvereinfachung, die durch die Regelung bewirkt wird. Der Behörde wird nämlich eine zweimalige Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen erspart. Der Gesetzgeber konnte bei einer Durchschnittsbetrachtung auch davon ausgehen, daß Steuerpflichtige, die für den Unterhalt eines erheblich behinderten Kindes zu sorgen haben, sich um eine erhöhte Familienbeihilfe bewerben werden. Wenn § 34 Abs 8 EStG 1972 idgF der Inhalt beizumessen ist, daß der Steuerpflichtige, der in den Genuß der steuerlichen Begünstigung gelangen will, vorerst die Voraussetzungen zu erfüllen hat, an welche die Gewährung einer erhöhten Familienbeihilfe gebunden ist, scheint dies dem VfGH für den Steuerpflichtigen jedoch nicht nur zumutbar, sondern sogar sinnvoll, da der Nachweis der Voraussetzungen für die Erlangung der erhöhten Familienbeihilfe diesen auch für die Erzielung der Begünstigung gemäß § 34 Abs 8 EStG idgF bewirkt.

2.3.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde des weiteren eine gegen das Gleichheitsgebot verstoßende Normanwendung vor. Die ratio legis des § 34 Abs 8 EStG 1972 idgF könne nur sein, die Belastungen eines Steuerpflichtigen zu erleichtern, der für ein erheblich behindertes Kind zu sorgen hat. Die belangte Behörde irre daher, wenn sie der Ansicht sei, daß deshalb, weil das EStG an § 8 Abs 4 FLAG 1967 anknüpfe, beweismäßig eine Bindung an den Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe dermaßen bestehe, daß jede andere Art einer Beweisführung ausgeschlossen wäre, daß ein Steuerpflichtiger den Unterhalt für ein erheblich behindertes Kind leiste. Die Behörde habe damit dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.

Schließlich sei der Bescheid auch mit Willkür belastet, weil der Beschwerdeführer von der Behörde auf das "zweifelhafte und in Beschwerde gezogene Formalerfordernis des § 8 Abs 4 Familienlastenausgleichsgesetz" nicht aufmerksam gemacht worden sei. Die Behörde habe dies nicht nur unterlassen, sondern darüber hinaus auch den zu § 34 Abs 8 EStG eingenommenen Standpunkt zum Nachteil des Beschwerdeführers gewechselt, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Hiedurch habe die Behörde gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und der Rechtssicherheit verstoßen.

2.3.2. Daß die belangte Behörde dem § 34 Abs 8 EStG 1972 idgF nicht einen Inhalt unterstellt hat, der das Gesetz mit Gleichheitswidrigkeit belastet, ergibt sich bereits aus dem unter

2.2.3. Gesagten. Selbst wenn § 34 Abs 8 anders auszulegen wäre, als dies von der belangten Behörde geschehen ist, könnte ihr demnach nicht der Vorwurf eines gleichheitswidrigen Normvollzuges gemacht werden.

Es trifft aber auch der Beschwerdevorwurf nicht zu, daß die Behörde ihren Rechtsstandpunkt zum Nachteil des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren geändert hätte. Schon im Bescheid erster Instanz wird nämlich den Beträgen, die als außergewöhnliche Belastung des Beschwerdeführers anerkannt wurden, eine zumutbare Mehrbelastung entgegengehalten. Dies wurde schon in der Berufungsvorentscheidung begründungsmäßig darauf gestützt, daß dem Beschwerdeführer erhöhte Familienbeihilfe nicht gewährt werde. Spätestens in diesem Zeitpunkte war dem Beschwerdeführer der Rechtsstandpunkt der Behörde bekannt und stand es ihm frei, diesen mit dem Antrage auf Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu bekämpfen. Die belangte Behörde hat schließlich die bereits in der Berufungsvorentscheidung vertretene Rechtsansicht übernommen und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die Behörde ihren Rechtsstandpunkt zum Nachteil des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren geändert hätte, ohne dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben.

Ein in die Verfassungssphäre reichender qualifizierter Verfahrensmangel liegt demnach offenkundig nicht vor.

Zur Entscheidung über die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides und über allenfalls unterlaufene Verfahrensmängel einfachgesetzlicher Natur ist der VfGH nicht berufen.

Zusammenfassend ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden ist.

2.4. Das Verfahren hat auch keine Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.