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OGH vom 23.05.2005, 10ObS7/05k

OGH vom 23.05.2005, 10ObS7/05k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner und Dr. Christoph Kainz (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Horst S*****, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Kostenübernahme, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 44/04h-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cgs 214/03g-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreter die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am in seiner Freizeit eine Verletzung am linken Bein, die eine Oberschenkelamputation links in Höhe des mittleren Drittels notwendig machte. Ungefähr 14 Tage nach der Operation erfolgte im Rehabilitationszentrum Tobelbad eine Prothesenversorgung des Klägers im Hinblick auf dessen Berufstätigkeit (als Bäckermeister) mit einer C-Leg-Kniegelenksprothese. Es handelt sich dabei um das erste vollmikroprozessor-gesteuerte Kniegelenk mit hydraulischer Stand- und Schwungphasensteuerung. Dieses Kniegelenksprothese ermöglicht eine weitgehende Annäherung an das natürliche Gehen und wird für Patienten mit mittleren bis hohen Funktionsansprüchen bis zu einem Körpergewicht von 100 kg empfohlen. Vor allem für beruflich aktive und leistungsfähige Patienten ist eine C-Leg-Prothese geeignet. Sie ermöglicht dem Patienten eine permanente Kontrolle über Bewegungen des Unterschenkels. Er erhält die Hydraulikdämpfung, die er in der jeweiligen Schrittphase benötigt. Ein einzigartiger Sicherheitsmodus setzt bei einer Funktionsstörung ein und ermöglicht in jedem Fall eine sichere Fortbewegung. So ist die Mobilität auch unter ungünstigen Bedingungen garantiert. Der Vorteil der C-Leg-Prothese liegt auch im signifikant geringen metabolischen Energiebedarf im Vergleich zu anderen Kniegelenken. Das bedeutet, dass bei gleichem Energieaufwand längere Wege zurückgelegt werden können und somit eine größere Mobilität gegeben ist. Die Stolpergefahr wird erheblich reduziert, da das Gelenk in Beugestellung (zB beim Abwärtsgehen auf einer Treppe) durch die elektronisch gesteuerte Hydraulik gesichert ist und ein Einknicken verhindert wird. Es ist alternierendes Treppenabwärtsgehen und das Überwinden von schiefen Ebenen physiologisch ohne Nachsetzen des Beines möglich, wobei die kontralaterale Seite geschont wird. Den größten Nutzen hat die C-Leg-Prothese bei aktiven Oberschenkelamputierten, die mitten im Berufsleben stehen. Kontraindiziert ist sie für Innenbereichsgeher, Kinder im Wachstum sowie bei senilen Patienten. Der Kläger ist auch hinsichtlich seiner Persönlichkeitsstruktur (rational positiv emotional beherrscht) für die Versorgung mit einer C-Leg-Prothese geeignet.

Eine Möglichkeit, den Kläger mit einer anderen Konstruktion zu versorgen, die in ihrer Wirksamkeit gleichwertig, jedoch kostengünstiger ist, besteht nicht, da ein technisch gleichwertiges Produkt nicht auf dem Markt ist.

Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist die C-Leg-Prothese die optimale Versorgung für den Kläger. Ein physiologisches Gangbild, wie es die C-Leg-Prothese ermöglicht, kann durch eine andere Prothese nicht erzielt werden. Eine andere Prothesenversorgung ist gleichzeitig mit einer höheren Unfallgefahr verbunden, und zwar vor allem dann, wenn man sich auf unebenem Boden fortbewegt, stiegenabwärts oder bergab geht. Die Hydraulik der C-Leg-Prothese verhindert das Einknicken des Knies, ohne dass mit dem Stumpf gegengesteuert werden müsste. Auf diese Art und Weise werden Stürze verhindert. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass es zu keiner Mehrbelastung des nicht versehrten Beines kommt. Da durch die Prothese die Muskelfunktion aufrecht erhalten wird, wird die gesunde Seite nicht mehr belastet, wodurch eine vorzeitige Abnützung der gesunden Gliedmaßen hintangehalten werden kann. Somit ist mit der genannten Prothese der höchstmögliche Ausgleich eines Beinverlustes gegeben.

Der Kläger trägt die C-Leg-Prothese seit ungefähr Ende September 2002 als Leihgelenk. Eine Änderung der prothetischen Versorgung würde zu einer Umgewöhnungsphase und zumindest zu einem dreiwöchigen stationären Aufenthalt führen. Die Kosten für eine Oberschenkelprothese mit C-Leg-Kniegelenk belaufen sich auf EUR 24.570,44.

Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme einer C-Leg-Kniegelenksprothese als medizinische Maßnahme der Rehabilitation in der Krankenversicherung ab. Dieser Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass dagegen innerhalb von vier Wochen ab seiner Zustellung eine Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht eingebracht werden könne.

Der Kläger begehrt mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage, die beklagte Partei zur Übernahme der Kosten einer C-Leg-Kniegelenksprothese als medizinische Maßnahme der Rehabilitation in der Krankenversicherung hinsichtlich des Vorfalles vom 9. 8. (richtig: 8. 9.) 2002 zu verpflichten und festzustellen, dass die beklagte Partei von dem ihr zustehenden Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht habe.

Die beklagte Partei bestritt die Zulässigkeit des Rechtsweges, weil es sich bei der Entscheidung des Sozialversicherungsträgers um eine Ermessensentscheidung handle, welche vor dem Arbeits- und Sozialgericht nicht angefochten werden könne. Im Übrigen beantragte die beklagte Partei die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, dass die C-Leg-Kniegelenksprothese als Erstversorgung nicht geeignet erscheine und nach einem Befund des Forschungsinstitutes für Orthopädietechnik auch mit anderen Konstruktionen ein ähnliches Gangbild zu erzielen sein müsste.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Nach seiner rechtlichen Beurteilung sei die Zulässigkeit des Klagebegehrens (Rechtsweges) zu bejahen, wenn die Prüfung ergebe, dass die beklagte Partei ihren Ermessensspielraum unter unrichtiger Auslegung der Gesetze ausgeübt habe. Durch die Versorgung des Klägers mit einer C-Leg-Prothese, welche die optimale Versorgung und Sicherheit gewährleiste und weitere Leiden durch vorzeitige Abnützung hintanhalte, werde das Maß des Notwendigen (§ 90 Abs 2 GSVG) nicht überschritten. Die von der beklagten Partei für die Nichtübernahme der Kosten vorgebrachten Gründe seien nicht zutreffend.

Das Berufungsgericht gab der Nichtigkeitsberufung der beklagten Partei keine Folge und bestätigte das Ersturteil „mit der Maßgabe", dass der Passus, „es werde festgestellt, dass die beklagte Partei von dem ihr zustehenden pflichtgemäßen Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht habe", zu entfallen habe. Das Berufungsgericht verneinte die von der beklagten Partei im Rechtsmittel ausdrücklich relevierte Nichtigkeit der Unzulässigkeit des Rechtsweges unter Hinweis auf die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach für das Begehren auf Gewährung von medizinischen Maßnahme der Rehabilitation in der Krankenversicherung nach § 154a ASVG im Rahmen der sukzessiven Kompetenz der Rechtsweg an das Arbeits- und Sozialgericht zulässig sei. Dies habe auch für das Begehren des Klägers auf Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der Krankenversicherung nach der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 99a GSVG zu gelten.

Es bestehe daher ein Anspruch des Versicherten auf gesetzmäßige Ermessensübung, der auch verfahrensmäßig nachprüfbar sein müsse. Bei dieser Prüfung seien im Rahmen des § 99a Abs 1 GSVG die Grundsätze des § 90 Abs 2 GSVG zu berücksichtigen, wonach die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein müsse, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe. Ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes seien diese vom Gericht im Rahmen der sukzessiven Kompetenz selbstständig zu beurteilenden Kriterien des § 90 Abs 2 GSVG erfüllt. Da die Versorgung des Klägers mit einer C-Leg-Kniegelenksprothese die einzige Maßnahme darstelle, die den Zweck der Krankenbehandlung erreiche, bleibe für die beklagte Partei kein Ermessensspielraum mehr übrig, sodass in der Nichtgewährung bzw in der Nichtübernahme der Kosten der C-Leg-Kniegelenksprothese eine Überschreitung des Ermessensspielraumes erblickt werden müsse. Das auf Kostenübernahme gerichtete Leistungsbegehren sei daher berechtigt, während das vom Kläger gleichzeitig erhobene Feststellungsbegehren nicht berechtigt sei, weil der Kläger ohnedies bereits (erfolgreich) eine Leistungsklage erhoben habe und eine Rechtsfrage für sich allein nicht zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemacht werden könne.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Überprüfung des pflichtgemäßen Ermessens eines Sozialversicherungsträgers durch das Sozialgericht keine ausreichende Judikatur vorliege und gegen die Richtigkeit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch grundsätzliche - relevante - Einwendungen bestünden, insbesondere die Ermessenserwägungen faktisch unüberprüfbar erschienen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen werde, in eventu das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird weiters ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zum Teil zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass der Rechtsweg unzulässig sei, weil entgegen der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes davon auszugehen sei, dass freiwillige Leistungen, deren Gewährung im Ermessen des Versicherungsträgers liege, keine Leistungssachen iSd § 354 Z 1 ASVG und damit auch keine Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG, für die eine Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes gegeben sei, darstellten. Im Übrigen verkenne die Auffassung, eine gerichtliche Kontrolle (Nachprüfung) der Ermessensübung eines Sozialversicherungsträgers wäre zulässig, den Grundsatz der Gewaltenteilung und der sukzessiven Kompetenz der Gerichte. Das Berufungsurteil sei daher mangels Zulässigkeit des Rechtsweges gemäß § 477 Abs 1 Z 6 ZPO nichtig.

Diesen Ausführungen steht entgegen, dass das Berufungsgericht die in der Berufung wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO) geltend gemachte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz mit Beschluss verworfen hat. Gegen einen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluss des Berufungsgerichtes ist der Rekurs nur in den Fällen des § 519 ZPO zulässig. Andere Beschlüsse des Berufungsgerichtes können überhaupt nicht angefochten werden; dazu gehören insbesondere die Beschlüsse auf Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung (EvBl 1996/135; SSV-NF 1/36 ua; Kodek in Rechberger ZPO² § 519 Rz 2 mwN). Daraus folgt, dass ein vom Berufungsgericht verneinter Nichtigkeitsgrund nicht mehr mit Revision nach § 503 Z 1 ZPO geltend gemacht werden kann (Kodek aaO § 503 Rz 2 mwN). Der geltend gemachten Unzulässigkeit des Rechtsweges steht somit die rechtskräftige, bindende Entscheidung des Berufungsgerichtes entgegen (§ 42 Abs 3 JN). Die Revision war daher, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückzuweisen.

Da der Oberste Gerichtshof zu den eine grundsätzliche Frage des Verfahrens in Sozialrechtssachen betreffenden Rechtsmittelausführungen der beklagten Partei teilweise noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, sei ungeachtet der den Obersten Gerichtshof bindenden Entscheidung des Berufungsgerichtes zu den Revisionsausführungen inhaltlich noch wie folgt Stellung genommen:

Der Oberste Gerichtshof ist in der Entscheidung vom , 10 ObS 258/02t(SSV-NF 17/17 = DRdA 2004/22, 263 [zust Naderhirn] = ZAS 2004/31, 183 [abl Haslinger]) nach ausführlicher Darstellung und Abwägung der Lehrmeinungen der auf Oberndorfer (Grundprobleme des Verwaltungsverfahrens in der österreichischen Sozialversicherung, ZAS 1973, 215 f) zurückgehenden Auffassung gefolgt und hat - in Abkehr von der früheren Rechtsprechung (vgl SSV-NF 1/13; 3/87 ua) - für das Begehren auf Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der Krankenversicherung nach § 154a ASVG den Rechtsweg für zulässig erklärt. Der Versicherte hat demnach im Bereich der Maßnahmen zwar keinen individuellen Rechtsanspruch auf Leistung, wohl aber einen Anspruch auf gesetzmäßige Ermessensübung, der auch verfahrensmäßig nachprüfbar sein muss. An dieser Auffassung hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 10 ObS 10/04z vom ausdrücklich festgehalten und ausgesprochen, dass aufgrund dieser Erwägungen auch ein vom Unfallversicherungsträger erlassener Bescheid, mit dem einem Antrag auf Abfindung einer Versehrtenrente nach § 184 Abs 1 ASVG nicht stattgegeben wurde, beim Sozialgericht angefochten werden kann.

Die beklagte Partei stützt sich in ihrem Rechtsmittel zur Begründung ihrer gegenteiligen Rechtsansicht auf die Ausführungen von Kuderna, ASGG² 429 f sowie Teschner/Widlar, MGA, ASVG 63. Erg-Lfg § 121 Anm 5, die im Sinne der älteren Judikatur davon ausgehen, dass die in § 354 Z 1 ASVG bzw § 65 Abs 1 Z 1 ASGG enthaltene Umschreibung nur Leistungen umfasse, auf deren Erbringung ein (materiell-rechtlicher) Anspruch bestehe, was auf freiwillige Leistungen nicht zutreffe, da nur ein materieller Anspruch „ruhen" könne, wie dies in § 354 Z 1 ASVG (§ 65 Abs 1 Z 1 ASGG) vorausgesetzt werde. Wie jedoch Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 157 ff mit ausführlicher Begründung nachgewiesen hat, existieren nach heute herrschender Auffassung im Bereich des Ermessens nicht nur formelle Rechte, sondern auch materielle Rechte (vgl auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 2 mwN). Auch der Versicherte, der die Erbringung einer freiwilligen Leistung aus der Sozialversicherung begehre, habe somit, soweit nicht für bestimmte Leistungen die Bescheidpflicht ausdrücklich verneint werde (§ 367 Abs 1 Z 2 ASVG), einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des dem Sozialversicherungsträger eingeräumten Ermessens. Dieses Recht auf fehlerfreien Gebrauch des Ermessens enthalte sowohl eine formelle als auch eine materielle Komponente: Die formelle Komponente bestehe im Recht des Betroffenen auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, in dem der Sachverhalt soweit festgestellt werde, als dies zur sachlichen Handhabung des Ermessens notwendig sei. Darüber hinaus bestehe aber auch ein Anspruch auf Handhabung des Ermessens im Sinn des Gesetzes und damit auf Erzielung eines dem Gesetzessinn entsprechenden Entscheidungsinhalts. Darin liege die eindeutig materielle Komponente des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensübung. Auf die freiwilligen Leistungen übertragen bedeute dies, dass aus dem Anspruch auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens auch ein (materieller) Anspruch auf Zuerkennung der begehrten Leistung resultiere, sofern die am Gesetzessinn orientierte Ermessensübung zu einer positiven Entscheidung führe. Ob dies im konkreten Fall tatsächlich zutreffe, sei keine Frage der Klagszulässigkeit, sondern der Begründetheit. Daher gelangt Fink aaO 163 zu dem Ergebnis, dass die freiwilligen Leistungen die Kriterien des Tatbestandselements „Anspruch auf eine Versicherungsleistung" (§ 354 Z 1 ASVG,§ 65 Abs 1 Z 1 ASGG) erfüllen (in diesem Sinne auch Oberndorfer in Tomandl, SV-System 9. Erg-Lfg 683; ders, Grundprobleme des Verwaltungsverfahrens in der österreichischen Sozialversicherung, ZAS 1973, 203 ff [215 f]; Öhlinger in der Entscheidungsbesprechung zu ZAS 1977/35; Bernard, Der Rechtsschutz bei Verweigerung freiwilliger Leistungen aus der Krankenversicherung, ZAS 1992, 114 f; Binder in der Entscheidungsbesprechung zu ZAS 1992/12, 100 ff; Jabornegg/Resch, Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 68 ff [70] ua).

Zum weiteren Einwand der beklagten Partei, eine dem Sozialversicherungsträger bei seiner Ermessensübung vorgegebene „Richtlinie", zu der auch das Vorhandensein ausreichender finanzieller Mittel gehöre, entziehe sich einer Beurteilung durch die Gerichte, ist zu bemerken, dass diese finanziellen Gesichtspunkte durchaus zulässige Gründe für einen negativen Ermessensgebrauch bilden können (Oberndorfer aaO ZAS 1973, 216; Bernard aaO ZAS 1992, 116; Binder aaO ZAS 1992, 100; SSV-NF 17/17). Wenn sich der beklagte Sozialversicherungsträger im gerichtlichen Verfahren darauf berufen will, dass die begehrte freiwillige Leistung mangels ausreichender finanzieller Bedeckung zu versagen sei, hat er dem Sozialgericht die hiefür maßgeblichen Tatsachengrundlagen offenzulegen. Die Beurteilung des Ermessens hat auf der Basis der ermittelten Sachlage zu erfolgen. Erhebliche strukturelle Unterschiede zu anderen Ermessensfällen liegen nicht vor (vgl Fink aaO 170).

Auch der weitere Einwand, bei einer gerichtlichen Überprüfung der Ermessensausübung des Versicherungsträgers seien Konflikte mit der öffentlich rechtlichen Aufsichtsbehörde gemäß § 449 ASVG geradezu vorprogrammiert, da demnach Versicherungsträger zu Leistungen verpflichtet würden, die nach dem Ergebnis des begleitenden Controllings der Aufsichtsbehörde nicht oder nicht in diesem Ausmaß gewährt werden dürften, ist nicht stichhältig. Nach § 449 Abs 1 letzter Satz ASVG können die Aufsichtsbehörden in Ausübung des Aufsichtsrechtes lediglich Beschlüsse der Verwaltungskörper der Sozialversicherungsträger aufheben, nicht aber Bescheide der Sozialversicherungsträger. Die Aufsichtsbehörden überwachen die Tätigkeit der Organe der Selbstverwaltung. Hingegen hat im Verfahren in Verwaltungssachen (§§ 355, 409 ff ASVG) die Beurteilung der Frage der Einhaltung von Gesetz und Satzung sowie der darauf beruhenden sonstigen Rechtsvorschriften nicht durch die Aufsichtsbehörde, sondern allein durch die vom Gesetzgeber dazu berufenen Instanzen zu erfolgen. Eine aufsichtsbehördliche Tätigkeit kann demnach grundsätzlich nur in jenen Fällen Platz greifen, in denen der Gesetzgeber für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Tätigkeit eines Sozialversicherungsträgers nicht ein spezifisches Verfahren vorgesehen hat. Sind aber derartige Verfahren vorgesehen, wie beispielsweise im Bereiche der gesetzlichen Sozialversicherung das Verfahren in Verwaltungssachen oder das Verfahren in Leistungssachen, so sind diese schon aus den bereits angeführten Gründen einer inhaltlich bestimmenden aufsichtsbehördlichen Einflussnahme entzogen (Teschner/Widlar aaO 88. Erg-Lfg § 449 Anm 3). Soweit die beklagte Partei meint, durch die Aufsichtsbehörde sei eine ausreichende Kontrolle gewährleistet und es bestehe daher kein Rechtsschutzdefizit, ist noch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung kein Anspruch von Parteien auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes durch die Aufsichtsbehörde besteht (Teschner/Widlar aaO 88. Erg-Lfg § 449 Anm 3).

Schließlich wird von der beklagten Partei noch geltend gemacht, die Auffassung, eine gerichtliche Kontrolle (Nachprüfung) der Ermessensübung eines Sozialversicherungsträgers wäre zulässig, verkenne den Grundsatz der Gewaltenteilung und der sukzessiven Kompetenz der Gerichte. Die Prüfung der Frage, ob der Versicherungsträger sein Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt habe durch ein Gericht laufe ebenso wie die Ersetzung der Ermessensentscheidung des Versicherungsträgers durch eine Ermessensentscheidung des Gerichtes auf eine mit Art 94 B-VG unvereinbare nachprüfende Kontrolle der Entscheidung des Versicherungsträgers durch ein Gericht hinaus.

Nach Art 94 B-VG ist die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt. Keine instanzenmäßige Verflechtung liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dann vor, wenn das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens uno actu mit der (nachgeschalteten) Anrufung des Gerichts beseitigt wird und dieses in derselben Sache eine neue Entscheidung zu fällen hat. Der Verfassungsgerichtshof begnügt sich somit - ungeachtet der Tatsache, dass das gerichtliche Verfahren materiell auf die Kontrolle der Verwaltung abzielt - mit einer äußerlichen Trennung der beiden Verfahren. Das Gericht hat daher nicht - nach Art einer Rechtsmittelinstanz - die verwaltungsbehördliche Entscheidung zu überprüfen, sondern ein völlig neues (erstinstanzliches) Verfahren durchzuführen und eine neue meritorische Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch zu fällen (Fink aaO 18 und 42 mwN). Aus dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz ergibt sich somit, dass die Gerichte in den an sie herangetragenen Leistungsstreitsache nicht etwa die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens zu überprüfen, sondern den gesamten entscheidungswesentlichen Sachverhalt von Grund auf neu ohne jede Bindung an das vorangegangene Verwaltungsverfahren festzustellen und zu beurteilen haben und dabei auch zu vom Verwaltungsverfahren abweichenden Ergebnissen gelangen können (SSV-NF 2/42 ua).

Soweit daher die beklagte Partei in ihren Rechtsmittelausführungen die Ansicht vertritt, es könne im vorliegenden Fall kein Ermessensmissbrauch vorliegen, weil sie ihre ablehnende Entscheidung auf das Gutachten eines Forschungsinstitutes gestützt habe, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil, wie bereits ausgeführt, die Frage, ob aus dem Anspruch des Klägers auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens auch ein Anspruch auf Zuerkennung der begehrten Leistung resultiert, im gerichtlichen Verfahren nur aufgrund der Ergebnisses dieses Verfahrens und nicht aufgrund der Ergebnisse des vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens vor dem Sozialversicherungsträger zu beurteilen ist. Eine solche von der beklagten Partei ins Treffen geführte Bindung des Gerichtes an Ergebnisses des Verwaltungsverfahrens würde hingegen dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung nicht entsprechen. Auch in der Entscheidung SSV-NF 17/17 führte der Umstand, dass im gerichtlichen Verfahren nicht alle für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen getroffen wurden, zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung.

Die von der beklagten Partei gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges vorgetragenen Bedenken werden daher vom erkennenden Senat unabhängig von der bestehenden Bindungswirkung auch inhaltlich nicht geteilt.

Für die materielle Prüfung des vom Kläger geltend gemachten Anspruches auf Kostenübernahme ist die Bestimmung des § 99a Abs 1 GSVG maßgebend. Danach gewährt der Versicherungsträger als Krankenversicherungsträger, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder die Folgen der Krankheit zu erleichtern, im Anschluss an die Krankenbehandlung nach pflichtgemäßem Ermessen und nach Maßgabe des § 90 Abs 2 GSVG medizinische Maßnahmen der Rehabilitation mit dem Ziel, den Gesundheitszustand der Versicherten und ihrer Angehörigen soweit wieder herzustellen, dass sie in der Lage sind, in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen. Diese Maßnahmen umfassen auch die Gewährung von Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln (§ 99a Abs 2 Z 2 GSVG).

Gegen die zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichtes, der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die von ihm begehrte Leistung, dem Leistungsanspruch des Klägers stünden auch keine im Sinne des Vorbringens der beklagten Partei zu berücksichtigenden Umstände entgegen, sodass der Kläger bei einer fehlerfreien Handhabung des Ermessens im Sinne des Gesetzes Anspruch auf Zuerkennung der begehrten Leistung habe, werden in der Revision ausgehend von den maßgebenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen keine inhaltlichen Argumente vorgebracht. Damit erweist sich das Leistungsbegehren des Klägers unabhängig davon, ob sich das Gericht im Rahmen seiner Überprüfung von Ermessensentscheidungen des Sozialversicherungsträgers auf eine Ermessenskontrolle zu beschränken oder das Ermessen selbstständig auszuüben hat, als berechtigt, da das Gericht seiner Ermessensübung die selben Maßstäbe zugrunde zu legen hätte wie zuvor der Sozialversicherungsträger (vgl dazu Fink aaO 164 ff mwN).

Aufgrund dieser Erwägungen musste die Revision erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.