OGH vom 03.09.2019, 14Os75/19i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Leitner im Verfahren zur Unterbringung des Gerriet H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom , GZ 612 Hv 1/19g-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Gerriet H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, wobei die vorbeugende Maßnahme gemäß § 45 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren
bedingt nachgesehen wurde.
Danach hat er am in S***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, drei im Urteil genannte Personen durch den Zuruf, dass er eine „schwere Waffe“ bei sich habe und sie sich „schleichen“ sollen, wobei er ein Luftdruckgewehr samt Zielfernrohr und Schalldämpfer in der Hand hielt (US 4 f), sohin durch Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen ihres Standorts, genötigt, daher eine Tat begangen, die als das Verbrechen der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt keine Berechtigung zu.
Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) behauptet eine Undeutlichkeit der Feststellungen zum Nötigungsziel durch die Urteilsannahme, der Betroffene habe „sinngemäß“ geäußert, die von ihm Bedrohten sollten „sich schleichen“.
Undeutlichkeit iSd
Z 5 erster Fall liegt dann vor, wenn aus objektiver Sicht nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache festgestellt wurde oder aus welchen konkreten Gründen die Feststellung solcher Tatsachen erfolgte (RIS-Justiz RS0117995).
Der Beschwerdeführer verkennt zunächst, dass der Bedeutungsinhalt einer inkriminierten Äußerung (hier zum Nötigungsziel: „sich ... umgehend entfernen“, US 5) die entscheidende Tatsache für die rechtliche Beurteilung ist, während die Wiedergabe des (genauen oder sinngemäßen) Wortlauts bloß der Begründung dessen Feststellung dient (vgl RIS-Justiz RS0092437 [T4]). Warum die Begründung des solcher Art festgestellten Bedeutungsinhalts undeutlich sei, weil das Erstgericht den Wortlaut der Äußerungen bloß sinngemäß wiedergibt, macht die Beschwerde nicht klar.
Mit dem Einwand, die Feststellungen zur abgenötigten Handlung seien offenbar unzureichend begründet (
Z 5 vierter Fall), weil der „pauschale Verweis“ der Tatrichter auf – nach Ansicht des Beschwerdeführers widersprüchliche – Zeugenaussagen hiefür nicht genüge, unterlässt die Beschwerde die unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370).
Denn die Ableitung der Konstatierungen aus den Aussagen der Zeugen in der Hauptverhandlung sowie
– hinreichend erkennbar – auch aus deren Angaben vor der Polizei (unter Berücksichtigung „abweichender Details ihrer Schilderungen“; US 7 f) und aus der Verantwortung des Betroffenen, wonach er die angesprochenen Personen „verscheuchen“ habe wollen (US 8), widerspricht weder den Kriterien logischen Denkens noch grundlegenden Erfahrungen und ist solcherart aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116732). Dass dem Rechtsmittelwerber die Würdigung der Verfahrensresultate durch das Schöffengericht nicht überzeugend erscheint und er selbst – unter Berufung auf
von ihm ausgemachte Widersprüche innerhalb der Zeugenaussagen – andere, für ihn günstigere Schlüsse als plausibler erachtet, ist aus Z 5 bedeutungslos (RIS-Justiz RS0098362).
Die weitere Mängelrüge spricht mit dem Einwand, aus den Zeugenaussagen lasse sich nicht „denklogisch“ ableiten, dass der Lauf der Waffe auf eine oder mehrere Personen gerichtet gewesen sei (
Z 5 vierter Fall), keine entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0117499,
RS0106268). Denn bei dieser kritisierten Urteilsannahme (US 5) handelt es sich bloß um die sachverhaltsmäßige Bejahung eines von mehreren erheblichen Umständen, der für sich keine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache darstellt. Indem sich die Beschwerde lediglich auf die behaupteten Widersprüche innerhalb der Zeugenangaben (in Bezug auf die Ausrichtung der Waffe) beruft und dabei die übrigen Erwägungen (US 8) zum Bedeutungsinhalt der
Drohung (als solche mit dem Tod) außer Acht lässt, vernachlässigt sie zudem, dass die Tatrichter die betreffenden Feststellungen – logisch und empirisch einwandfrei – auch auf die Depositionen des Betroffenen („… er dabei ein Gewehr in Richtung der Opfer hielt und … ausdrücklich bestätigte, er habe damit bewirken wollen, dass die Männer Angst bekommen“), auf den geäußerten Wortlaut (durch Zurufen, dass er eine „schwere Waffe“ habe) und auf die allgemeine Lebenserfahrung stützten (US 8).
Die eine rechtliche Beurteilung der Tat nach § 107 Abs 1 und 2 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (
Z 10) lässt mit dem Einwand des Fehlens von Feststellungen zu einem Nötigungsziel die (auch unter dem Aspekt von
Z 10 unmissverständlichen; zur Undeutlichkeit als Gegenstand der Z 5 erster Fall und
Z 10 vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 570 f) Urteilsannahmen zum Bedeutungsinhalt der Äußerung außer Acht, womit sie den Anknüpfungspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS-Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (bloß
angemeldete) Berufung folgt (§ 285i StPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00075.19I.0903.000 |
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