OGH vom 18.08.2016, 9ObA90/16z

OGH vom 18.08.2016, 9ObA90/16z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Johann Schneller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** P*****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 104.844,48 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 24/16k 52, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin führte seit 1995 als Pächterin eine Tankstelle der Beklagten. Durch eine zum erfolgte Vertragsänderung ergaben sich Änderungen ua bei der Provisionsberechnung, der Tragung der Stromkosten, der Umsatzpacht und der Einkaufskonditionen für den Folgemarkt, die für die Klägerin teilweise vorteilhaft, teilweise nachteilig waren. Ab dem Jahr 2010 war die Klägerin mit Umsatzrückgängen konfrontiert, deren Hauptursache in der Eröffnung eines Tankstellenshops in einer ca 200 m entfernten Konkurrenztankstelle lag. Mit Schreiben vom kündigte sie das Vertragsverhältnis zur Beklagten auf. Hauptgrund dafür war die bevorstehende Shop Umstellung auf einen V*****Shop, der Klägerin waren aber auch die Gewinne zu gering.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Zahlung eines Ausgleichsanspruchs nach § 24 HVertrG 1993 ab. In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt sie keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin meint unter Berufung auf den Rechtssatz RIS Justiz RS0124725 im Wesentlichen, die externe Konkurrenz durch den 2010 eröffneten Tankstellenshop sei ein der Beklagten zuzurechnender Umstand iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993. Die Beklagte hätte auch die Vertragsbedingungen der neuen Situation so anzupassen gehabt, dass der Klägerin die Erzielung eines positiven Betriebsergebnisses unter Berücksichtigung eines angemessenen Unternehmerlohns möglich gewesen wäre.

Der hier maßgebliche Teil des Rechtssatzes RIS Justiz RS0124725 lautet: „Sind die vom Unternehmer vorgegebenen Bedingungen eines Tankstellenpachtvertrags derart, dass ein wirtschaftlicher Betrieb unter zumutbaren Voraussetzungen von vornherein nicht möglich ist, bleibt auch bei Selbstkündigung durch den Tankstellenpächter dessen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs 3 HVertrG gewahrt.“

Sowohl aus dem Sinn dieses Rechtssatzes als auch aus den dazu ergangenen, von der Klägerin zitierten Entscheidungen (9 ObA 4/13y, 9 ObA 18/09a) geht hervor, dass die Unwirtschaftlichkeit der Betriebsführung für eine ausgleichsanspruchswahrende Selbstkündigung einen kausalen Zusammenhang mit den Bedingungen des Tankstellenpachtvertrags verlangt. In der Entscheidung 9 ObA 18/09a wurde dazu generell ausgeführt, dass die Umstände, die Anlass für die Kündigung geben, dem Unternehmer zurechenbar sein müssen. Die Zurechenbarkeit soll nur zum Ausdruck bringen, dass nicht auch Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmers liegen, wie etwa höhere Gewalt, den Handelsvertreter zu einer ausgleichswahrenden Kündigung berechtigen. Zuzurechnen sind daher alle in die Unternehmersphäre fallenden Umstände. Unter diesem Aspekt wurde auch die Vorgabe vertraglicher Bedingungen für den Betrieb der Tankstelle, bei denen eine wirtschaftliche Führung unter zumutbaren Voraussetzungen von vornherein nicht möglich ist, für den Fall der Selbstkündigung als anspruchswahrend angesehen. Weiter wurde in der Entscheidung 3 Ob 114/13f festgehalten, dass die Gründe dafür, dass der Tankstellenpächter eine nicht unerhebliche Verschlechterung einer wirtschaftlichen Position zu gewärtigen hat und dadurch für ihn eine nicht mehr hinnehmbare Situation geschaffen wird, jedenfalls dem Unternehmer kausal zurechenbar sein müssen, dh sie müssen aus der Unternehmersphäre stammen. Entgegen der Ansicht der Klägerin geht aus der Rechtsprechung daher gerade nicht hervor, dass auch externe Umstände wie die Eröffnung des Tankstellenshops eines Konkurrenzunternehmens dem Unternehmer zuzurechnen sind. Auch die von der Klägerin angenommene Pflicht der Beklagten zu einer ihr günstigeren Vertragsanpassung lässt sich daraus nicht ableiten.

2. Gestützt auf die Entscheidung des CEPSA , sowie des Obersten Gerichtshofs zu 9 ObA 59/09f, argumentiert die Klägerin für eine „kartellrechtskonforme Auslegung des § 24 HVertrG“ dahin, dass die erhebliche Verwirklichung eines kommerziellen Risikos dem Unternehmer zuzurechnen sein müsse.

Dass Vereinbarungen von Handelsvertretern als nicht selbständigen Unternehmern mit Geschäftsherren, die die finanziellen und kommerziellen Risiken einer wirtschaftlichen Tätigkeit tragen, nach diesen Entscheidungen nicht dem Kartellverbot des Art 81 EGV (Art 101 AEUV) unterliegen, führt jedoch noch nicht dazu, dass das Absatzrisiko zu einem „dem Unternehmer zurechenbaren Umstand“ iSd § 24 HVertrG 1993 wird (zum Absatzrisiko s vielmehr EuGH C 217/05, CEPSA , Rnr 52). Kartellrechtliche Erwägungen wurden in den genannten Entscheidungen auch nur im Hinblick auf die Nichtigkeit der Tankstellenverträge angestellt, die die Klägerin nicht anstrebt.

3. Aus den in § 6 HVertrG 1993 normierten Unterstützungspflichten des Unternehmers geht keine Pflicht der Beklagten zu höheren Provisionszahlungen, zur Verringerung der Shoppacht, zu einer Änderung der unternehmensweiten Preispolitik oä hervor. § 6 Abs 2 Z 2 leg cit enthält für den Fall einer absehbaren erheblichen Verringerung der Geschäfte vielmehr Informationspflichten des Unternehmers (zur Reichweite seiner „Fürsorgepflicht“ s nur Nocker , HVertrG 2 § 6 Rz 6 ff).

4. Eine Unvereinbarkeit mit der Entscheidung 8 ObA 59/15g und jener des Marchon , ergibt sich daraus nicht, weil aus dieser Rechtsprechung – die zur Reichweite des Begriffs „neuer Kunde“ erging – selbst bei der gebotenen „handelsvertreterfreundlichsten Normauslegung“ keine Zurechnung externer Risiken an die Beklagte abgeleitet werden kann.

5. Die Klägerin richtet sich schließlich gegen die Erwägung des Berufungsgerichts „ Dass sich die bevorstehende Umstellung auf einen V*****Shop nachteilig für die Klägerin ausgewirkt hätte, wurde nicht festgestellt “. Mit ihren Ausführungen, dass solche Feststellungen zum Zeitpunkt der Kündigung noch gar nicht möglich gewesen wären, weil zum Effekt einer im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung noch nicht umgesetzten Maßnahme keine finanziellen Daten vorgelegen seien, stellt sie selbst klar, dass damit keine dem Unternehmer zurechenbaren Umstände iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 begründet werden.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00090.16Z.0818.000