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OGH 26.08.2014, 9ObA90/14x

OGH 26.08.2014, 9ObA90/14x

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Forcher-Mayr & Kantner Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, wegen 3.446 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 24/14y-26, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass vertragliche Verfallsklauseln, soweit abweichende gesetzliche Regelungen nicht vorhanden sind, auch hinsichtlich zwingender gesetzlicher Ansprüche zulässig sind, wenn sie die Geltendmachung dieser Ansprüche nicht ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (RIS-Justiz RS0016688; zuletzt ausführlich 9 ObA 1/14h). Ebenso entspricht es aber der ständigen Rechtsprechung, dass die Erhebung einer Verjährungs- oder Verfallseinrede gegen Treu und Glauben verstößt, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0014838; RS0014826; allgemein RS0034537 oder RS0014832). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass - wie die Beklagte zutreffend aufzeigt - der Beginn der Verjährungs- oder Verfallsfrist regelmäßig nicht von der Kenntnis des Berechtigten abhängig ist (RIS-Justiz RS0034211; RS0034292). Durch die Rechtsprechung ausreichend geklärt ist auch, dass der Schuldner nach Wegfall der durch den Gläubiger bewirkten Untätigkeit innerhalb angemessener Frist eine Verjährungsunterbrechung herbeiführen muss (RIS-Justiz RS0034767 zur Rücknahme des Verjährungsverzichts). Dies legt die Beklagte selbst auch hier zugrunde. Wann dies der Fall ist, kann aber naturgemäß nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles beurteilt werden und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (Kodek in Rechberger ZPO4 Rz 26). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vermag die Revision nicht darzustellen.

Es geht nicht um allgemeine Rechtsausführungen zum Irrtumsrecht oder zum Schadenersatzrecht, sondern um die konkrete Frage im Einzelfall, inwieweit und wie lange die Klägerin durch ein gegen Treu und Glaube verstoßendes Verhalten der Beklagten an der Geltendmachung der Ansprüche aus den alten „befristeten“ Verträgen abgehalten wurde. Die beklagte Arbeitgeberin hat die Klägerin, die wegen mehrfachen Abschlusses von befristeten Dienstverträgen tatsächlich bereits einen unbefristeten Dienstvertrag hatte, - dies wissend - veranlasst, einen neuen unbefristeten Dienstvertrag abzuschließen, für den ungünstigere kollektivvertragliche Regelungen zur Anwendung kamen. Für den Abschluss des neuen ungünstigeren Arbeitsvertrags war auch die durch Äußerungen der Beklagten bewirkte Angst der Klägerin, nach Auslaufen der „befristeten“ Dienstverträge ihren Arbeitsplatz bei der Beklagten zu verlieren, maßgeblich. Erst mit Urteil vom wurde im Vorverfahren ua festgestellt, dass die Klägerin bereits aufgrund des befristeten Dienstvertrags ein unbefristetes Dienstverhältnis hat. Eine rechtskundige Abklärung der Rechtslage, die die Klägerin vor dem Schreiben vom , mit dem die Rechtsvertretung der Klägerin die hier maßgeblichen Ansprüche geltend gemacht hat, über ihren Irrtum aufgeklärt und die Befürchtungen hinsichtlich des Auslaufens der befristeten Arbeitsverträge bei Wegfall des neuen unbefristeten Arbeitsvertrags hätte nehmen können, wurde nicht festgestellt.

Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit den verschiedenen Anhaltspunkten, die die Klägerin für die Maßgeblichkeit des früheren Dienstvertrags hatte - „Gerüchte im Betrieb“ und ihrer Reaktion - Einschaltung der Personalvertretung zur Überprüfung - sowie der Feststellung, dass nicht festgestellt werden konnte, dass vor der Geltendmachung () der von der Beklagten veranlasste Irrtum weggefallen ist, auseinandergesetzt.

In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass hier nicht ausreichende Anhaltspunkte dafür festgestellt werden konnten, dass die Maßgeblichkeit des von der Beklagten wissentlich veranlassten Irrtums vor der Geltendmachung weggefallen wäre, kann schon deshalb keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung gesehen werden, weil die Klägerin bei Wegfall des neuen unbefristeten Vertrags damit rechnen musste, dass die Beklagte vom Auslaufen der befristeten Dienstverträge ausgeht (vgl auch 9 ObA 86/01i).

Insgesamt vermag die Beklagte jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Arbeitsrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00090.14X.0826.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAE-12076