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OGH vom 08.04.2003, 10ObS69/03z

OGH vom 08.04.2003, 10ObS69/03z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann F*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Höhe der Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision (und darin enthaltenen Rekurses) der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 113/02g-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cgs 54/02d-5, bestätigt wurde,

1. den Beschluss

gefasst:

Der Rekurs gegen den Beschluss, mit dem die Anträge des Klägers auf Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof und auf Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 B-VG zurückgewiesen wurden, wird zurückgewiesen.

Die Anträge des Klägers, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Überprüfung der Bestimmungen des Bundesverfassungsgesetzes vom , BGBl Nr 832/1992, zu stellen, sowie auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof werden zurückgewiesen;

2.) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass das auf Leistung einer höheren Pension gerichtete Mehrbegehren des Klägers abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I Nr 1/2002).

Zu 1.):

Vorweg ist zu bemerken, dass ein Rekurs gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Einholung einer Vorabentscheidung bzw Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit unzulässig ist, sodass das vom Kläger gegen den entsprechenden Beschluss des Berufungsgerichtes erhobene - als Rekurs zu wertende - Rechtsmittel zurückzuweisen ist (8 ObS 268/98i). Den Parteien steht kein förmlicher Rechtsbehelf zur Verfügung, um in einem gerichtlichen Verfahren die Vorlage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu einer Vorabentscheidung zu bewirken. Sie haben nur die Möglichkeit, ein Vorabentscheidungsverfahren anzuregen und den Richter von der Notwendigkeit einer Vorlage und damit von der Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlich relevanten Frage zu überzeugen. Da den Parteien somit kein verfahrensrechtlicher Anspruch auf die Vorlage einer Frage an den EuGH zusteht, war auch der entsprechende, an den Obersten Gerichtshof gerichtete Antrag zurückzuweisen (SSV-NF 11/104; SZ 70/262; SZ 69/5 uva; RIS-Justiz RS0058452).

Ein Recht, vom Obersten Gerichtshof die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu verlangen, steht einem Revisionswerber ebenfalls nicht zu (SSV-NF 11/104 mwN uva; RIS-Justiz RS0058452), weshalb der darauf abzielende Antrag ebenfalls zurückzuweisen war.

Zu 2.):

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass gegen die für Männer und Frauen unterschiedliche Berechnung des Steigerungsbetrages gemäß § 261 Abs 4 ASVG im Hinblick auf das unterschiedliche Regelpensionsalter keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken bestehen und zumindest derzeit zu einer Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH in dieser Frage kein Anlass besteht, ist ebenso zutreffend wie die weitere Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass gegen die genannte Bestimmung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht auch im Einklang mit der vom Obersten Gerichtshof erst jüngst in der Entscheidung 10 ObS 353/02p vom vertretenen Rechtsansicht (in diesem Sinne auch 10 ObS 17/03b, 10 ObS 19/03x und 10 ObS 38/03s jeweils vom zu der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 130 Abs 4 BSVG). Der erkennende Senat hat in diesen Entscheidungen folgendes ausgeführt:

"Der österreichische Gesetzgeber hat im Gefolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 223/88 ua (VfSlg 12.568 = DRdA 1991/49 = ZAS 1992/8 [Tomandl]), mit dem die unterschiedlichen Altersgrenzen für Männer und Frauen bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben worden waren, die Zulässigkeit unterschiedlicher Altersgrenzen für Männer und Frauen im Verfassungsrang festgeschrieben. Gemäß § 1 des BVG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 1992/832 (im Folgenden: BVG-Altersgrenzen), sind gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung vorsehen, zulässig. Nach § 2 dieses Bundesverfassungsgesetzes ist - beginnend mit - für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die vorzeitige Alterspension jährlich bis 2028 mit 1. 1. um sechs Monate zu erhöhen. Nach § 3 ist - beginnend mit - für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die Alterspension bis 2033 mit 1. 1. jährlich um sechs Monate zu erhöhen.

Mit der Verabschiedung des BVG-Altersgrenzen sollte die bestehende Privilegierung weiblicher Versicherter beim Pensionsantritt solange aufrechterhalten werden, wie die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt dies erforderte. Der Normgeber beabsichtigte somit eine Angleichung des Pensionsantrittsalters erst in jenem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem gegenwärtig noch vorhandene Schlechterstellungen von Frauen im Arbeitsleben als beseitigt angesehen werden können. Dieses Ziel soll bis zum Jahr 2018 verwirklicht sein (Wolfsgruber, Pensionsanfallsalter und Europarecht, RdW 2001/687, 675 ff [677] mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien).

Seit dem Beitritt Österreichs zum EWR (mit ) und zur Europäischen Union (mit ) ist auch der gemeinschaftsrechtliche Kontext zu beachten, insbesondere die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl 1979 L 6, 24). Art 4 dieser Richtlinie verbietet jede Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, insbesondere bei der Berechnung der Leistungen. Nach Art 7 Abs 1 lit a steht die Richtlinie nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Nach Art 7 Abs 2 der Richtlinie überprüfen die Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen die auf Grund des Abs 1 ausgeschlossenen Bereiche, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten. Der EuGH hat in seinen Urteilen vom , Rs C-377/96 bis C-384/96, De Vriendt ua, und vom , Rs C-154/96, Wolfs, ausgesprochen, dass dann, wenn von einem Mitgliedstaat zulässigerweise nach Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie ein unterschiedliches Rentenalter aufrechterhalten worden ist, eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche Art der Berechnung der Renten notwendig und objektiv mit diesem Unterschied verbunden ist, sodass auch sie unter die in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme fällt. Diesen beiden Urteilen lag zugrunde, dass in der belgischen Rentenversicherung für Frauen mit 60 und für Männer mit 65 Jahren die Möglichkeit des Übertrittes in den Ruhestand bestand: Bei der Berechnung der Rentenhöhe wurde mit dem Hinweis auf die unterschiedlich lange Versicherungskarriere bei Frauen 1/40stel und bei Männern ein 1/45stel der Bemessungsgrundlage gewährt und zwar unabhängig vom tatsächlichem Antrittsalter.

Dem Revisionswerber ist darin beizupflichten, dass nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Buchner die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit - im vorliegenden Fall:

Berufsunfähigkeitspension - nicht als Altersrente im Sinne des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie, der als Ausnahmebestimmung nach ständiger Rechtsprechung angesichts der wesentlichen Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung eng auszulegen ist, zu werten ist (vgl Urteil vom in der Rechtssache C-104/98, Buchner, Slg 2000, I-3625, Rn 21 mwN). Die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit - im vorliegenden Fall: Berufsunfähigkeitspension - kann aber als eine "andere Leistung" betrachtet werden, auf die die unterschiedliche Festsetzung des Rentenalters "Auswirkungen" hat. So hat der EuGH beispielsweise in dem Urteil Graham ua vom , Rs C-92/94, Slg 1995, I-2521 Ungleichbehandlungen von Männern und Frauen im Hinblick auf den Zugang und die Berechnung von bestimmten Invaliditätsleistungen in der Rechtsordnung des Vereinigten Königreiches als Auswirkungen der Festsetzung des unterschiedlichen Rentenalters für Männer und Frauen auf andere Leistungen akzeptiert. Setzt ein Mitgliedstaat unter Berufung auf Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie für die Gewährung der Alters- und Ruhestandsrente für Männer und Frauen ein unterschiedliches Alter fest, so ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der mit der Wendung "etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen" in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie definierte Anwendungsbereich der zugelassenen Ausnahme auf solche in anderen Leistungssystemen bestehenden Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dieser unterschiedlichen Altersgrenze verbunden sind. Eine solche Verbindung besteht, wenn die Diskriminierungen objektiv erforderlich sind, um zu verhindern, dass das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gefährdet wird, oder um die Kohärenz zwischen dem System der Altersrenten und dem der anderen Leistungen zu gewährleisten (vgl Urteil Buchner Rn 25 f mwN). Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht zu beurteilen (vgl Urteil vom in der Rechtssache C-139/95, Balestra, Slg 1997, I-549, Rn 39 mwN).

So hat der EuGH in dem soeben erwähnten Urteil Balestra vom dargelegt, dass bei einem zulässigen unterschiedlichen Altersrentenalter der Mitgliedstaat auch bestimmen kann, dass Arbeitnehmer bestimmter Unternehmen für die Zeit vom Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand bis zur Erreichung des Altersrentenalters Anspruch auf eine Gutschrift zusätzlicher Rentenbeiträge bis zur Höchstgrenze von fünf Jahren haben, weil die bei der Methode zur Berechnung der Vorruhestandsleistungen vorgenommene Unterscheidung nach dem Geschlecht objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist. Der EuGH sah bei der in Italien vorgesehen Regelung, auf Grund derer fiktiver Beiträge zwischen der tatsächlichen Aufgabe der Erwerbstätigkeit und längstens dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (55 Jahre für Frauen und 60 Jahre für Männer) für höchstens fünf Jahre gutgeschrieben wurden, einen Zusammenhang zwischen der Altersrenten- und der Vorruhestandsregelung; die Wahrung dieser Kohärenz sei notwendig, da ihre Aufhebung zur anderen Diskriminierungen führen könnte.

In der Entscheidung Buchner, Rs C-104/98, hat der EuGH unter Rn 32 dargelegt, dass zwischen dem Mindestalter für den Bezug der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit und dem gesetzlichen Rentenalter kein direkter Zusammenhang besteht, da das Mindestalter für die Entstehung des Anspruches auf die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit für Frauen auf 55 Jahre, dh fünf Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, für Männer dagegen auf 57 Jahre, dh acht Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, festgesetzt wurde. Demgegenüber knüpft die Bestimmung des § 103 Abs 4 BSVG - entspricht § 261 Abs 4 ASVG - für die Berechnung der Pensionshöhe unmittelbar an das "Regelpensionsalter" gemäß § 121 Abs 1 BSVG - entspricht § 253 Abs 1 ASVG - an, das für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren liegt. Sie schreibt vor, dass bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach Erreichung des Regelpensionsalters die ermittelte Summe der Steigerungspunkte zu vermindern ist. Das Ausmaß der Verminderung beträgt für je 12 Monate der früheren Inanspruchnahme zwei Steigerungspunkte. Das Höchstausmaß der Verminderung beträgt 15 % der ermittelten Summe der Steigerungspunkte, höchstens jedoch 10 Steigerungspunkte. Durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (BGBl I 2000/92) wurde mit Wirksamkeit ab der Malus von bisher zwei Steigerungspunkte auf drei Steigerungspunkte pro Jahr angehoben, und zwar unter Festlegung einer Höchstgrenze von 10,5 Steigerungspunkten bzw 15 % der Pension.

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 130 Abs 4 BSVG - entspricht § 261 Abs 4 ASVG - mit der gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Festsetzung eines geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Antrittsalters für die Alterspension in unmittelbarem Zusammenhang stehend zu sehen ist. Ziel der Regelung ist es, dass für Männer und Frauen bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach Erreichen des Regelpensionsalters die Leistung - ohne Unterschied der Geschlechter - in Relation zum Ausmaß einer Pensionsleistung steht, die bei Inanspruchnahme nach Erreichen des Regelpensionsalters gebührt. Im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung des EuGH muss ein Mitgliedstaat durchaus als befugt angesehen werden, eine nationale Regelung aufrechtzuerhalten, nach der - im Hinblick auf das geschlechtsspezifisch unterschiedliche Antrittsalter für die Altersrente - der Berechnung des Pensionsanspruches zugrundegelegt wird, dass die Leistung - ohne Unterschied der Geschlechter - in Relation zum Ausmaß einer Pensionsleistung steht, die bei Inanspruchnahme nach Erreichen des Regelpensionsalters gebührt. Die zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters kann auch noch nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie den Erlass von Maßnahmen, die untrennbar mit dieser Ausnahmeregelung verbunden sind, sowie die Änderung derartiger Maßnahmen erforderlich machen. Der Ausnahme in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie würde nämlich ihre praktische Wirksamkeit genommen, wenn ein Mitgliedstaat, der für Männer und Frauen ein unterschiedliches Rentenalter festgesetzt hat, nach Ablauf der Umsetzungsfrist keine damit zusammenhängenden Maßnahmen erlassen oder ändern dürfte (vgl Urteil Buchner, Rn 22 f sowie Urteil vom in der Rechtssache C-196/98, Hepple ua, Slg 2000, I-3701 Rn 23 f).

Die Beibehaltung des unterschiedlichen Regelpensionsalters impliziert daher eine unterschiedliche Berechnung der Höhe der hier gegenständlichen Pensionsleistung .... Die unterschiedliche Berechnung der Höhe dieser Pensionsleistung ist eine notwendig an die Festsetzung des unterschiedlichen Rentenalters geknüpfte Konsequenz und fällt daher unter die Ausnahme in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie.

Der Oberste Gerichtshof kann diese Frage unter Bedachtnahme auf die in der Rechtsprechung des EuGH dazu entwickelten Grundsätze auch ohne Einholung einer Vorabentscheidung beurteilen, zumal, wie bereits erwähnt, nach der Rechtsprechung des EuGH die Beantwortung der Frage, ob eine Diskriminierung objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines je nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist, in die Zuständigkeit des nationalen Gerichtes fällt. Dass gegen die Gültigkeit der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie derzeit keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken bestehen und sich der Oberste Gerichtshof zumindest derzeit zu einer Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH in dieser Frage nicht veranlasst sieht, hat der erkennende Senat in den Entscheidungen 10 ObS 334/01t und 10 ObS 49/02g näher begründet (vgl auch 10 ObS 268/02p).

Aber auch die vom Revisionswerber vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Verletzung eines Bauprinzipes der Verfassung werden vom Senat nicht geteilt. Es ist richtig, dass der Verfassungsgesetzgeber immer wieder Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes dadurch "unterlaufen" hat, dass er vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetze als Verfassungsgesetze wieder in Kraft setzte oder die Gesetzesaufhebung in ähnlicher Weise unwirksam machte (Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts9 Rz 146; Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3 Art 44 II. 3.). Diese verständlicherweise der rechtspolitischen Kritik ausgesetzte Verfassungsgesetzgebung ist verfassungsrechtlich nur dann unzulässig, wenn dadurch ein Baugesetz der Verfassung verletzt wird (VfSlg 15.373). Eine solche Verletzung wird von einem Teil der Lehre wegen Verletzung des rechtsstaatlichen und des gewaltenteilenden Grundprinzipes behauptet (Walter/Mayer aaO mwN; zuletzt etwas Hiesel,

Von der Verfassungsunkultur zur verfassungswidrigen Verfassungsgesetzgebung? AnwBl 2001, 306 [308 f]). Freilich muss dem "einfachen" Verfassungsgesetzgeber im Lichte des demokratischen Grundprinzipes bei einer harmonisierenden Auslegung auch in diesem Bereich ein gewisser Gestaltungsspielraum zugebilligt werden. Im Hinblick darauf, dass die Gesetzesprüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes (nur) zu einer speziellen und eingegrenzten Problematik ausgeschaltet, das rechtsstaatliche Prinzip aber nicht im breiten und unbestimmten Ausmaß beeinträchtigt wird, erscheint dem Senat der Gestaltungsspielraum des einfachen Verfassungsgesetzgebers nicht überschritten.

Schließlich wurde bereits bei der Behandlung der vom Revisionswerber vorgetragenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken näher dargelegt, dass sich die in § 130 Abs 4 BSVG - entspricht § 261 Abs 4 ASVG - vorgesehene Abschlagsregelung als unmittelbare Auswirkung des - nach dem BVG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten (BGBl 1992/812) - zulässigen unterschiedlichen Regelpensionsalters von Männern und Frauen darstellt, sodass für den Obersten Gerichtshof auch insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen."

Den vom Revisionswerber in seinem Rechtsmittel vorgetragenen weiteren gemeinschaftsrechtlichen Bedenken ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Ausgangspunkt des Gemeinschaftsrechtes zur Diskriminierung wegen des Geschlechtes ist Art 141 (ex-Art 119) EGV. Abs 1 und 2 des Art 141 (ex-Art 119) enthalten ein spezielles Gleichheitsgebot, welches die Gleichbehandlung von weiblichen und männlichen Arbeitnehmern hinsichtlich der Entgeltzahlung fordert. Art 141 Abs 1 EGV ist unmittelbar anwendbares Primärrecht. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 141 EGV wurde durch verschiedene Richtlinien zu Fragen der Gleichbehandlung der Geschlechter konkretisiert bzw ergänzt. Dazu gehört auch die bereits erwähnte Richtlinie 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit. Art 141 EGV gibt auf Grund der unmittelbaren Anwendbarkeit einen Anspruch auf gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Dieses Gleichbehandlungsgebot gilt auch für alle Formen von Betriebsrenten, die vom EuGH als Bestandteile des Entgeltes im Sinne des Art 141 EGV betrachtet werden. Gewisse Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgebot sind dagegen im Bereich der sozialen Sicherheit zulässig. So haben die Mitgliedstaaten gemäß Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 97/7/EWG vor allem die Möglichkeit, den Gleichbehandlungsgrundsatz für die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen auszuschließen.

Wie der EuGH in der Rechtssache Barber, Rs C-262/88, Slg 1990, 1889, deutlich gemacht hat, gelten die zahlreichen Ausnahmen vom Verbot der Diskriminierung in den Richtlinien insoweit nicht, soweit eine Leistung direkt unter das uneingeschränkte Gebot der Lohngleichheit in Art 141 (ex-Art 119) EGV fällt. Der Unterschied zwischen "gesetzlichen/staatlichen" Systemen und "betrieblichen Systemen" ist deshalb auch wichtig, um jene Leistungen der sozialen Sicherheit, die als betriebliche Systeme direkt und uneingeschränkt Art 141 (ex-Art 119) EGV unterstellt sind, abzugrenzen von jenen Leistungen der sozialen Sicherheit, die nicht von Art 141 (ex-Art 119) EGV, sondern nur von der Richtlinie 79/7/EWG geregelt werden (vgl Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht3 590).

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH fallen unmittelbar durch Gesetz geregelte Systeme oder Leistungen der sozialen Sicherheit, insbesondere Altersrenten oder auch Invaliditätsrenten, nicht unter den Begriff des Entgeltes im Sinn von Art 141 (ex-Art 119) EGV (vgl zuletzt das Urteil in der Rechtssache C-351/00, Niemi, Rn 39 mwN uva). Im vorliegenden Fall kann kein Zweifel bestehen, dass die hier strittige Pensionsleistung (Berufsunfähigkeitspension nach § 271 ASVG) eine Leistung im Rahmen der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit darstellt, welche in den Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7/EWG und nicht in den des Art 141 (ex-Art 119) EGV fällt. An dieser Rechtslage hat sich auch durch den am in Kraft getretenen Vertrag von Amsterdam keine Änderung ergeben, da insoweit keine Änderung des Anwendungsbereiches des Art 141 (ex-Art 119) EGV erfolgt ist. Da somit Art 141 EGV nicht auf die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit Anwendung zu finden hat, ist eine Unvereinbarkeit der Richtlinie 79/7/EWG mit dieser primärrechtlichen Regelung schon deshalb ausgeschlossen.

Auch der EuGH hat es bisher im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG unterlassen, den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter auf die Altersgrenzen im Sozialversicherungsrecht zu erstrecken. So hat der EuGH in zahlreichen Entscheidungen bis in jüngster Zeit zu dieser Ausnahmebestimmung Stellung genommen, ohne deren Geltung in Frage zu stellen (EuGH, , Rs C-196/98, Hepple, Slg 2000, I-3701; , Rs C-104/98, Buchner, Slg 2000, I-3625; , Rs C-382/98, Taylor, Slg 1999, I-8955; , Rs C-154/96, Wolfs, Slg 1998, I-6173 uva; vgl in diesem Sinne auch die Ausführungen des Generalanwaltes Van Gerven in seinen Schlussanträgen vom , Rs C-9/91, Equal Opportunities Commission, Slg 1992, I-4297, Rn 8). Der Einwand des Revisionswerbers, der EuGH habe mögliche Bedenken an einer nach wie vor aufrechten Geltung dieser Ausnahmebestimmung im Rahmen der erwähnten Vorabentscheidungsverfahren deshalb nicht äußern können, weil in dieser Richtung keine Auslegungsfrage gestellt worden sei, trifft nicht zu. Der EuGH zieht bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechtes alle gemeinschaftrechtlichen Bestimmungen heran, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in dem Vorlageersuchen nicht ausdrücklich genannt sind (EuGH, Rs C-280/91, Viessmann, Slg 1993, I-971 Rn 17 ua; Schwarze [Hrsg], EU-Kommentar Rz 13 zu Art 234).

Die hier strittige unterschiedliche Berechnung der Höhe der Pensionsleistung, welche unmittelbar an das - für Männer und Frauen unterschiedliche - Rentenalter anknüpft, fällt daher in den Rahmen der Ausnahmeregelung des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG, für die der in Art 4 Abs 1 dieser Richtlinie festgelegte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gilt.

Da der erkennende Senat aus den dargestellten Erwägungen die vom Revisionswerber vorgetragenen gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken somit nicht teilt und die Entscheidung der Vorinstanzen der geltenden Gesetzeslage entspricht, musste die Revision erfolglos bleiben. Es war daher das angefochtene Urteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass das über die bescheidmäßig zuerkannte Höhe der Berufsunfähigkeitspension hinausgehende Mehrbegehren des Klägers ausdrücklich abzuweisen war. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.