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VfGH vom 13.06.1985, B165/82

VfGH vom 13.06.1985, B165/82

Sammlungsnummer

10448

Leitsatz

Art8 StGG; Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; vertretbare Annahme der Hinderung der Bekämpfung einer Gemeingefahr gemäß § 187 StGB; rechtmäßige Festnahme nach § 177 Abs 1 Z 1 StPO und darauffolgende Anhaltung; durch vermeidbare weitere Anhaltung Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit

Spruch

1. Der Bf. ist dadurch, daß er am um 16.35 Uhr durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien festgenommen und nachfolgend bis 22.00 Uhr in Haft angehalten wurde, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen.

2. Der Bf. ist dadurch, daß er durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien in der Zeit von 22.00 Uhr des bis zum Morgen des in Haft angehalten wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Bf. begehrt in seiner unter Berufung auf Art 144 Abs 1 B-VG an den VfGH gerichteten Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung, daß er durch seine am um 16.35 Uhr erfolgte Festnahme, seine anschließende Überstellung in das Bezirkspolizeikommissariat Favoriten und seine nachfolgende Anhaltung bis zum Morgen des nächsten Tages im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Person verletzt worden sei.

2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - Bundespolizeidirektion Wien als bel. Beh. erstattete - unter Vorlage der Administrativakten - eine Gegenschrift und begehrt darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

3. Der VfGH hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen O und M H, W Z, Dr. H G, H R, A P, G E, Oberrat Dr. S Sch., Dr. H J, Oberstleutnant K L, Gruppeninspektor J W, Abteilungsinspektor H E, Bezirksinspektor R H, Inspektor H H und des Bf. als Partei, sämtliche im Rechtshilfeweg, sowie durch Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten sowie in den Akt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ... Hv 135/82.

4.1. Aufgrund dieses Beweisverfahrens stellt der VfGH folgenden Sachverhalt fest:

4.1.1. Der Bf. betreibt in Wien-Oberlaa, H-Straße, eine Schweinemästerei; im Objekt H-Straße wird vom Onkel des Bf. H P, seiner Tochter M H und deren Gatten O H ebenfalls ein solcher Betrieb geführt. Zwischen dem Vater und dem Onkel des Bf., dem Bf. selbst sowie den Ehegatten H besteht seit langem ein tiefgreifendes Zerwürfnis.

Am frühen Nachmittag des reinigte O H seine Schweinestallungen und stellte, als er in den letzten, tiefstliegenden Stall kam, fest, daß zufolge einer Kanalverstopfung ein Wasserrückstau entstanden war, sodaß die dort untergebrachten 183 Schweine bis zum Bauch im Wasser standen. Da die verstopfte Kanalleitung nicht direkt in den öffentlichen Kanal einmündet, sondern zunächst durch das Objekt 14, in dem sich die Mästerei des Bf. befindet, führt und sich erst in dessen Hof Putzschächte befinden, ging O H in den Hof des Bf., in der Absicht, die Verstopfung von dort aus zu beheben. Als der Bf. dies sah, verwies er O H sofort des Grundes. Da sich die im Wasser stehenden Schweine in höchster Gefahr befanden - eine von O H angebrachte Pumpe reichte gerade nur aus, um den Wasserstand am Ansteigen zu hindern - und andere Rettungsmaßnahmen, wie die Verlegung der Schweine in einen anderen Stall, aufgrund der gegebenen Umstände nicht möglich waren, veranlaßte O H um zirka 15.15 Uhr seine Frau M, die Polizei anzurufen. Kurze Zeit später traf ein Funkwagen der Polizei, dessen Besatzung - bestehend aus Revierinspektor G S und Inspektor H H - zum Einsatz beordert worden war, bei der Schweinemästerei H ein. Die Sicherheitswachebeamten nahmen vorerst den überschwemmten Stall in Augenschein, wo sie feststellten, daß der Raum tatsächlich bis zirka 40 cm Höhe mit einem Gemisch aus Nutzwasser, Jauche und Mist überflutet war. Hierauf gingen diese und das Ehepaar H zur Mästerei des Bf. Als sie den Hof betreten hatten und der Bf., der sich beim Eingang seines Wohnhauses aufhielt, das Ehepaar H erblickt hatte, verlangte er von diesen sofort, sein Objekt zu verlassen. Inspektor H, der daraufhin das Gespräch mit dem Bf. führte, redete diesem zu, die Behebung der Kanalverstopfung nicht länger zu verhindern, worauf der Bf. schließlich erklärte, daß er der Städtischen Kanalräumung den Zutritt gewähren würde. Die Beamten gingen daraufhin zu ihrem Funkwagen zurück und ersuchten über Funk den Einsatzdienst der Magistratsabteilung (MA) 30 um Entsendung eines Einsatzwagens.

Um 16.30 Uhr traf sodann der Einsatzwagen der MA 30 ein. Nachdem die Kanalarbeiter von den Sicherheitswachebeamten über die Lage orientiert worden waren, begaben sie sich gemeinsam mit den Sicherheitswachebeamten in das Anwesen des Bf., der vor seinem Haus stehend jedoch sofort schrie, daß die Kanalarbeiter nicht herein dürften. Die Kanalräumer verließen daraufhin den Hof, während es zwischen Inspektor H und dem Bf. zu einer lautstarken Auseinandersetzung kam. Inspektor H wies den Bf. auf sein "rechtswidriges Verhalten" hin, mahnte ihn ab und drohte ihm die Festnahme an. Der Bf. äußerte sich hierauf: "Das schau ich mir an, daß Sie mich auf meinem Grundstück festnehmen." Nach einem weiteren heftigen Wortwechsel sprach Inspektor H die Festnahme aus. Der Bf. lief darauf ins Haus, verfolgt von Inspektor H, der ihn in der Küche erreichte, wo es in der Folge - wie sich Inspektor H ausdrückte - zu einem "tätlichen Diskurs" kam. Der Bf. wurde sodann in das Bezirkspolizeikommissariat Favoriten in den Arrest überstellt. Die Kanalarbeiter rückten hierauf zunächst unverrichteter Dinge wieder ab.

Nach der Überstellung des Bf. in den Arrest forderte sodann Inspektor H vom Permanenzingenieur der MA 30 noch einmal die Entsendung von Kanalarbeitern an. Mit diesen trafen er und Revierinspektor S vor dem Anwesen des Bf. um 17.50 Uhr neuerlich zusammen. Da ihnen das Tor jedoch nicht geöffnet wurde, wurde von Inspektor H die Feuerwehr verständigt, die um 18.25 Uhr eintraf. Inzwischen war auch der Rechtsanwalt des Bf. an Ort und Stelle eingetroffen und unternahm mehrere Versuche, eine Öffnung des Tores zu erwirken. Die Feuerwehr hatte inzwischen jedoch bereits das Tor geöffnet, sodaß die Kanalarbeiter im Hof des Bf. tätig werden konnten, die Kanalverstopfung behoben und den Einsatz um 19.00 Uhr beendeten. Die Funkstreife war, nachdem die Kanalräumer den Hof des Bf. betreten hatten können, bereits zum Stützpunkt zurückgefahren, wo Inspektor H die schriftliche Meldung gegen den Bf. wegen Tierquälerei gemäß § 222 StGB, Hinderung der Bekämpfung einer Gemeingefahr gemäß § 187 StGB, Widerstand gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 StGB, Anstandsverletzung und Lärmerregung gemäß ArtVIII EGVG und Störung der Ordnung gemäß ArtIX EGVG verfaßte; die Festnahme des Bf. wurde auf § 175 Abs 1 Z 1 und 4 StPO gestützt.

Im Bezirkspolizeikommissariat Favoriten suchte zunächst Oberstleutnant L - der am Nachmittag das telefonische Ersuchen um polizeiliche Hilfeleistung entgegengenommen hatte - den Bf. in der Arrestzelle auf und machte ihm Vorhaltungen wegen des ihm bereits bekannten Familienzwistes, ohne ihn jedoch einzuvernehmen. Der Kriminalbeamten-Journaldienst des Bezirkspolizeikommissariates Favoriten hatte inzwischen die Priorierung des Bf. eingeleitet, die gegen 20.30 Uhr abgeschlossen war. Da jedoch die von Inspektor H verfaßte Meldung erst gegen 22.10 Uhr beim Journaldienst des Bezirkspolizeikommissariates Favoriten einlangte, wurde der Bf. an diesem Tag im Hinblick auf die um 22.00 Uhr begonnene Nachtruhe nicht mehr, sondern erst am um 7.30 Uhr zur Vernehmung vorgeführt und nach Abfassung der Niederschrift enthaftet.

4.1.2. Die Staatsanwaltschaft Wien gab zu der an sie erstatteten Anzeige am 4. Feber 1982 die Erklärung ab, daß zu einer Verfolgung des Bf. wegen §§222 Abs 1, 125, 187 und 297 Abs 1 StGB kein Grund gefunden werde. Von der Staatsanwaltschaft Wien wurde gegen den Bf. jedoch ein Strafantrag gemäß §§5, 269 Abs 1 StGB wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt gestellt, weil er bei der Festnahme Inspektor H weggestoßen hätte und gegen ihn handgreiflich geworden sei. Das hierüber abgeführte Strafverfahren endete am mit Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO.

4.2. Diese Feststellungen stützen sich auf die insofern im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der Zeugen, auf die - in diesem Umfang ebenfalls im wesentlichen übereinstimmenden - Vorbringen des Bf. und der bel. Beh. und, was die Erklärungen der Staatsanwaltschaft und den Ausgang des Strafverfahrens betrifft, auf den Akt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien.

Weitere Feststellungen sind, wie sich zeigen wird, aus rechtlichen Erwägungen entbehrlich.

5. Die Festnehmung des Bf. durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien, seine Verbringung in das Bezirkspolizeikommissariat Favoriten und seine dortige Verwahrung sind in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangene Verwaltungsakte, die nach Art 144 B-VG beim VfGH bekämpft werden können.

Die Beschwerde ist daher zulässig.

6. Der festgestellte Sachverhalt ist unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit wie folgt zu beurteilen:

6.1. Art 8 StGG gewährt - ebenso wie Art 5 MRK (s. VfSlg. 7608/1975, 8815/1980) - Schutz gegen gesetzwidrige "Verhaftung" (s. VfSlg. 3315/1958 ua.):

6.1.1. Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, das gemäß Art 8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art 149 Abs 1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, bestimmt in seinem § 4, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen dürfen. Gesetzliche Bestimmungen iS des § 4 leg. cit. sind ua. die §§175 bis 177 StPO.

6.1.2. Der VfGH geht in rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes aus dem Blickwinkel der geltend gemachten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit davon aus, daß der Bf. im Dienste der Strafjustiz ohne richterlichen Haftbefehl festgenommen und verwahrt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob diese Freiheitsbeschränkung nach § 177 iVm. § 175 StPO zulässig war.

6.1.3. Gemäß § 177 Abs 1 StPO darf die vorläufige Verwahrung einer Person, die eines Verbrechens oder eines - nicht den BG zur Aburteilung zugewiesenen - Vergehens verdächtig ist, in dem hier von der bel. Beh. ebenfalls herangezogenen und damit in Betracht kommenden Fall des Haftgrundes nach § 175 Abs 1 Z 1 StPO (insbesondere bei Betretung auf frischer Tat), zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter ausnahmsweise durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung erfolgen. Dies setzt jedoch voraus, daß auf dem Boden des festgestellten Sachverhaltes jener Beamte, der die Festnahme aussprach und durchführte, vertretbarerweise annehmen konnte, daß der Bf. einen den Gerichtshöfen erster Instanz zur Aburteilung zugewiesenen Straftatbestand verwirklicht habe.

6.2. Der die Festnehmung aussprechende Sicherheitswachebeamte lastete dem Bf. in der gegen ihn erstatteten Anzeige ein tatbestandsmäßiges Handeln gemäß den §§222 und 187 StGB an; der weiters erhobene Vorwurf des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 StGB hat (jedenfalls zunächst) außer Betracht zu bleiben, da ein strafgesetzwidriges Verhalten nach dieser Gesetzesstelle vom Bf. jedenfalls erst nach Ausspruch seiner Festnehmung gesetzt worden wäre, der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Festnahme jedoch nur der Sachverhalt zugrunde zu legen ist, der den einschreitenden Organen im Zeitpunkt der Festnahme bekannt war und deren Vorgehen veranlaßte (vgl. VfSlg. 8633/1979).

6.2.1.1. Nach § 187 StGB setzt den Tatbestand der Hinderung der Bekämpfung einer Gemeingefahr, wer eine Maßnahme, die zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr ... für fremdes Eigentum in großem Ausmaß notwendig ist, vereitelt oder erschwert.

6.2.1.2. Tierquälerei begeht nach § 222 Abs 1 StGB, wer ein Tier roh mißhandelt oder ihm unnötige Qualen zufügt.

6.2.2. Die Beschwerde hält die Festnahme für ungesetzlich. Daß der Bf. den Zutritt zum Kanalschacht in seinem Hof nicht gestattet habe, stelle weder das Vergehen der Tierquälerei noch das Vergehen nach § 187 StGB dar, "zumal Schweine von ihrer frühesten Jugend an gute Schwimmer sind".

6.2.3. Der VfGH hält es auf dem Boden der getroffenen Feststellungen - unbeschadet der Frage der tatsächlichen Tatbestandsverwirklichung - jedoch nicht für unvertretbar, daß der die Festnahme aussprechende Sicherheitswachebeamte im Verhalten des Bf. die Hinderung der Bekämpfung einer Gemeingefahr erblickte (insbesondere auch im Hinblick auf § 6 Abs 1 des Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes 1978, Wr. Landesgesetz vom , LGBl. 2/1978, wonach den Organen des Magistrates zur Überprüfung der Kanalanlagen und der Meßeinrichtungen zur Vornahme von Arbeiten an diesen der Zutritt zur Tageszeit, bei Gefahr im Verzuge auch zur Nachtzeit zu gestatten ist).

Die Festnahme des Bf. ist daher durch § 177 Abs 1 Z 1 StPO gedeckt.

6.3. Zu prüfen bleibt, ob die nachfolgende Anhaltung des Bf. bis zum Morgen des nächsten Tages ebenfalls im Gesetz Deckung findet.

6.3.1. Nach § 177 Abs 2 StPO ist der von Sicherheitsorganen aus eigener Macht in Verwahrung genommene Verdächtige durch die Sicherheitsbehörde unverzüglich zur Sache und zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und, wenn sich dabei ergibt, daß kein Grund zu einer weiteren Verwahrung vorhanden ist, sogleich freizulassen, sonst aber binnen 48 Stunden dem zuständigen Gericht einzuliefern.

6.3.2. Die bel. Beh. nimmt in Anspruch, auch insofern gesetzmäßig vorgegangen zu sein, da die schriftliche Meldung des gegen den Bf. amtshandelnden Organes erst um 22.10 Uhr im Bezirkspolizeikommissariat eingelangt sei, sodaß vorher eine Einvernahme nicht durchgeführt hätte werden können; nach 22.00 Uhr, dem Beginn der Nachtruhe, würden Einvernahmen grundsätzlich nicht durchgeführt, da dies vom Inhaftierten als Druck empfunden werden könnte.

6.3.3. Diese Ausführungen sind offensichtlich nicht geeignet, ein dem Gesetz entsprechendes Vorgehen zu begründen.

Nach den getroffenen Feststellungen wurde der Bf. um 16.35 Uhr festgenommen. Es sind einerseits keinerlei Umstände hervorgekommen, die Inspektor H an der Erstattung einer unverzüglichen - sei es schriftlichen oder mündlichen - Meldung verhindert hätten; andererseits hat der zuständige Konzeptsbeamte offenbar nichts unternommen, um die rasche Erstattung der Meldung zu veranlassen. Bei einem dem Gesetz entsprechenden Vorgehen hätte sich nach den gegebenen Umständen eine Einvernahme des Bf. in den Abendstunden des ohne Schwierigkeiten durchführen lassen; dafür spricht auch, daß die Niederschrift über die Einvernahme des Bf. insgesamt eine knappe Seite umfaßt. Da die Priorierung des Bf. ebenfalls bereits um 20.30 Uhr abgeschlossen war, stand auch dies seiner Freilassung noch in den Abendstunden des nicht entgegen. Unter Berücksichtigung aller Umstände vermeint der VfGH, daß es - bei Vermeidung unnötiger Verzögerungen - möglich gewesen wäre, den in Verwahrung genommenen Bf. aufgrund einer - wie vom Gesetz geboten - umgehend erstatteten Meldung zur Sache unverzüglich zu vernehmen und, da kein Grund zu seiner weiteren Verwahrung in Haft vorhanden war, spätestens um 22.00 Uhr freizulassen.

6.4. Die Festnahme und Anhaltung des Bf. war sohin zunächst rechtmäßig; dies, wie der VfGH unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände annimmt, bis 22.00 Uhr. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Anhaltung aber rechtswidrig, da ihre Fortdauer den Umständen nach vermeidbar gewesen wäre (vgl. VfSlg. 7081/1973, 8816/1980).

6.5. Der Bf. wurde somit durch seine Festnahme um 16.35 Uhr des und seine nachfolgende Anhaltung bis 22.00 Uhr im Bezirkspolizeikommissariat Favoriten weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit noch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt. Der VfGH hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der gesetzten Amtshandlungen anzuwendenden Rechtsvorschriften. Der Bf. ist daher auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Hingegen wurde der Bf. durch die von 22.00 Uhr des bis zum nächsten Morgen andauernde weitere Anhaltung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.