VfGH vom 14.03.2012, B970/09
19631
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Streichung eines Arzneimittels aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex; verfassungskonforme Beurteilung der Wirtschaftlichkeit anhand der Preisgestaltung für die Aufnahme in den Grünen Bereich; keine Gesetz- und Verfassungswidrigkeit der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex, keine mangelhafte Bescheidbegründung; keine verfassungswidrige Zusammensetzung der als unabhängige Verwaltungsbehörde und Tribunal eingerichteten Unabhängigen Heilmittelkommission
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger entschied am , die von der beschwerdeführenden Partei vertriebene Arzneispezialität "Risperdal 6 Mg Filmtabl." aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex (EKO) zu streichen. In der Begründung wird zunächst angeführt, dass aus medizinischer Sicht die Anführung des Arzneimittels als frei verschreibbar im Grünen Bereich des Erstattungskodex bei gegebener Wirtschaftlichkeit zu empfehlen sei. Angeführt wurden vier Vergleichspräparate, bei denen es sich um Arzneispezialitäten mit gleichem Wirkstoff, gleicher Wirkstoffstärke und (praktisch) gleicher Darreichungsform handle. Eines der Präparate (Risperidon rtp 6 mg) sei im Grünen Bereich des Erstattungskodex angeführt, die Aufnahme eines weiteren Präparats (Risperidon 1A/Hexal/Sandoz 6) sei ebenfalls für den Grünen Bereich beantragt. Auch die Überführung der beiden anderen Vergleichspräparate (Risperidon Actavis 6 mg und Risperidon Interpharm 6 mg) werde vorgeschlagen. Da bereits eine wirkstoffgleiche Arzneispezialität zu Risperdal 6 mg im Grünen Bereich frei verschreibbar angeführt sei und für die Produkte Risperidon Actavis und Interpharm 6 mg ebenfalls die Überführung vorgeschlagen werde, sei es zweckmäßig, alle Arzneispezialitäten mit gleichem Wirkstoff und gleicher Wirkstoffstärke mit der gleichen Verschreibbarkeit im Erstattungskodex anzuführen. Für den Fall, dass die Wirtschaftlichkeit nicht hergestellt werden könnte, stünden gleichwertige Arzneispezialitäten zur Verfügung.
Die Wirtschaftlichkeit von Risperdal 6 mg sei
allerdings nicht gegeben: Gemäß § 25 Abs 2 Z 1 der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG iVm § 1 Abs 1 Z 2 der Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission sei die Wirtschaftlichkeit des Originalproduktes bei Eintritt des dritten Nachfolgeproduktes gegeben, wenn der Preis mindestens auf den Preis des dritten Nachfolgeproduktes gesenkt werde. Im vorliegenden Fall befinde sich dieses (Risperidon "ratiopharm" 6 mg) im Grünen Bereich des EKO mit einem Fabriksabgabepreis von € 58,20. Mit der angebotenen Preissenkung von 5 % komme die nunmehr beschwerdeführende Partei der geforderten Preissenkung nicht annähernd nach.
2. Mit Bescheid vom , der beschwerdeführenden Partei in schriftlicher Ausfertigung zugestellt am , wies die Unabhängige Heilmittelkommission die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde ab.
3. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug
unterliegenden (vgl. § 351h Abs 5 ASVG) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher unter anderem die - in mehrfacher Hinsicht - unrichtige Anwendung der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex und der Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission, eine nicht ausreichende Begründung des Bescheides, die Gesetz- und Verfassungswidrigkeit des § 25 Abs 2 Z 1 litb der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex sowie der Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission, sowie des § 351h Abs 3 Z 7 ASVG, die Mitwirkung eines befangenen Organs an der Entscheidung sowie die Verfassungswidrigkeit der eingeschränkten Kognitionsbefugnis der Heilmittel-Evaluierungskommission geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, regt die Einleitung eines amtswegigen Verfahrens zur Prüfung des § 25 Abs 2 Z 1 litb der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex und der Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission sowie des § 351h Abs 3 Z 7 ASVG an, weiters auch die Vorlage der Frage an den EuGH dahingehend,
"ob die UHK aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung eines Vertreters des Hauptverbands an der Willensbildung und aufgrund ihrer bloß eingeschränkten Kognitionsbefugnis geeignet ist, den durch die Richtlinie gebotenen effizienten Rechtsschutz bei Streichung eines Arzneimittels aus einer Positivliste sicherzustellen."
4. Die belangte Behörde legte die Akten vor und
erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
5. Die beschwerdeführende Partei erstattete eine Replik, in welcher sie das Vorbringen in der Äußerung der beteiligten Partei bzw. der Gegenschrift der belangten Behörde bestritt und ihre Beschwerde aufrecht erhält.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. 189/1955, in der hier maßgeblichen Fassung, lauten auszugsweise:
Gemäß § 31 Abs 3 Z 12 ASVG gehört zu den Aufgaben des Hauptverbandes:
"12. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs 2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:
a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach § 351c Abs 1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs 5 Z 13. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.
b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich
beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs 5 Z 13. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.
c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich
beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en oder Darreichungsform) beziehen.
d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.
Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband in der Verordnung nach § 351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten."
Die §§351c ff. ASVG lauten auszugsweise:
"Erstattungskodex
Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex
§351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen
beantragt beim Hauptverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Hauptverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Hauptverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.
(2) Der Hauptverband hat eine Liste jener Arzneimittelkategorien zu erstellen, die im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 2 geeignet sind, da sie zB überwiegend
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | zur Behandlung in Krankenanstalten, |
- | unter ständiger Beobachtung oder |
- | zur Prophylaxe |
verwendbar sind. Diese Liste samt einer Begründung für die Anführung der Arzneimittelkategorien ist im Internet zu veröffentlichen.
(3) Zur Beurteilung eines Antrages nach Abs 1,
insbesondere inwieweit ein wesentlicher therapeutischer Nutzen für Patienten und Patientinnen oder eine wesentliche therapeutische Innovation vorliegt, sind vom Antragsteller pharmakologische, medizinisch-therapeutische und gesundheitsökonomische Unterlagen vorzulegen. Das vertriebsberechtigte Unternehmen ist verpflichtet, bei der Antragstellung auf Aufnahme in den Erstattungskodex mitzuteilen, wann der Patentschutz der in der jeweiligen Arzneispezialität enthaltenen Wirkstoffe in Österreich endet. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren zur Aufnahme in den Erstattungskodex und über den Umfang, die Qualität und den Zeitpunkt der Vorlage von Unterlagen, werden in der Verfahrensordnung (§351g) geregelt. Abs 1 letzter Satz ist anzuwenden.
(4) Bei Arzneispezialitäten, die vornehmlich der Behandlung von Akutkrankheiten dienen, ist nur jene Packungsgröße aufzunehmen, deren Inhalt für die Behandlung des Regelfalles ausreicht. Bei Arzneispezialitäten, die der Behandlung von chronischen Krankheiten dienen, ist eine Packungsgröße zur Anbehandlung oder Erprobung (Kleinpackung) und eine zweite Packungsgröße für die medikamentöse Versorgung für die Dauer eines Monates aufzunehmen.
(5) Der Hauptverband ist berechtigt, das Verfahren über die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex von sich aus unter sinngemäßer Anwendung der Voraussetzungen und Prüfmaßstäbe nach Abs 1 bis 4 und 7 bis 9 sowie nach § 31 Abs 3 Z 12 einzuleiten. Das vertriebsberechtigte Unternehmen ist davon zu verständigen.
(6) Die Preiskommission (§9 Abs 3 des Preisgesetzes 1992, BGBl. Nr. 145/1992) ermittelt für Zwecke der Preisfestsetzung einer Arzneispezialität im Rahmen des roten und gelben Bereiches des Erstattungskodex aus den Preisen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union den EU-Durchschnittspreis. Dieser Preis ist von der Preiskommission auf Basis der Meldungen der vertriebsberechtigten Unternehmen unter Beiziehung der Gesundheit Österreich GmbH zu ermitteln. Die Preiskommission hat den jeweils ermittelten Preis dem Hauptverband mitzuteilen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat die Vorgehensweise der Preiskommission für die Preisermittlung im Internet zu veröffentlichen.
(7) Sonderbestimmungen für den roten Bereich (red box) des Erstattungskodex:
1. Der Preis der Arzneispezialität darf den EU-Durchschnittspreis nicht überschreiten.
2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht
festgestellt werden kann, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Die Preiskommission hat spätestens alle sechs Monate eine Preisevaluierung durchzuführen. Wird dabei festgestellt, dass der vorläufige österreichische Erstattungspreis über dem ermittelten EU-Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unternehmen den Differenzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozialversicherungsträger zurückzuzahlen.
(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungskodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.
(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex:
1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen
Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.
2.Wird für die beantragte Arzneispezialität ein
höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.
(10) Liegt für eine Arzneispezialität ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt (Generikum) vor, so gilt zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit Folgendes:
1. Der Hauptverband hat mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preisreduktion von 30% zu vereinbaren, womit die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex bleibt. Für die Aufnahme des Generikums in den Erstattungskodex vereinbart der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen einen Preis, der um 25,7% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt. Alle weiteren Generika werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht. Sobald durch ein Generikum eine dritte Preisreduktion erfolgt ist, kann der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine neuerliche Preisreduktion vereinbaren. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.
2. Der Hauptverband kann bei ausgewählten Indikationsgruppen zur Förderung der Verfügbarkeit eines Generikums abweichende Regelungen zur Anwendung bringen.
3. Ist abzusehen, dass bei einer Arzneispezialität trotz rechtlicher Möglichkeit in Österreich kein Generikum vorliegen wird und der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen ab diesem Zeitpunk keine Preisreduktion vereinbaren kann, so kann der Hauptverband ein Jahr davor den Wirkstoff oder die Wirkstoffklasse auf Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausschreiben.
Entscheidung des Hauptverbandes
§351d. (1) Der Hauptverband hat über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission zu entscheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw.) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten die selben Prüfmaßstäbe anzulegen.
(2) Der Hauptverband hat seine Entscheidung nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Antragsteller ist über die Möglichkeit der Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission sowie über die Rechtsmittelfristen nach § 351i Abs 3 zu belehren.
(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Hauptverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und der selben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Hauptverband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist.
[...]
Streichung aus dem Erstattungskodex
§351f. (1) Der Hauptverband hat den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§31 Abs 3 Z 12 und 351c entsprechen. Er hat eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind. Der Hauptverband hat vor der Entscheidung, eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen oder in einen anderen Bereich zu übernehmen, dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 30 Tagen zu geben. Das vertriebsberechtigte Unternehmen legt dem Hauptverband auf Verlangen binnen 60 Tagen jene Unterlagen vor, die geeignet sind, die Zweifel aus pharmakologischer oder medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Sicht auszuräumen. Allfällige Kosten für die Erstellung diesbezüglicher Gutachten oder Studien trägt das vertriebsberechtigte Unternehmen.
(2) Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jede Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität dem Hauptverband mitzuteilen. Die Arzneispezialität ist unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen.
Verordnungsermächtigung, Werbeverbot
§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität und Form der vorzulegenden Unterlagen festzulegen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Verordnung ist vom Hauptverband im Internet kundzumachen.
(2) In der Verordnung nach Abs 1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Hauptverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Hauptverband insbesondere zu empfehlen,
1. ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,
2. ob und welcher therapeutische Mehrwert
(Zusatznutzen für Patienten und Patientinnen) einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den grünen Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,
3. ob im Sinne einer sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Patienten und Patientinnen ein Vergabeverfahren für Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen eingeleitet werden sollte, um günstigere Bedingungen für die Heilmittelerstattung zu erreichen (zB wenn das Preisband zu breit oder keine Nachfolge durch ein Generikum möglich ist) und
4. bei welchen medizinischen Bedürfnissen und epidemiologischen Notwendigkeiten die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger angewendet werden sollte.
Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben den Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Bewertungen zu entsprechen.
(3) Der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gehören zehn Vertreter der Sozialversicherung, drei unabhängige Vertreter der Wissenschaft aus einschlägigen Fachrichtungen (Pharmakologen und Mediziner von Universitätsinstituten), je zwei Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer an. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesländer an, mit der/dem Empfehlungen, ob neue Arzneispezialitäten intra- und/oder extramural verabreicht werden können, abzustimmen sind, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission dadurch ändern.
(4) Der Hauptverband hat durch Verordnung
pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs 1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnittlichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Hauptverband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Verordnung ist im Internet zu veröffentlichen.
(5) Für die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, insbesondere für rezeptfreie Produkte, ist jegliche Werbung, die für die Verbraucher/innen bestimmt ist, zu unterlassen; ausgenommen von diesem Werbeverbot sind rezeptfreie Arzneispezialitäten, die vom Hauptverband von sich aus (§351c Abs 5) gegen den Willen des vertriebsberechtigten Unternehmens in den Erstattungskodex aufgenommen wurden.
Einrichtung und Zusammensetzung der Unabhängigen Heilmittelkommission
§351h. (1) Zur Überprüfung der Entscheidungen des Hauptverbandes über die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex ist beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Unabhängige Heilmittelkommission einzurichten.
(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission besteht aus einem Richter (einer Richterin) des Obersten Gerichtshofes oder eines Oberlandesgerichtes als Vorsitzendem (als Vorsitzender) und sieben BeisitzerInnen. Die Mitglieder werden jeweils für eine Amtsdauer von fünf Jahren bestellt. Sachverhalte, die ein Naheverhältnis zur Sozial- oder Privatversicherung oder zu Pharmaunternehmen begründen könnten, sind vor der Bestellung sowie nach ihrem Eintreten gegenüber dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und den nach Abs 3 vorschlagsberechtigten Stellen offen zu legen. Wer befangen ist, hat sich im konkreten Verfahren jeglicher Tätigkeit zu enthalten.
(3) Der (die) Vorsitzende der Unabhängigen Heilmittelkommission wird vom Bundesminister für Justiz bestellt. Als Beisitzer(innen) gehören der Unabhängigen Heilmittelkommission jeweils ein(e) von den nachfolgenden Organisationen vorgeschlagene(r) Vertreter(in) an:
1. Österreichische Pharmakologische Gesellschaft,
2. Österreichische Ärztekammer,
3. Österreichische Apothekerkammer,
4. Wirtschaftskammer Österreich,
5. Gesundheit Österreich GmbH,
6.Bundesarbeitskammer,
7. Hauptverband.
Die Beisitzer(innen) sowie jeweils ein(e) Stellvertreter(in) werden von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bestellt und haben über die erforderlichen Zeitressourcen zur Ausübung ihres Amtes zu verfügen.
(4) Für den (die) Vorsitzende(n) und die BeisitzerInnen sind gleichzeitig mit ihrer Bestellung und auf dieselbe Weise Stellvertreter(innen) zu bestellen. Der (die) jeweilige Stellvertreter(in) hat das Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission, zu dessen Vertretung er (sie) bestellt wurde, zu vertreten, wenn dieses an der Ausübung seiner Funktion in der Unabhängigen Heilmittelkommission verhindert ist.
(5) Die Mitglieder der Unabhängigen Heilmittelkommission und ihre Stellvertreter(innen) sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei; sie sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Entscheidungen der Unabhängigen Heilmittelkommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Änderung im Verwaltungsweg.
(6) Ein Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission ist vom bestellenden Bundesminister seines Amtes zu entheben, wenn die Bestellungsvoraussetzungen nach Abs 2 nicht mehr vorliegen oder wenn das Mitglied
1. dies beantragt oder
2. seine Pflichten nicht erfüllt oder nicht in der Lage ist, seine Pflichten zu erfüllen.
Aufgaben der Unabhängigen Heilmittelkommission
§351i. (1) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet
1. über Beschwerden des Antragstellers,
a) dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder
b) über dessen Antrag nicht fristgerecht (§351d Abs 1) entschieden wurde;
2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll.
(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Hauptverbandes, mit denen Forderungen nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten abgelehnt wurden, oder wenn über diese Forderungen nicht fristgerecht (§351d Abs 1) entschieden wurde.
(3) Beschwerden nach den Abs 1 und 2 sind binnen
30 Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Hauptverbandes bei der Unabhängigen Heilmittelkommission einzubringen. Gleichzeitig sind die Beschwerden dem Hauptverband zur Kenntnis zu bringen. Die Beschwerden haben aufschiebende Wirkung; Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität nach § 351c Abs 10 Z 1 aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex haben aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde. Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs 2 und 4) haben keine aufschiebende Wirkung. Sie können sich nur auf Sachverhalte und Umstände beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Hauptverband bereits eingebracht worden sind. Die Unabhängige Heilmittelkommission darf sich bei ihrer Entscheidungsfindung nicht auf Sachverhalte und Umstände stützen, die nach der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Hauptverband eingebracht werden. Allfällige Fragen patentrechtlicher Art sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Unabhängigen Heilmittelkommission.
(4) Die Unabhängige Heilmittelkommission hat die Entscheidung des Hauptverbandes, mit der
1. der Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder
2. eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll oder
3. die Verschreibbarkeit einer Arzneispezialität
geändert werden soll
aufzuheben, wenn der Hauptverband im Verfahren sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar ausgeübt hat; dabei sind alle in der Beschwerde vorgebrachten Argumente zu würdigen. Der Hauptverband hat sodann innerhalb von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt oder die Arzneispezialität wieder in den Erstattungskodex aufzunehmen ist oder die Einschränkung der Verschreibbarkeit aufzuheben ist. Für die Zeit der Einholung eines Gutachtens eines/einer unabhängigen Experten/Expertin auf Betreiben des antragstellenden vertriebsberechtigten Unternehmens nach Maßgabe der Verordnung nach § 351g wird der Lauf der Frist von 120 Tagen gehemmt. Wird jedoch eine Entscheidung des Hauptverbandes auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs 2 und 4) einer Arzneispezialität nach § 351c Abs 1 aufgehoben, beginnt mit dem Tag der Zustellung der Aufhebungsentscheidung an den Hauptverband die Frist nach § 351c Abs 1 neu zu laufen. Der Hauptverband ist bei seiner neuerlichen Entscheidung an die in der Aufhebungsentscheidung geäußerte Auffassung der Unabhängigen Heilmittelkommission gebunden.
(5) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auf Antrag selbst über die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex, wenn der Hauptverband nicht fristgerecht entschieden hat. Die Unabhängige Heilmittelkommission hat innerhalb von 180 Tagen nach Einlangen dieses Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt.
(6) Die Unabhängige Heilmittelkommission ist beschlussfähig, wenn der (die) Vorsitzende und mindestens vier andere Mitglieder anwesend sind. Sie trifft ihre Entscheidungen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des (der) Vorsitzenden oder seines (ihres) Stellvertreters (ihrer/seiner Stellvertreterin) den Ausschlag."
2. § 25 der vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger erlassenen Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG - VO-EKO, AVSV 106/2008, lautet folgendermaßen:
"Gesundheitsökonomische Evaluation
§25. (1) Ziel der gesundheitsökonomischen Evaluation ist die Beurteilung der beantragten Arzneispezialität im Hinblick auf eine ökonomische Krankenbehandlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen. Diese Evaluation basiert auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation (§24). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Kosten-/Nutzenverhältnis der beantragten Arzneispezialität in Österreich gesundheitsökonomisch nachvollziehbar und vertretbar ist. Bei der Evaluation des Kosten-/Nutzenverhältnisses sind die direkten Kosten der Pflichtleistungen der Sozialversicherungsträger der Krankenbehandlung (Ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe), der Anstaltspflege (auf Basis der LKF-Punkte) sowie der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation auf Basis der tatsächlich verrechneten Preise anzusetzen, allfällige Kostenbeteiligungen der Patienten / Patientinnen (insbesondere Selbstbehalte, Rezeptgebühr oder Behandlungsbeitrag) sind außer Ansatz zu lassen.
(2) Für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex ist wie folgt von der Wirtschaftlichkeit auszugehen:
1. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 1 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Voraussetzungen nach § 351c Abs 10 Z 1 ASVG iVm § 609 Abs 20 ASVG gegeben sind. Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich; dabei sind die Anträge nach Möglichkeit in der Reihenfolge ihrer Vollständigkeit zu erledigen.
a) Die Wirtschaftlichkeit des ersten
wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn der Preis im Jahr 2004 um mindestens 44,0 %, im Jahr 2005 um mindestens 46,0 %, ab dem Jahr 2006 um mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die Wirtschaftlichkeit des zweiten und jedes weiteren wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum jeweils zuletzt aufgenommenen Nachfolgeprodukt gegeben ist.
b) Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0 % gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes neuerlich zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.
c) Gemäß § 351c Abs 10 Z 2 ASVG kann der Hauptverband zur Förderung der Verfügbarkeit von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten auf Empfehlung der HEK für bestimmte Wirkstoffe abweichende Regelungen anwenden, um das finanzielle Gleichgewicht der sozialen Krankenversicherungsträger zu gewährleisten.
2. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 2 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität ausreichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit de[r] im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 1 ASVG).
3. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 3 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität im geringen Ausmaß über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG).
4. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 4 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität angemessen über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG).
5. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 5 und 6 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist, insbesondere im Hinblick auf das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für die definierte Gruppe von Patienten/Patientinnen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG). Dies ist vom antragstellenden Unternehmen anhand einer pharmakoökonomischen Studie nachzuweisen. Der Hauptverband kann bei Offensichtlichkeit auf die Vorlage der pharmakoökonomischen Studie durch das antragstellende Unternehmen vorläufig verzichten.
(3) Weiters gelten für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit für die Aufnahme in den Grünen Bereich folgende zusätzliche Voraussetzungen:
1. Wird die Aufnahme von Arzneispezialitäten mit gleichem(n) Wirkstoff(en) und gleicher (praktisch gleicher) Darreichungsform, jedoch mehreren Wirkstoffstärken in den Grünen Bereich des Erstattungskodex gleichzeitig beantragt, ist in allen Fallgruppen nach Abs 2 von der Wirtschaftlichkeit nur dann auszugehen, wenn mit dem Preis für annähernd gleiche Packungen (Packungsgröße) unabhängig von der Wirkstoffstärke im wesentlichen gleiche Behandlungskosten erreicht werden. Ausgangspunkt bildet die Wirkstoffstärke, die gemäß Fachinformation, klinischen Studien oder auf Grund der Erfahrungen in der Praxis für eine Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität hauptsächlich angewendet wird ('Schlüsselstärke'). In vom antragstellenden Unternehmen zu begründenden Einzelfällen kann im Einvernehmen mit dem Hauptverband folgender Ansatz herangezogen werden: Die Preise werden im Verhältnis zur Dosierungsstärke abgestuft, wobei für die doppelte Wirkstoffstärke grundsätzlich ein um maximal 67 % höherer Preis akzeptiert werden kann.
2. Der Preis der beantragten Arzneispezialität muss in allen Fallgruppen nach Abs 2 unter dem EU-Durchschnittspreis liegen.
(4) Ist im Gelben Bereich des Erstattungskodex keine vergleichbare Arzneispezialität angeführt, ist für die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für eine definierte Gruppe von Patienten/Patientinnen gesundheitsökonomisch nachvollziehbar und vertretbar ist. Dies ist vom antragstellenden Unternehmen anhand einer pharmakoökonomischen Studie nachzuweisen. Der Hauptverband kann bei Offensichtlichkeit auf die Vorlage der pharmakoökonomischen Studie durch das antragstellende Unternehmen vorläufig verzichten.
(5) Sind im Gelben Bereich des Erstattungskodex eine oder mehrere vergleichbare Arzneispezialitäten angeführt, ist für die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit in sinngemäßer Anwendung von Abs 2 vorzunehmen.
(6) Abs 3 Z 1 ist für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit für die Aufnahme in den Gelben Bereich sinngemäß anzuwenden. Der Preis einer im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Arzneispezialität darf den EU-Durchschnittspreis jedenfalls nicht überschreiten."
3. § 1 Abs 1 Z 2 und § 3 Abs 1 der "Ökonomischen Beurteilungskriterien" der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (ÖkBK-HEK), veröffentlicht auf www.hauptverband.at, lauten:
"Für die Aufnahme in den Grünen Bereich
des Erstattungskodex
§1. (1) Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 1 VO-EKO ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Voraussetzungen nach § 351c Abs 10 Z 1 ASVG iVm § 609 Abs 20 ASVG gegeben sind.
Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich.
[...]
2. Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0% gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes, des im Grünen Bereich angeführten ersten Nachfolgeproduktes und des im Grünen Bereich angeführten zweiten Nachfolgeproduktes mindestens auf den Preis des dritten im Grünen Bereich angeführten Nachfolgeprodukt zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist."
"Für die Aufnahme in den Gelben Bereich
des Erstattungskodex
§3. (1) Ist im Gelben Bereich des Erstattungskodex keine vergleichbare Arzneispezialität angeführt, ist für die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für eine definierte Patientengruppe gesundheitsökonomisch nachvollziehbar und vertretbar ist.
(2) Sind im Gelben Bereich des Erstattungskodex eine oder mehrere vergleichbare Arzneispezialitäten angeführt, sind für die Aufnahme in den Gelben Bereich die §§1 und 2 sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass höchstens der EU-Durchschnittspreis verlangt werden darf."
III. Erwägungen
1. Die beschwerdeführende Partei behauptet die Gesetz- und Verfassungswidrigkeit der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex, der Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission sowie eine mangelhafte Bescheidbegründung: § 351c Abs 10 Z 1 ASVG verpflichte den Hauptverband nicht dazu, vom vertriebsberechtigten Unternehmen im Moment der Aufnahme eines dritten Generikums eine Absenkung des Preises des Originalprodukts zu verlangen ("kann der Hauptverband [...] eine neuerliche Preisreduktion vereinbaren."). Im Gegensatz dazu werde eine solche Verpflichtung durch § 25 Abs 2 Z 1 litb der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex erzeugt ("[...] ist der Preis [...] neuerlich zu senken"). Diese Bestimmung widerspreche daher den Vorgaben des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG und sei gesetzwidrig. Darüber hinaus verhindere diese Verpflichtung, dass der Hauptverband auf die konkreten Umstände des Einzelfalls eingehen und sein Ermessen im Sinne des Gesetzes ausüben könne. Dies verstoße "gegen Art 130 Abs 2 B-VG" und den Gleichheitssatz. Weiters würde die Bestimmung auch gegen die Vertragsfreiheit (Art5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK) verstoßen, da entgegen der gesetzlichen Vorgabe des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG die Bestimmung des § 25 Abs 2 Z 1 litb der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex den Hauptverband dazu zwinge, eine Preissenkung zu begehren. Durch die Vorgabe der Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission, wie hoch die Preissenkung im Einzelnen sein müsse, sei der beschwerdeführenden Partei die Möglichkeit genommen, über eine Preissenkung oder deren Höhe zu verhandeln.
1.1. Der Verfassungsgerichtshof vermag die Ansicht der beschwerdeführenden Partei aus folgenden Erwägungen nicht zu teilen: Der behauptete Widerspruch zwischen der gesetzlichen Regelung des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG und der Ausführungsbestimmung des § 25 Abs 2 Z 1 litb der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex liegt nicht vor. Nach den Gesetzesmaterialien (AB 316 BlgNR 22. GP, 4 f.) sollen die vorgeschlagenen Maßnahmen ua. auch des § 351c ASVG zur Stabilisierung der Ausgabensteigerung der sozialen Krankenversicherung im Bereich der Arzneimittel dienen. Ziel der Neugestaltung der Heilmittelerstattung war es,
"die hohe Qualität der Arzneimittelversorgung für die Patienten und Patientinnen zu erhalten sowie die Orientierung der Ausgaben der sozialen Krankenversicherung an ihren Einnahmen und die medizinische als auch umfassende gesundheitsökonomische und volkswirtschaftliche Bewertung der Arzneimittel." (AB 316 BlgNR 22. GP, 5)
1.2. Das Gesetz ist Grundlage für ein gestaffeltes Preissystem, das im Falle des Vorliegens eines Generikums zwingend eine Festlegung von dessen Preis 25,7 % unter dem zuvor um 30 % reduzierten Preis des Originals vorsieht und für weitere Generika genügend große Preisunterschiede zu den bereits vorhandenen vorschreibt. Das Verlangen einer neuerlichen Reduktion des Preises des Originals, sobald auf diese Weise durch ein Generikum eine dritte Preisreduktion erfolgt ist, wird ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" im Gesetzestext nicht in das freie Ermessen des Hauptverbandes gelegt; eine verfassungskonforme Deutung dieser Gesetzesstelle in ihrem Zusammenhang führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass es bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks dem Hauptverband weder freisteht, manche Unternehmen im Gegensatz zu anderen von einer Forderung nach einer weiteren angemessenen Preisreduktion auszunehmen, noch im Falle der Ablehnung einer angemessenen Preisreduktion von einer Streichung aus dem Erstattungskodex abzusehen (wie der letzte Satz des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG ausdrücklich klarstellt). Bei diesem Auslegungsergebnis begegnet § 25 Abs 2 Z 1 litb der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex keinen Bedenken. Die Streichung der Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex ist daher die zwingende Folge einer Nichteinigung zwischen dem Hauptverband und dem vertriebsberechtigten Unternehmen im Rahmen dieser gesetzlichen, durch die Verordnung noch näher präzisierten Vorgaben. Dabei ist es auf Beschwerde eines von der Streichung betroffenen pharmazeutischen Unternehmens Aufgabe der Unabhängigen Heilmittelkommission, auf Grund der dem Hauptverband vorgelegenen Faktenlage zu untersuchen, ob das Unternehmen eine angemessene Preisreduktion angeboten hat bzw. die Ablehnung dieses Angebots durch den Hauptverband sachlich begründet war.
1.3. Es kommt nach dem klaren Gesetzeswortlaut auch nicht darauf an, in welchen Teilbereich des Erstattungskodex die jeweiligen Arzneispezialitäten aufgenommen sind (arg: "aus dem Erstattungskodex" - § 351c Abs 10 Z 1 ASVG und der Vergleich mit dem Wortlaut des § 351c Abs 7, 8 und 9 ASVG); daher ist auch die Annahme der belangten Behörde, dass die Wirtschaftlichkeit der im Erstattungskodex geführten Arzneimittel im vorliegenden Fall nur bei Senkung des Preises im gesetzlich erforderlichen Ausmaß gewährleistet ist, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
2. Die beschwerdeführende Partei behauptet weiters die Gesetzwidrigkeit der Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission: Qualifiziere man sie als Verordnung, mangle es ihr an einer tauglichen gesetzlichen Grundlage. Sie würde überdies ebenso wie die oben genannten Bestimmungen der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex gegen die Vertragsfreiheit und den Gleichheitssatz verstoßen. Messe man den Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission keine Verordnungsqualität zu, so würde die Vorgangsweise des Hauptverbandes und der Unabhängigen Heilmittelkommission rechtswidrig sein, weil sie sich an ein "kodifiziertes Sachverständigengutachten", dem keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, gebunden erachten.
Auch dieses Vorbringen ist nicht stichhaltig:
Die Heilmittel-Evaluierungskommission ist ein
beratendes Gremium des Hauptverbandes ohne Behördenfunktion. Eine "Rechtswidrigkeit" kommt schon mangels Verordnungsqualität nicht in Betracht. Dass eine Bindung an die Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission nicht vorliegt, wurde auch in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes klargestellt, der zufolge weder der Hauptverband noch die belangte Behörde verpflichtet sei, in ihren Entscheidungen auf die in den Aufnahmeverfahren erstatteten Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission Bezug zu nehmen (s. dazu ausführlich VfSlg. 17.686/2005). Das Vorgehen des Hauptverbandes und der belangten Behörde, sich an den Empfehlungen der Ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission zu orientieren, entspricht im Übrigen den Vorgaben des § 351g Abs 2 ASVG, wonach die Kommission auch anzuhören ist, wenn der Hauptverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt, wobei die Kommission gemäß § 351g Abs 2 Z 1 ASVG unter anderem auch eine Empfehlung zur ökonomischen Bewertung einer Arzneispezialität abzugeben hat.
3. Die beschwerdeführende Partei bringt weiters vor, der Erstattungskodex falle unter Art 6 der Richtlinie 89/105/EWG vom "betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die Staatlichen Krankenversicherungssysteme" (in der Folge: Transparenzrichtlinie). Die Umsetzung der Richtlinie durch die 61. ASVG-Novelle sei aber nicht geglückt:
die Unabhängige Heilmittelkommission genüge nicht den Anforderungen des Art 6 Z 5 der Richtlinie, wonach eine Streichungsentscheidung eine auf "objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten" müsse, und somit ein effizienter und unparteiischer Rechtschutz gegen eine solche Streichungsentscheidung gegeben sein müsse. Dies sei nicht der Fall, weil der Unabhängigen Heilmittelkommission gemäß § 351h Abs 3 Z 7 ASVG ein Vertreter des Hauptverbandes als Beisitzer angehöre, maW ein Vertreter eben jener Behörde, deren Entscheidung bei der Unabhängigen Heilmittelkommission angefochten werde. Im Fall der beschwerdeführenden Partei sei der Vertreter des Hauptverbandes nicht bloß irgendein Vertreter, sondern als Leiter der Abteilung EBM (Evidence Based Medicine) und HTA (Health Technology Assessment) auch ein hochrangiger Dienstnehmer des Hauptverbandes; als solcher sei er arbeitsrechtlich weisungsunterworfen und in seinem weiteren Fortkommen maßgeblich von der Gunst des Hauptverbandes abhängig. Er sei daher befangen. Weiters sei er nicht bloß "einfaches Mitglied", sondern Berichterstatter, der den Fall betreut und die Entscheidung vorbereitet. Es liege somit ein Verstoß gegen Art 6 EMRK vor, der zugrunde liegende § 351h Abs 3 Z 7 ASVG sei verfassungswidrig.
3.1. Soweit dieser Einwand die Verfassungsmäßigkeit des § 351h Abs 3 Z 7 ASVG in Zweifel zieht, ist er unberechtigt:
3.1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat die Unabhängige Heilmittelkommission bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.686/2005 (diesem folgend VfSlg. 17.701/2005) als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art 133 Z 4 B-VG und als Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK qualifiziert. Der Gerichtshof hält an dieser Rechtsprechung weiterhin fest.
3.1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 9887/1983, 11.912/1988 uva.) lässt sich allein aus der gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkung so genannter Interessenvertreter an der Entscheidung eine - auch nur scheinbare - Abhängigkeit von den Streitparteien nicht ableiten: Die weisungsfreien Interessenvertreter, die in einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art 133 Z 4 B-VG vertreten sind, fungieren keinesfalls als persönliches Sprachrohr der einen oder anderen Partei; sie sollen vielmehr sachliche Gesichtspunkte in den Entscheidungsvorgang einbringen, die sich aus ihrer jeweiligen Berufsstellung ergeben. Ein Verstoß gegen die geforderte Unparteilichkeit könnte, wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.470/1990 mit näherer Begründung ausgesprochen hat, nur in besonderen Umständen liegen, die sich aus einer dienstlichen oder organisatorischen Abhängigkeit der bestellten Kommissionsmitglieder ergeben.
3.1.3. Derartiges ergibt sich hier aber nicht aus den gesetzlichen Regelungen. Zu den Landesberufungskommissionen nach § 345 ASVG hat der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt (vgl. zB VfSlg. 15.698/1999, 16.463/2002) ausgesprochen, dass sie den Anforderungen des Art 6 Abs 1 EMRK auch insoweit grundsätzlich entsprechen, als die Mitwirkung von Interessenvertretern an der Willensbildung dieser Behörden vorgesehen ist (s. auch VfSlg. 18.689/2009). Dies trifft auch auf die in § 351h Abs 3 ASVG gesetzlich vorgesehene Zusammensetzung der Unabhängigen Heilmittelkommission zu, die garantieren soll, dass der Sachverstand der beteiligten Kreise und ihre unterschiedlichen Interessen in dieser Behörde vertreten sind, um einen Interessensausgleich im Verfahren sicherzustellen; aus diesem Grund gehören ihr die Vertreter der krankenversicherten Beschäftigten ebenso an wie jene der beteiligten wirtschaftlich interessierten pharmazeutischen Unternehmen sowie Vertreter der Sozialversicherungsträger und ein Vertreter des Hauptverbandes. Das Gesetz normiert nicht ausdrücklich ein so enges organisatorisches Naheverhältnis der Vertreter zu den vorschlagenden Organisationen, dass daraus mit Grund Zweifel an der Unabhängigkeit der Unabhängigen Heilmittelkommission abgeleitet werden könnten. Es steht den Organisationen vielmehr grundsätzlich frei, wen sie als Vertreter oder als Vertreterin zur Entsendung in die Heilmittelkommission nominieren. Es bestehen schon aus diesem Grund keine Bedenken gegen das gegenüber dem zuständigen Bundesminister für Gesundheit in § 351h Abs 3 Z 7 ASVG dem Hauptverband eingeräumte Recht auf Vorschlag eines Vertreters als Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission. Die beschwerdeführende Partei wurde demnach nicht in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen verletzt.
3.2. Soweit mit diesem Einwand der beschwerdeführenden Partei schließlich die konkrete Zusammensetzung der belangten Behörde gerügt wird, ist die Beschwerde ebenso wenig begründet:
3.2.1. Angesichts dessen, dass die Mitglieder der Unabhängigen Heilmittelkommission in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei (§351h Abs 5 erster Satz ASVG) sind, könnte sich ein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 EMRK nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergeben (vgl. zur Frage der Befangenheit von Mitgliedern der Landesberufungskommission zB VfSlg. 13.553/1993), die - wie der Verfassungsgerichtshof im Besonderen zu den nach den §§344 ff. ASVG eingerichteten Kommissionen ausgesprochen hat - die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des betreffenden Mitglieds zur Entscheidung in bestimmten Rechtssachen mit Recht in Zweifel ziehen ließen (VfSlg. 14.909/1997, 17.381/2004, 18.689/2009, unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des EGMR).
3.2.2. Solche besonderen Umstände, welche geeignet sind, Zweifel an der Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit des betreffenden Mitgliedes der Kollegialbehörde zu erwecken, liegen hier aber nicht vor:
3.2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung ua. dann eine Verletzung des Art 6 EMRK angenommen, wenn ein Mitglied in seiner sonstigen Berufstätigkeit in bestimmter Weise in die Tätigkeit der in erster Instanz zum Vollzug berufenen Behörde einbezogen war oder unmittelbar einem ihrer Mitglieder gegenüber in einem Verhältnis der dienstlichen Unterordnung tätig gewesen ist (vgl. VfSlg. 11.131/1986; ebenso VfSlg. 15.668/1999 und ).
3.2.2.2. Gemäß § 351f ASVG hat die Entscheidung über die Streichung einer Arzneispezialität zwar "der Hauptverband" zu treffen, und zwar, da die Zuständigkeit zur Erlassung eines Streichungsbescheides nicht zu den in § 441d ASVG taxativ aufgezählten Aufgaben der Trägerkonferenz gehört, durch den Verbandsvorstand. Das vom Hauptverband in die belangte Behörde entsendete Mitglied hat sich aufgrund seiner Stellung als Leiter der Abteilung "Evidence Based Medicine" und "Health Technology Assessment" des Hauptverbandes, deren Aufgabengebiet auch von der Tätigkeit der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission völlig getrennt ist und ihm auch keinen Zugriff auf Akten der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eröffnet hat, im Verhältnis zu seiner weisungsfreien Tätigkeit für die belangte Behörde in einer sog. "Mischverwendung" befunden. Diese hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung jedoch stets für grundsätzlich zulässig befunden (vgl. etwa VfSlg. 18.554/2008). Da nach dem Gesagten im Hinblick auf die der belangten Behörde zukommende Funktion, mit Sachverstand dem Ausgleich von Interessen zu dienen, gegen die Mitwirkung eines Vertreters des Hauptverbandes an der Entscheidung an sich keine Bedenken bestehen und besondere Umstände des Einzelfalls, die den Anschein der Unabhängigkeit des vom Hauptverband entsandten Mitgliedes beeinträchtigen würden, nicht hervorgekommen sind, liegt auch kein dem Fall Sramek gg. Österreich (EGMR , Fall Sramek, Serie A Nr. 84) vergleichbarer Fall vor.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die beschwerdeführende Partei wurde daher nicht in ihrem Recht auf eine Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK verletzt.
2. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, dass die beschwerdeführende Partei in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre, war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.