OGH vom 26.02.2014, 9ObA9/14k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ***** 2013 verstorbenen Prof. M***** H*****, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verein W***** S*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.696,72 EUR brutto sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 81/13z-16, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Der Kläger war von Oktober 1973 bis Februar 2009 Dienstnehmer des beklagten Vereins und nahm danach die Korridorpension in Anspruch. Das Pensionsstatut des Beklagten, das Bestandteil der mit dem Kläger abgeschlossenen Allgemeinen Anstellungsbedingungen war, lautete auszugsweise:
„§ 2 (1) Der Anspruch auf Pension entsteht, wenn
a) eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung aus den Versicherungsfällen des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit gebührt, ...
§ 9 (1) Die aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gebührenden Pensionen werden ohne Rücksicht auf ein allfälliges Ruhen nach § 94 ASVG auf die ihnen entsprechenden nach diesem Statut gebührenden Pensionen angerechnet.“
Am wurde zwischen dem Betriebsrat und dem Beklagten eine inhaltlich gleichlautende Betriebsvereinbarung geschlossen.
Die Vorinstanzen erachteten das Begehren des Klägers auf Zahlung (2.696,72 EUR sA) und auf Feststellung, dass der Beklagte zur Zahlung einer Zusatzpension verpflichtet sei, die die Differenz zwischen der aus der Korridorpension resultierenden Eigenpension einerseits und 80 % der indexierten Bemessungsgrundlage gemäß § 4 des Pensionsstatuts des Beklagten andererseits ausgleiche, als berechtigt, weil auch die Korridorpension eine gesetzliche Alterspension sei, die die Betriebsvereinbarungsparteien bei Kenntnis unter die „Versicherungsfälle des Alters“ subsumiert hätten.
Rechtliche Beurteilung
In seiner Revision erachtet der Beklagte dieses Auslegungsergebnis als unvertretbar. Es könne ausgeschlossen werden, dass sich ein vernünftiger Arbeitgeber zur unbeschränkten Übernahme finanzieller Einbußen des Arbeitnehmers, deren Entstehen überdies in der Willkür des Arbeitnehmers liege, verpflichten wolle. Der Anspruch auf eine zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung noch unbekannte Korridorpension könne daher noch keinen Anspruch auf eine Betriebspension begründen. Damit zeigt er aber keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Die für das Verständnis von Betriebsvereinbarungen geltenden Auslegungsgrundsätze der §§ 6 ff ABGB wurden von den Vorinstanzen zutreffend dargelegt (vgl RIS Justiz RS0050963; RS0008874). Der erkennende Senat teilt auch das von ihnen gewonnene Ergebnis sowohl in methodischer als auch in inhaltlicher Hinsicht, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist hervorzuheben:
§ 2 des Pensionsstatuts macht die Entstehung des Betriebspensionsanspruchs vom Anspruch auf eine gesetzliche Pension „aus den Versicherungsfällen des Alters“ abhängig. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung war neben einem regulären Alterspensionsanspruch schon lange auch ein Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente vorgesehen (§ 222 ASVG idF BGBl 1960/294). Die Pensionsform der vorzeitigen Alterspension wurde mit dem Budgetbegleitgesetz (BBG) 2003, BGBl I Nr 2003/71, bei Weitergeltung unter bestimmten Voraussetzungen (s §§ 253b, 607 Abs 10, 12 ASVG idF BBG 2003) zwar abgeschafft. Durch die Einführung der Korridorpension in § 4 Abs 2 APG schuf der Gesetzgeber im Dauerrecht aber erneut die Möglichkeit eines vorzeitigen Pensionsantritts, nun ab Vollendung des 62. Lebensjahres und mit Abschlägen für jeden Monat des früheren Pensionsantritts (§ 5 Abs 2 APG).
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit den Auswirkungen der Einführung der Korridorpension auf vom Dienstgeber bereits davor zugesicherte Überbrückungs oder Pensionsleistungen beschäftigt und wiederholt ausgesprochen, dass die Korridorpension gemäß § 4 Abs 2 APG eine gesetzliche Alterspension ist:
In dem der Entscheidung 9 ObA 62/07v zugrunde liegenden Sachverhalt sollte die Einberufung einer Kündigungskommission entbehrlich sein, wenn der Kündigungstermin nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Dienstnehmers liegt und dieser unmittelbar anschließend einen Anspruch auf Alterspension bzw vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer geltend machen kann. Die Bestimmung wurde auf die Korridorpension erstreckt, „weil sowohl vernünftigen Betriebspartnern als auch Arbeitsvertragspartnern zu unterstellen ist, dass sie bei Kenntnis einer weiteren Alterspensionsart wie der in § 4 Abs 2 APG geregelten auch diese in die Ausnahmeregelung aufgenommen hätte, weil auch dann der Zweck einer gesetzlichen Pensionssicherung erfüllt ist“.
In dem in der Entscheidung 9 ObA 10/09z zu beurteilenden Fall waren in mittels Pensionsordnung zugesicherte Ruhe- und Versorgungsgenüsse alle Leistungen einzurechnen, die der Angestellte bei ordnungsgemäßer Versicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung erworben hatte. Die Einrechnung war auch möglich, wenn eine einrechenbare Leistung mangels Geltendmachung nicht, in einem geringeren Ausmaß oder verspätet anfiel. Darunter wurde auch eine vom Dienstnehmer nicht in Anspruch genommene Korridorpension verstanden.
In der Entscheidung 9 ObA 14/11s war der Anspruch des Dienstnehmers auf eine Überbrückungsleistung „bis zum persönlich frühestmöglichen ASVG Pensionsbeginn“ bereits mit seinem Anspruch auf eine Korridorpension begrenzt, weil auch damit der Zweck seiner sozialen Absicherung erreicht werde.
Nach einer in der Entscheidung 9 ObA 14/12t zu beurteilenden Kollektivvertragsbestimmung waren auf die Übergangsversorgung Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung anrechenbar, wobei vorzeitige Alterspensionen ab dem gesetzlich frühest möglichen Anfallszeitpunkt auch dann fiktiv anrechenbar sein sollten, wenn bzw soweit sie infolge freiwilliger Weiterversicherung oder eigener Erwerbstätigkeit nicht gebührten. Zufolge des umfassend formulierten Wortlauts wurde darunter auch die Anrechnung einer Korridorpension als „vorzeitige Alterspension“ verstanden.
In der Entscheidung 9 ObA 52/07y scheiterte eine Gleichstellung der Korridorpension mit einer vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer lediglich an der Komplexität des dortigen Sozialplans, der auch eine vom Obersten Gerichtshof nicht vorzunehmende Anpassung anderer Eckpunkte (Einmalzahlung, Überbrückungszahlung, geringfügige Weiterbeschäftigung) erfordert hätte.
Auch im vorliegenden Fall sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass der undifferenziert weit und allgemein gefasste Verweis der Betriebsvereinbarung auf die „Versicherungsfälle des Alters“ und auf die „aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gebührenden Pensionen“ statisch zu verstehen wäre und nicht die aktuellen Formen einer gesetzlichen Alterspension erfassen sollte. Dass die Betriebsvereinbarungsparteien, wären sie in Kenntnis der Korridorpension gewesen, nicht auch diese miteinbeziehen hätten wollen, widerspräche auch ihrem Ziel, den Dienstnehmern einen dem Beamtendienstrecht nachgebildeten Anspruch auf eine Pension in Höhe von 80 % des Letztbezugs (§§ 4 und 5 des Pensionsstatuts) zu ermöglichen. Soweit der Beklagte das Ergebnis als absurd bezeichnet, weil er damit von Dienstnehmern wirtschaftlich geschädigt werden könnte, übersieht er, dass eine dynamische Auslegung der „Versicherungsfälle des Alters“ im Falle einer Anhebung des Pensionsalters auch zu seinen Gunsten ausfiele.
Da der Wortlaut, die Parteienabsicht und auch der Sinn und Zweck der §§ 2 und 9 des Pensionsstatus danach für die Maßgeblichkeit des Anspruchs eines Dienstnehmers auf eine Korridorpension sprechen, besteht zu den Entscheidungen der Vorinstanzen kein Korrekturbedarf.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00009.14K.0226.000