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OGH vom 27.02.2012, 9ObA9/12g

OGH vom 27.02.2012, 9ObA9/12g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. A***** F*****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 8.870,18 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert: 4.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 8.870,18 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 85/11s 20, womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 20 Cga 222/10i 16, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 698,04 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 116,34 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger steht im Rahmen eines Sondervertrags seit als Arzt im Dienst der Beklagten. Auf das Dienstverhältnis sind die Bestimmungen des Salzburger Landes Vertragsbedienstetengesetzes 2000 (L VBG) anzuwenden. Er begehrte mit seiner am eingebrachten Klage soweit hier relevant die Zahlung eines Betrags von 8.870,18 EUR brutto samt Zinsen an Überstundenzuschlägen für den Zeitraum Juni 2005 bis März 2007, die von der Beklagten fehlerhaft abgerechnet worden seien. Dem von der Beklagten erhobenen Einwand der Verjährung des Klagebegehrens hielt er entgegen, dass eine Verjährung mangels ordnungsgemäßer Überstundenabrechnung des Dienstgebers nicht eingetreten sei. Im weiteren Verlauf des Verfahrens brachte der Kläger vor, dass er erstmals mit Erhalt des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2008, daher etwa im März 2009, Verdacht geschöpft habe, dass die bis April 2007 vorgenommenen Überstundenabrechnungen der Beklagten nicht stimmen könnten. Er habe im Zug von Recherchen festgestellt, dass die Beklagte entgegen § 12b Abs 1 und 2 Salzburger Landes Beamtengesetz 1987 (L BG) Überstunden bei Kompensation mit Zeitausgleich im selben Monat nur im Verhältnis 1 : 1 abgerechnet habe. Aus dieser rechtlich unvertretbaren Abrechnung der Beklagten sei dem Kläger ein Schaden in Höhe des Klagebetrags entstanden. Dieser sei im Hinblick auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung ca im März 2009 gemäß § 1489 ABGB nicht verjährt.

Soweit für das Revisionsverfahren von Belang, hielt die Beklagte den Einwand der Verjährung aufrecht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auf das Dienstverhältnis der Streitteile seien gemäß § 22 L VBG betreffend die Dienstzeit die §§ 12 bis 12h L BG sinngemäß anzuwenden. Danach seien Überstunden nur solche, die gemäß § 12b Abs 1 L BG (in der hier anzuwendenden Fassung LGBl Nr 36/2003) über die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden hinaus geleistet worden seien. Solche habe der Kläger nicht geleistet, sodass der geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht bestehe, weshalb auf den Einwand der Verjährung nicht einzugehen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit dem angefochtenen Teilurteil die Abweisung des Leistungsbegehrens. Es führte, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, aus, dass das Leistungsbegehren bereits aufgrund des berechtigten Verjährungseinwands der Beklagten abzuweisen sei. Mit der im Oktober 2010 eingebrachten Klage habe der Kläger Überstundenentgelte für den Zeitraum Juni 2005 bis März 2007 geltend gemacht, die gemäß § 52 Abs 1 L VBG verjährt seien. Nach dieser Bestimmung müssten Ansprüche binnen drei Jahren, nachdem die anspruchsbegründende Leistung erbracht worden sei, geltend gemacht werden. Sogar die jüngsten geltend gemachten Forderungen, nämlich jene für im März 2007 geleistete Mehrstunden, lägen hier aber mehr als 3,5 Jahre vor Klagseinbringung. Auch gemäß § 1486 Z 5 ABGB seien die Ansprüche des Klägers verjährt. Der Lauf der Verjährungsfrist beginne unabhängig davon, ob der Berechtigte von seinem Anspruch wisse oder nicht, subjektive Hindernisse auf Seiten des Arbeitnehmers wie etwa die mangelnde Kenntnis des Anspruchs, haben in der Regel keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist. Daher komme es auf die Ausfolgung einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung hier nicht an. Es sei auch keine Verfallsklausel in einem Kollektivvertrag zu beurteilen. Im Übrigen habe der Kläger ohnehin eingeräumt, Gehaltsabrechnungen erhalten zu haben, aus denen sich Basisgehalt, bezahlte Überstunden und angewendete Zuschlagsformen entnehmen hätten lassen. Für den Kläger sei daher erkennbar gewesen, welche Leistungen der Dienstgeber berücksichtigt hatte, sodass auch aus dem Argument der fehlenden ordnungsgemäßen Lohnabrechnung für ihn nichts zu gewinnen sei. Der Kläger könne die Verjährung nicht dadurch umgehen, dass er seinen Anspruch auf Überstundenentlohnung auch als Schadenersatz geltend mache. Die bloße Bezeichnung des Anspruchs auf das angeblich vorenthaltene Überstundenentgelt als Schadenersatz ändere an der Art des Anspruchs nichts. Ein vom angeblich vorenthaltenen Überstundenentgelt abgrenzbarer Schaden sei weder ersichtlich, noch vom Kläger behauptet worden. Es stehe auch nicht im Belieben des Klägers, während eines aufrechten Dienstverhältnisses anstelle der Erfüllung der Hauptleistungspflicht durch den Dienstgeber das Erfüllungsinteresse wegen der angeblichen Verletzung einer Nebenpflicht des Dienstgebers aus dem Dienstverhältnis zur Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung zu verlangen. § 1489 ABGB komme daher nicht zur Anwendung, weshalb die Abweisung des Leistungsbegehrens zu Recht erfolgt sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch gegen den Dienstgeber auf Überstundenentlohnung auch auf Schadenersatz wegen unsachgemäßer Gehaltsabrechnung gestützt werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Der Beginn der Verjährungsfrist knüpft grundsätzlich an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung an; subjektive oder nur in der Person des Berechtigten liegende Hindernisse haben in der Regel auf den Beginn der Verjährung keinen Einfluss ( M. Bydlinski in Rummel ³ § 1478 Rz 2 mwN; RIS Justiz RS0034248; RS0034547). Die Frage, wann diese objektive Möglichkeit gegeben ist, hängt jedoch regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0034382). Ob im Einzelfall auch eine andere rechtliche Lösung vertretbar wäre, begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0114267 [T1]). Das gleiche gilt für die Auslegung des Vorbringens einer Partei durch das Berufungsgericht (RIS Justiz RS0042828; 8 ObA 4/11p). Auch die Frage, ob von einer für die Verjährung maßgeblichen bloßen Sachverhaltsergänzung, Änderung der rechtlichen Qualifikation eines Vorbringens, oder von einer Klagsänderung auszugehen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (2 Ob 143/10h = RIS Justiz RS0039417 [T5]; 6 Ob 234/04m) und begründet daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

2. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ungeachtet seiner Bezeichnung als Schadenersatzanspruch inhaltlich als Entgeltanspruch anzusehen ist, ist nach den Umständen des konkreten Falls jedenfalls vertretbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger seinen Anspruch nur „primär“ auf den Titel des Schadenersatzes stützt, daher selbst nach seinem eigenen Vorbringen unverändert weiterhin einen wenn auch als Schadenersatzanspruch bezeichneten Anspruch auf Bezahlung von Überstundenvergütungen geltend macht. Einen vom ursprünglich geltend gemachten Entgeltanspruch verschiedenen Schadenersatzanspruch hat der Kläger gar nicht behauptet. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich daher im konkreten Fall nicht.

3. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Überstundenvergütung auf die Bestimmungen des L VBG gestützt, sodass das Berufungsgericht zutreffend § 52 L VBG angewandt hat. § 52 L VBG ist eine dem § 18a VBG weitgehend entsprechende Sonderbestimmung zur Verjährung, die ebenso wie § 18a VBG den Beginn der Verjährung nicht erst mit der Fälligkeit des Entgelts, sondern bereits mit der Leistungserbringung vorsieht ( Preiss in ZellKomm² § 1486 ABGB Rz 16). Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung hier gemäß § 52 Abs 1 L VBG verjährt ist, weil der Kläger die anspruchsbegründenden Arbeitsleistungen weit mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage erbracht hat, setzt der Kläger in der Revision nichts entgegen. Mit seinen Ausführungen in der Revision, dass Verjährung gemäß § 1486 Z 5 ABGB (der hier allenfalls subsidiär zur Anwendung gelangen könnte, vgl zum VBG SZ 32/60, RIS Justiz RS0034199; 9 ObA 32/01y, 33/01w) nicht eingetreten sei, weil die Beklagte keine ordnungsgemäßen Überstundenabrechnungen erbracht habe, zeigt er schon daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Auf einen Verfall der Ansprüche des Klägers vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist hat sich die Beklagte gar nicht berufen, sodass aus den in der Revision zitierten Entscheidungen 9 ObA 92/01x und 8 ObA 62/02d für den Kläger nichts zu gewinnen ist.

4. Ausgehend davon bedarf es im konkreten Fall keiner Auseinandersetzung mit den Bestimmungen der §§ 12a und 12b L BG (aF) und den vom Kläger gegen diese angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, wobei allerdings das Feststellungsbegehren nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens und daher nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.