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OGH vom 24.05.2019, 8ObS4/19z

OGH vom 24.05.2019, 8ObS4/19z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Thomas Juen, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, Geschäftsstelle Innsbruck, 6020 Innsbruck, Meraner Straße 1, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 26.763 EUR sA (Insolvenz-Entgelt), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 210 Rs 8/18z-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 2 ASGG,§ 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger, der in den letzten Jahren bereits sieben andere Anträge auf Insolvenz-Entgelt gestellt hat, schloss mit der später insolventen Geselllschaft am einen „Vertrag über gewerberechtliche Geschäftsführung und Dienstvertrag“. Er hatte zu diesem Zeitpunkt „eine Baumeisterkonzession frei“ und sollte aufgrund dieser seiner einschlägigen Befähigung die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers als Dienstnehmer mit einem Arbeitszeitausmaß von 20 Wochenstunden für die Schuldnerin übernehmen. Es wurden keine bestimmten Dienstzeiten oder konkreten Leistungen vereinbart.

In Punkt X. des vom Kläger selbst verfassten Vertrags heißt es: „Das gegenständliche Vertrags- und Dienstverhältnis beginnt mit Unterfertigung dieses Vertrages, Anmeldung bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, aufrechter Betriebshaftpflichtversicherung, sowie sämtlichen Eintragungen bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Stadt (Gewerbeschein)“.

Der Kläger hat nach dem keinerlei Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbracht, wäre aber grundsätzlich dazu bereit gewesen. Von der Gesellschaft wurde er nicht zu einer Arbeitsleistung aufgefordert.

Der Kläger versuchte ab Anfang Juni 2014, mit der Gesellschaft in Kontakt zu treten. Mangels Gehaltszahlung wandte er sich an die Arbeiterkammer, die am ein Forderungsschreiben an die Gesellschaft richtete und mangels Reaktion am im Namen des Klägers dessen vorzeitigen Austritt erklärte.

Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Ansprüche des Klägers nicht nach § 1 Abs 2 IESG gesichert sind, weil der Kläger seine Tätigkeit noch nicht aufgenommen und das Dienstverhältnis nicht angetreten habe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers vermag keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

1. Die Revision vertritt die Auffassung, die vom Berufungsgericht herangezogene höchstgerichtliche Rechtsprechung über die Sicherung vorvertraglicher Ansprüche (insb RISJustiz RS0115454) sei für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Den unter dem zitierten Rechtssatz zusammengefassten Entscheidungen lägen Anlassfälle zu Grunde, in denen das Vertragsverhältnis bereits vor dem vereinbarten Dienstbeginn geendet habe. Im vorliegenden Fall stehe hingegen fest, dass der Kläger sofort mit der Arbeit beginnen hätte sollen und dazu auch bereit gewesen wäre. Es dürfe ihm nicht zur Last fallen, dass die Dienstgeberin seine vereinbarte Leistung nicht in Anspruch genommen habe.

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt (RS0115454 = 8 ObS 141/01w, 8 ObS 5/03y mwN) dargelegt, dass die in § 1 Abs 2 IESG angeführten Ansprüche aus einem „Arbeitsverhältnis“ grundsätzlich erst ab dem tatsächlichen Antritt der Arbeit entstehen (vgl im Übrigen auch VwGH 2013/08/0222 mwN). Ein dem vorliegenden Sachverhalt ähnlicher Fall war schon Gegenstand der Entscheidung zu 8 ObS 5/03y. Dort wurde ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen, jedoch kein konkreter Antrittszeitpunkt vereinbart, sondern der Arbeitnehmer sollte dazu auf einen Anruf des Arbeitgebers warten, der aber nicht erfolgte. Obwohl der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats mehrmals im Büro des Dienstgebers vergeblich wegen des Dienstantritts nachgefragt hatte, beurteilte der Oberste Gerichtshof die geltend gemachten Ansprüche als nicht gesichert. Er hielt dazu fest, dass die Funktion der Entgeltleistung als Gegenleistung des Arbeitgebers für die Überlassung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers bei einem derartigen Sachverhalt nicht verwirklicht sei. Die bloße Bereitschaft zum Arbeitsantritt wurde nicht mit der Arbeitsbereitschaft im Sinne der Rechtsprechung gleichgesetzt.

3. Wann von einem Arbeitsantritt im Sinne dieser Rechtsprechung auszugehen ist, kann naturgemäß nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 12 ZPO dar.

4. Hier waren konkrete Tätigkeiten und Arbeitszeiten – über die Wiederholung der für die Erlangung der Gewerbeberechtigung notwendigen verba legalia hinaus – weder im Vertrag vereinbart, noch wurde der Kläger je zu einer Leistung aufgefordert oder hat diese erbracht. Er hat bis zu seinem Austritt keine Anstalten unternommen, den Verpflichtungen eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nachzukommen, beispielsweise sich näher über den beabsichtigten Betrieb und das Personal zu informieren, Zugang zur Betriebsstätte zu begehren und allenfalls die operativen Geschäftsführer in gewerblicher Hinsicht zu beraten. Ein konkreter Dienstantritt konnte nicht festgestellt werden. Es war den Vertragsparteien unbenommen, schon für die Zeit ab Antragstellung bei der Gewerbebehörde eine Entgeltvereinbarung zu treffen, schließlich konnte der Kläger seine Gewerbebefähigung in dieser Phase nicht mehr anderweitig verwerten.

5. Die Revision vermag ausgehend von den konkreten Feststellungen nicht darzustellen, inwieweit die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein konkreter Arbeitsantritt im Sinne der dargestellten Rechtsprechung nicht nachgewiesen wurde, unvertretbar wäre.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBS00004.19Z.0524.000

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