OGH vom 19.12.2018, 8ObS4/18y

OGH vom 19.12.2018, 8ObS4/18y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. TarmannPrentner und Mag. WesselyKristöfel sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Hubert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 520 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 68,59 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 36/18w11, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 25 Cgs 199/17t7, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 125,76 EUR (darin 20,96 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom bis bei C***** als Küchenhilfe beschäftigt. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom wurde das Begehren der Klägerin auf Zahlung der gesetzlichen Abfertigung von 22.265,52 EUR brutto samt 8,58 % Zinsen seit abgewiesen, weil die Billigkeitsprüfung nach § 23 Abs 2 AngG iVm § 2 Abs 1 Arbeiter-Abfertigungsgesetz ergab, dass sich die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers derart verschlechtert hatte, dass ihm die (gänzliche oder teilweise) Zahlung der Abfertigung nicht zumutbar war.

Die Beklagte erkannte der Klägerin mit Bescheid vom Insolvenz-Entgelt von 26.513 EUR netto zu (Abfertigung von 20.930 EUR netto zuzüglich Kosten des Cga-Verfahrens von 5.583 EUR), lehnte jedoch mit Bescheid vom die Gewährung eines weiteren Insolvenz-Entgelts von 520 EUR ab.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 520 EUR. Sie habe unter sinngemäßer Anwendung des § 3 Abs 2 IESG Anspruch auf 8,58 % Zinsen für die Abfertigung vom bis zum Stichtag . Hilfsweise werde der Anspruch auf § 1333 ABGB gestützt.

Die Beklagte wandte ein, es bestehe in den Fällen des § 1a IESG weder ein nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG gesicherter (aufrechter) Anspruch noch ein Stichtag iSd § 3 Abs 1 IESG, sodass sich gemäß § 3 Abs 2 IESG auch kein Anspruch der Klägerin auf Zinsen ergebe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung der Klägerin teilweise Folge und sprach ihr unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 451,41 EUR Insolvenz-Entgelt von 68,59 EUR zu.

Dabei stützte es sich auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu 8 ObS 11/99x und 8 ObS 77/99b, wonach Insolvenz-Ausfallgeld auch für Zinsen für nach § 1a IESG gesicherte Ansprüche auf Abfertigung gebührt. Die Änderung des § 3 Abs 2 IESG durch das Budgetbegleitgesetz 2001 bedeute nicht, dass dem Arbeitnehmer, der einen derartigen Anspruch geltend mache, keine Zinsen mehr zustünden, sondern nur, dass auch der Zinsenlauf für eine nach § 1a IESG gesicherte Abfertigung mit dem Stichtag begrenzt werde. Dem Anspruchsberechtigten stünden im Falle der Abweisung eines Abfertigungsanspruchs aus den Gründen des § 23 Abs 2 AngG bis zur Zustellung des ihm gegenüber rechtskräftig gewordenen Urteils die gesetzlichen Zinsen von 4 % zu, auch wenn in § 3 Abs 1 IESG dieser Zeitpunkt nicht als Stichtag genannt werde. Dafür, dass der Gesetzgeber einem Arbeitnehmer, der seinen Anspruch (nur) auf § 1a IESG gründen könne, überhaupt keine Zinsen gewähren wollte, bestünden keine Anhaltspunkte. Von Amts wegen sei allerdings zu beachten gewesen, dass gemäß § 23 Abs 4 AngG nicht der gesamte Abfertigungsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden sei. Der Klägerin seien daher die Zinsen von 4 % nach der gemäß § 23 Abs 4 AngG gestaffelten Fälligkeit für den Zeitraum 1. 1. bis zuzusprechen gewesen.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil – soweit überblickbar – neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob für gemäß § 1a IESG gesicherte Abfertigungen Zinsen überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe zustünden, nicht existiere und dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten würden.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO); sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass Insolvenz-Ausfallgeld (Insolvenz-Entgelt) auch für Zinsen für nach § 1a IESG gesicherte Ansprüche auf Abfertigung in dem in § 3 Abs 2 IESG genannten Ausmaß gebührt, wobei sich die Frist nach § 1a Abs 3 Z 3 (nunmehr Abs 4 Z 3) IESG richtet. Liegt den Zinsen nach § 3 Abs 2 IESG kein originärer Anspruch gegen den Arbeitgeber zugrunde, kommt eine Anwendung des § 49a ASGG nicht in Frage, sondern stehen nur die gesetzlichen Zinsen nach ABGB zu (RIS-Justiz RS0111495; RS0107146 [T1]).

2.1 Daran hat sich auch durch die Novellierung des § 3 Abs 2 IESG durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, nichts geändert. Nach dieser Bestimmung gebührt Insolvenz-Entgelt für Zinsen für die gemäß § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG gesicherten Ansprüche nunmehr ab der Fälligkeit dieser Ansprüche bis zum Stichtag (§ 3 Abs 1 IESG). Mit dieser Neuregelung sollte der zuvor bis zu sechs Monate nach der Insolvenzeröffnung bestehende Anspruch auf Insolvenz-Entgelt für Zinsen bis zur Insolvenzeröffnung begrenzt und so eine Übereinstimmung mit den Vorschriften des Insolvenzrechts erzielt werden, wonach Zinsen nur bis zur Verfahrenseröffnung angemeldet werden können (ErlRV 311 BlgNR 21. GP 212; Reissner in Reissner, Arbeitsverhältnis und Insolvenz5§ 1 IESG Rz 295; Liebeg, IESG3§ 3 Rz 29; s auch 8 ObS 24/05w).

2.2 § 3 Abs 1 IESG, auf den § 3 Abs 2 IESG verweist, versteht unter Stichtag den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Anordnung der Geschäftsaufsicht bzw den Zeitpunkt eines Beschlusses nach § 1 Abs 1 Z 2 bis 6 IESG.

Stichtag ist damit jener Zeitpunkt, in dem der insolvenzrechtliche Tatbestand wirksam geworden ist, der den Anspruch auf Insolvenz-Entgelt begründet (Sundl in Reissner, Arbeitsverhältnis und Insolvenz5§ 3 IESG Rz 3).

Dass der für den Eintritt des Sicherungstatbestands des § 1a IESG maßgebliche Zeitpunkt in § 3 Abs 1 IESG nicht ausdrücklich genannt wird, schadet nicht.

3.1 Bei den Ansprüchen nach § 1a Abs 1 IESG handelt es sich um eine Erweiterung der gesicherten Ansprüche „zur Vermeidung sozialer Härten“ (8 ObS 11/99x; 8 ObS 77/99b). § 1a IESG sieht gewisse, sich aus der von den sonstigen gesicherten Ansprüchen abweichenden Konstruktion ergebende, Sonderbestimmungen vor. So ist etwa gemäß § 1a Abs 4 Z 1 IESG das Vorliegen eines Insolvenztatbestands iSd § 1 Abs 1 IESG nicht erforderlich. Im Übrigen gelten aber nach § 1a Abs 4 IESG „die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes“ (idS auch 8 ObS 11/99x; 8 ObS 77/99b; Reissner aaO § 1a Rz 17).

3.2 § 1a IESG enthält (nach wie vor) keine (eigene) Regelung für Zinsen. Aus dem Verweis auf die Bestimmungen des IESG in § 1a Abs 4 IESG folgt aber die (sinngemäße) Geltung des § 3 Abs 2 IESG (zur alten Rechtslage: 8 ObS 11/99x; 8 ObS 77/99b).

Diese Ansicht vertritt auch Reissner (aaO § 1a Rz 22), dem sich Sundl (aaO § 3 Rz 26) anschließt. Die Revisionswerberin meint demgegenüber mit Liebeg (aaO § 1a Rz 4), für gesetzliche Zinsen stünde kein Insolvenz-Entgelt zu, weil insofern ein originärer Anspruch gegen den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis nicht vorliege und die Neufassung des § 3 Abs 2 IESG durch das Budgetbegleitgesetz 2001 die systemwidrige Sicherung bestimmter Zinsen beseitigt habe. Dazu ist allerdings – wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 8 ObS 11/99x und 8 ObS 77/99b ausgeführt hat – darauf hinzuweisen, dass es sich schon bei dem Grundanspruch nach § 1a Abs 1 IESG um einen von einem Anspruch gegen den Arbeitgeber losgelösten insolvenzentgeltgesicherten Anspruch des Arbeitnehmers handelt, sodass nicht erkennbar ist, warum dies gerade für die Frage der Zinsen nicht gelten sollte.

Weder dem Gesetzestext noch den Materialien zur Novelle BGBl I 2000/142 ist zu entnehmen, dass durch die Neufassung des § 3 Abs 2 IESG Arbeitnehmer mit nach § 1a IESG gesicherten Ansprüchen gegenüber Arbeitnehmern mit nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG gesicherten Ansprüchen schlechter gestellt werden sollten. Durch die Einführung des § 1a IESG aus Billigkeitsgründen war vielmehr eine Gleichstellung dieser Arbeitnehmer beabsichtigt (s dazu auch 8 ObS 11/99x; 8 ObS 77/99b).

4. Der Sicherungstatbestand des § 1a Abs 1 IESG setzt das Vorliegen eines Urteils voraus, welches feststellt, dass die persönliche Wirtschaftslage des Arbeitgebers die Erfüllung der Abfertigungszahlung unzumutbar macht (Gahleitner aaO § 1a Rz 2; s auch ErlRV 738 BlgNR 18. GP 5). Da mit dem Vorhandensein eines derartigen Urteils der den Anspruch auf Insolvenz-Entgelt begründende Tatbestand eingetreten ist, hat das Berufungsgericht zu Recht darauf abgestellt und Zinsen – wie von der Klägerin begehrt – bis zum Tag der Erlassung des Urteils zuerkannt. Ob Zinsen – wie das Berufungsgericht meint – darüber hinaus bis zur Zustellung der Entscheidung zustünden, bedarf hier keiner Klärung.

5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch seit der Neufassung des § 3 Abs 2 IESG durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, Insolvenz-Entgelt für Zinsen für nach § 1a IESG gesicherte Ansprüche auf Abfertigung in dem in § 3 Abs 2 IESG genannten Ausmaß gebührt. Der Zinsenlauf ist seither jedoch mit der Erlassung des Urteils über den Entfall der Abfertigung gemäß § 23 Abs 2 AngG,§ 22 Abs 2 Gutsangestelltengesetz oder einer vergleichbaren Rechtsvorschrift begrenzt und beschränkt sich – wie bisher – mangels Verzugs des Arbeitgebers auf die gesetzlichen Zinsen von 4 % (§ 1333 Abs 1 ABGB iVm § 1000 Abs 1 ABGB).

6. Der Revision ist aus diesen Gründen kein Erfolg beschieden.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBS00004.18Y.1219.000

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