OGH vom 30.04.1997, 9ObA89/97x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Lothar Sch*****, Rechtsanwalt, *****, wider die beklagte Partei M***** St***** GesmbH, ***** wegen S 2.641 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 17/97m-6, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 8 Cga 4/97h-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird aufgetragen, das gesetzliche Verfahren über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund durchzuführen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt restliches Honorar für seine rechtsfreundliche Vertretung der Beklagten im Verfahren des ASG Wien 8 Cga 51/96v in der Höhe von S 2.641 sA. Die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes gründet er auf § 94 Abs 2 JN.
Das Erstgericht wies die Klage zurück, weil die Honorarforderung für rechtsfreundliche Vertretung keine Arbeitsrechtssache im Sinne der §§ 50 f ASGG sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Es vertrat die Rechtsansicht, daß sich die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien ausschließlich auf Arbeits- und Sozialrechtssachen beziehe. Schon vor Inkrafttreten des ASGG sei der Standpunkt vertreten worden, daß § 94 JN im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht angewendet werden könne. Auch mit Inkrafttreten des ASGG sei keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Mangels Vorliegens einer Arbeitsrechtssache sei die Zuständigkeit des angerufenen Arbeits- und Sozialgerichtes nicht gegeben.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des ordentlichen Verfahrens aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil zur Anwendbarkeit des § 94 Abs 2 JN im arbeitsgerichtlichen Verfahren seit Inkrafttreten des ASGG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt.
Der Rekurs ist auch berechtigt.
Zum Unterschied von den bisher für Arbeitsgerichte und Schiedsgerichte der Sozialversicherung geltenden Regelungen gehört die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit seit dem ASGG (BGBl 1985/104) zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Daraus folgt, daß auch diesem Zweig der Gerichtsbarkeit die volle Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte zukommt und daß grundsätzlich "soweit nichts anderes angeordnet ist" die für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen geltenden Vorschriften anzuwenden sind. Dies bedeutet, daß ua insbesondere die JN und die ZPO und deren Einführungsgesetze im Bereich der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit Geltung besitzen (Feitzinger/Tades, ASGG, 12; Kuderna ASGG**2, 71 mwN).
Während Fasching (Komm I 463) die Anwendbarkeit des § 94 Abs 2 JN auch bisher bejaht hat, haben Stanzl (Arbeitsgerichtliches Verfahren 110) und auch die Judikatur (Arb 7.571, 9.271) dies abgelehnt. Infolge der Zuständigkeitsbestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes als einer speziellen Regelung sei eine Anwendung der nicht darin enthaltenen Zuständigkeitsbestimmungen der JN auch im Wege der analogen Anwendung unzulässig.
Durch den im ASGG eingeräumten grundsätzlich nur durch die Bestimmungen des ASGG selbst eingeschränkten Geltungsbereich von JN und ZPO ist die Anwendung des § 94 Abs 2 JN, nämlich des Gerichtsstandes des Hauptprozesses für Klagen der Prozeß- und Zustellungsbevollmächtigten wegen ihrer Gebühren und Auslagen nicht mehr ausgeschlossen, so daß eine Kostenklage nach § 94 Abs 2 JN auch beim Arbeits- und Sozialgericht eingebracht werden kann (vgl Kuderna, aaO 113). Die ratio dieses Gerichtsstandes liegt ja darin, daß das Gericht des Hauptprozesses die Honoraransprüche am besten beurteilen kann (Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes**2, 336;
SZ 29/40). Durch die vom Gesetz begründete individuelle Zuständigkeit erübrigt sich auch die Frage der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit (Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht**2 41;
Fasching, Lehrbuch**2 Rz 305; Rechberger/Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechtes4 Rz 134), so daß auch nicht zu prüfen ist, ob es sich bei den geltend gemachten Angelegenheiten um eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 ASGG handelt. Die sachliche Unzuständigkeit für die keine Arbeitsrechtssache bildenden Kostenklagen der Prozeßbevollmächtigten hindert nach § 95 Abs 1 JN die Einbringung der Klage nicht. Die auf Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG abgestellte Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 1 ASGG, "auch" einen über die in § 4 ASGG eingeräumten Wahlgerichtsstände hinausgehenden Gerichtsstand der JN in Anspruch zu nehmen (Kuderna aaO, 78), ist kein Argument gegen die Anwendung des § 94 Abs 2 JN. Dieser begründet völlig selbständig die individuelle Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.