VfGH vom 17.03.2005, b159/04

VfGH vom 17.03.2005, b159/04

Sammlungsnummer

17515

Leitsatz

Keine objektive Willkür durch Abweisung des Antrags auf Ausstellung einer Geburtsurkunde in slowenischer Sprache seitens des Standesamtes in Klagenfurt; vertretbare Auslegung der Geltung der diesbezüglichen Verpflichtung im Volksgruppengesetz nur für die in den Amtssprachenverordnungen genannten Gemeinden

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Für die am in Klagenfurt geborene Beschwerdeführerin wurde vom Standesamt des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt am eine in deutscher Sprache verfasste Geburtsurkunde ausgestellt.

Anlässlich der Ausstellung dieser Geburtsurkunde stellte der Vater der Beschwerdeführerin - gestützt auf § 20 des Volksgruppengesetzes (im Folgenden: VoGrG) - den Antrag auf Erteilung einer Ausfertigung der Geburtsurkunde in slowenischer Sprache. Daraufhin wurde dem Einschreiter eine durch eine gerichtlich beeidete Dolmetscherin hergestellte, amtlich beglaubigte Übersetzung der eingangs erwähnten Geburtsurkunde in die slowenische Sprache |bermittelt.

1.2. In der Folge beantragte der Vater der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom neuerlich die Übermittlung einer von der zuständigen Behörde erstellten Ausfertigung der Geburtsurkunde in slowenischer Sprache. Begründend führte er aus, dass die übermittelte beglaubigte Übersetzung keine Ausfertigung iSd. § 20 VoGrG darstelle. Für den Fall, dass diesem Begehren nicht nachgekommen werde, wurde eine bescheidmäßige Erledigung beantragt.

Gleichzeitig teilte der Einschreiter mit, dass er angesichts des gleich gelagerten, beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 97/01/1010 anhängigen Verfahrens betreffend die Ausstellung einer Geburtsurkunde in slowenischer Sprache für L V (die Schwester der Beschwerdeführerin im hier vorliegenden verfassungsgerichtlichen Verfahren) einer Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen trete.

Die Entscheidung in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren erging mit Erkenntnis vom . (Mit diesem wurde der einen Antrag auf Erteilung einer Ausfertigung einer Geburtsurkunde in slowenischer Sprache zurückweisende Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - Verletzung der Beschwerdeführerin im Recht auf meritorischen Abspruch über das Bestehen des von ihr behaupteten Anspruches auf eine derartige Ausfertigung der Geburtsurkunde - aufgehoben.)

1.3. Mit einer weiteren Eingabe vom wurde der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt ausdrücklich von dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes verständigt und gleichzeitig beantragt, (auch) im Falle der Beschwerdeführerin eine Geburtsurkunde in slowenischer Sprache auszustellen, widrigenfalls bescheidmäßig über dieses Begehren abzusprechen.

Da der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt dem nicht nachkam, wurde am ein Devolutionsantrag an den Landeshauptmann von Kärnten gerichtet.

Mangels Entscheidung des Landeshauptmannes von Kärnten wurde im Devolutionsweg der Bundesminister für Inneres angerufen, der jedoch ebenfalls nicht entschied.

1.4. Daraufhin erhob die Beschwerdeführerin am Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser leitete das Vorverfahren ein und forderte den Bundesminister für Inneres auf, den versäumten Bescheid binnen drei Monaten zu erlassen. Dieser Aufforderung kam der Bundesminister für Inneres mit dem hier angefochtenen Bescheid vom nach, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin - unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2002/18/0152 (betreffend die Abweisung des in einer Säumnisbeschwerde gestellten Antrages auf Ausstellung einer Geburtsurkunde in slowenischer Sprache mangels einer diesbezüglichen gesetzlichen Verpflichtung) - abgewiesen wurde.

Begründend wird dazu im hier angefochtenen Bescheid va.

Folgendes ausgeführt:

"Dazu wurde, in der Sache selbst insbesondere unter Hinweis auf das jüngst ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zahl: 2062/19/152-4 [richtig: 2002/18/0152], erwogen:

...

§ 20 Abs 2 VGG normiert, dass 'auf Verlangen ... Auszüge aus Personenstandsbüchern und sonstige Urkunden vom Standesamt als Übersetzung in die Sprache der Volksgruppe zu erteilen' [sind]. Das bedeutet aber nicht, dass damit ein von allen Standesämtern in Österreich geltend zu machendes Recht eingeräumt werden sollte.

Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Art 7 Z 3 Staatsvertrag von Wien, BGBl. Nr. 152/1955 (StV Wien), dessen Umsetzung eine der Zielsetzungen des VGG ist, das Recht auf Verwendung der slowenischen und kroatischen Sprache als zusätzliche Amtssprache nur territorial beschränkt einräumt, nämlich in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung. Ein eindeutiger Hinweis, dass der Gesetzgeber bezüglich des örtlichen Anwendungsbereiches des Rechts, auf Verlangen eine Personenstandsurkunde in der Volksgruppensprache ausgestellt zu erhalten, über die sich aus dem StV Wien ergebende Verpflichtung hinausgehen wollte, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Materialien.

Die Landeshauptstadt Klagenfurt ist in der - abschließenden (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V91/99) - Aufzählung des § 2 Abs 1 und Abs 2 der Verordnung der Bundesregierung vom , BGBl. Nr. 307/1977, über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, nicht enthalten.

Die Personenstandsbehörde war daher nicht verpflichtet, die Urkunde in slowenischer Sprache auszustellen; der Antrag war daher abzuweisen."

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß Art 144 B-VG wird die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

3. Der Bundesminister für Inneres als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

4. Im verfassungsgerichtlichen Vorverfahren wurde auch dem Landeshauptmann von Kärnten sowie dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes Gelegenheit gegeben, sich zu äußern. Der Landeshauptmann von Kärnten erstattete keine Stellungnahme. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes äußerte sich iW wie folgt:

"Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst ist der Auffassung, dass einiges dafür spricht, § 20 Abs 2 VoGrG hinsichtlich seines örtlichen Anwendungsbereichs ebenso auszulegen wie die §§13 ff. leg. cit., sodass das Recht auf Ausstellung von Urkunden in der Volksgruppensprache, soweit eine unmittelbare Anwendung des Art 7 Z 3 StV Wien in Betracht kommt, in Gebieten mit gemischter Bevölkerung zusteht, im Übrigen aber jedenfalls nur bei jenen Behörden, die in einer Verordnung gemäß § 2 Abs 1 Z 3 VoGrG genannt sind.

...

Auch wenn man davon ausgeht, dass § 20 Abs 2 VoGrG österreichweit anwendbar ist, ist die Beschwerdeführerin nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst durch den angefochtenen Bescheid in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.

Die Beschwerdeführerin selbst macht nur eine Verletzung des Art 7 Abs 1 B-VG - offenbar wegen Willkür der belangten Behörde - geltend. Anders als in dem dem Erkenntnis VfSlg. 14.452/1996 zugrunde liegenden Fall, in dem der Verfassungsgerichtshof eine Verletzung im Recht auf Gleichheit durch Willkürübung bejaht hat, hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber ausdrücklich auf § 20 Abs 2 VoGrG bezogen und begründet, warum sie die Anwendbarkeit dieser Bestimmung verneint hat. Ausgehend davon ist der belangten Behörde nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst allenfalls eine unrichtige, keinesfalls aber eine willkürliche Gesetzesanwendung vorzuwerfen."

II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein - objektiv - willkürliches Verhalten ist der Behörde unter anderem dann vorzuwerfen, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).

2. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor:

Die belangte Behörde hat - anders als in dem mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14.452/1996 entschiedenen Fall - über den hier in Rede stehenden Antrag auf Grund der maßgeblichen Sondernorm des § 20 Abs 2 VoGrG entschieden. Dabei ist sie - gestützt auf die nunmehr vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (), die sich ihrerseits auf die im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vertretenen Lehrmeinungen beruft, - im Wesentlichen zur Auffassung gelangt, dass die in § 20 Abs 2 VoGrG normierte Verpflichtung nur die Standesämter der in den Amtssprachenverordnungen genannten Gemeinden treffe; da die Landeshauptstadt Klagenfurt in der Aufzählung der hier in Betracht kommenden Amtssprachenverordnung aber nicht genannt sei, sei die Personenstandsbehörde im vorliegenden Fall nicht verpflichtet gewesen, die begehrte Urkunde in slowenischer Sprache auszufertigen.

Diese Rechtsauffassung, insbesondere die genannte Auslegung der einfachgesetzlichen Rechtsvorschrift des § 20 Abs 2 VoGrG, ist jedenfalls vertretbar. Ausgehend davon kann aber der belangten Behörde im vorliegenden Fall (objektive) Willkür nicht vorgeworfen werden.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.