OGH vom 22.06.2005, 13Os52/05d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer in der Maßnahmensache der Gertrude K***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Steyr vom , GZ 11 Hv 9/05m-114, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Steyr verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gertrude K***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil sie „in der Zeit zwischen 11. und in Wolfern unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, dadurch, dass sie es unterließ (§ 2 StGB), dafür zu sorgen, dass ihre siebzehnjährige Tochter Martina K***** ausreichend Nahrungsmittel und Flüssigkeit zugeführt bekam bzw dass ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wurde, vorsätzlich die Martina K***** getötet", mithin eine Tat begangen hat, die ihr außer diesem Zustand als Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB zuzurechnen gewesen wäre und die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Die Geschworenen haben die anklagekonform auf das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gerichtete Hauptfrage und die Zusatzfrage nach einem zur Tatzeit gegebenen schuldausschließenden Zustand im Sinn des § 11 StGB bejaht.
Rechtliche Beurteilung
Die Betroffene bekämpft das Urteil mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6 und 11 lit a StPO gestützten, aus dem Grund der Z 6 berechtigten Nichtigkeitsbeschwerde.
Unzutreffend ist allerdings der Einwand (Z 6), die Hauptfrage habe mangels Anführung des zur Erfüllung des Tatbestandes nach § 75 StGB nötigen Vorsatzes nicht der Vorschrift des § 312 Abs 1 StPO entsprochen. Mit Blick auf § 7 Abs 1 StGB, wonach nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, kam nur vorsätzliche Begehung in Betracht. In die Frage aber war der Vorsatz nicht aufzunehmen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 12, § 345 Rz 33).
Ein Vorbringen, das eine Eventualfrage wegen des Verbrechens nach § 93 Abs 1 und 3 StGB indiziert hätte, wird mit den in der Beschwerde gegebenen Hinweisen auf Zeugenaussagen nicht aufgezeigt. Zu Recht wird jedoch das Unterbleiben einer Eventualfrage nach dem Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB gerügt (Z 6). Die Betroffene sagte in der Hauptverhandlung, wie die Beschwerde hervorhebt, aus, sie habe gehofft, dass ihre Tochter wieder gesund werde (S 373, 395/III). Aussagen von Zeugen, die in der Beschwerde genannt sind, zeigten die gleiche Möglichkeit auf (S 418, 429 f/III). Die angesprochene Hoffnung auf das Ausbleiben des Todes ihrer Tochter stellte die Willenskomponente des der Betroffenen angelasteten Tatvorsatzes in Frage (vgl dazu etwa Leukauf/Steininger, Komm³ § 5 Rz 16a, 17).
In der Hauptverhandlung wurden demnach auch Tatsachen vorgebracht (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42), die im Fall ihrer Annahme (worüber allein die Geschworenen zu entscheiden haben) eine andere rechtliche Beurteilung nach sich zögen als die Annahme des in der Hauptfrage genannten Tatgeschehens.
Der Schwurgerichtshof war daher, wie zu Recht vorgebracht wird, zur Stellung einer Eventualfrage nach dem Tatbestand des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB verpflichtet (§ 314 Abs 1 StPO). In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 35 Abs 2 zweiter Satz StPO) war somit der Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Erneuerung des Verfahrens anzuordnen (§§ 344, 285e StPO). Mit der Berufung war die Betroffene auf diese Entscheidung zu verweisen.