VfGH vom 25.06.2013, B957/2011 ua
19761
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung von Anträgen im Zusammenhang mit der Beendigung des kurativen Einzelvertrags eines Arztes mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze; keine Bedenken gegen die Einführung einer Altersgrenze von 70 Jahren auch für bestehende Einzelverträge angesichts des zulässigen Ziels der Erleichterung eines angemessenen Generationenwechsels; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; stufenweise Übergangsregelungen im Gesamtvertrag unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz gesetzlich vorgesehen; einjährige Vorbereitungszeit für über 70-jährige Vertragsärzte unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausreichend
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem ver fassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt und Verfahrensgeschehen
1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin und steht jeweils in einem kurativen Einzelvertragsverhältnis zu den beteiligten Sozialversiche-rungsträgern: der Versicherungs anstalt öffent lich Be diensteter (B957/11), der Ver sicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (B958/11), der Nieder österreichischen Gebietskranken kasse (B959/11), der Sozialver sicherungs anstalt der Bauern (B960/11) sowie der Sozialver sicherungs anstalt der gewerb lichen Wirtschaft (B1020/11). Er stellte am fünf Anträge an die paritätische Schieds kommission für Nieder österreich mit dem Begehren festzustellen, dass zwischen dem Antragsteller und dem je weiligen Versicherungsträger der kurative Einzelvertrag nicht durch Erreichen einer Altersgrenze beendet wird. Die paritätische Schieds kommission wies die Anträge des Beschwerde führers mit fünf im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden ab.
2. Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufungen an die Landes be rufungskommission für Niederösterreich, welche den Berufungen keine Folge gab. In den Berufungsbescheiden betreffend die Einzelverträge des Beschwerdeführers zur Versicherungs anstalt öffent lich Bediensteter, der Ver sicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, der Nieder österreichischen Gebiets kranken kasse und der Sozialver sicherungs anstalt der Bauern sprach die Landesberufungskommission für Niederösterreich in Abänderung des Spruchs aus, dass der kurative Einzelvertrag des Beschwerdeführers frühestens mit Ende des Jahres 2015 beendet werde.
3. Die belangte Behörde führte in den angefochtenen Bescheiden jeweils be gründend aus (zitiert ist im Folgenden der angefochtene Bescheid zu B957/11):
"Gem § 342 Abs 1 Z 10 ASVG idFd 4. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 147/2009 haben die Gesamtverträge auch die Festlegung einer Alters grenze (längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres) für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärztinnen und Vertrags ärzten (persönlich haftenden Gesellschafterinnen/Gesellschaftern einer Vertrags-Gruppen praxis) sowie möglicher Ausnahmen davon bei drohender ärztlicher Unterversorgung zu ent halten; kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze.
Die Übergangsbestimmung des § 647 Abs 4 ASVG nomiert, dass § 342 Abs 1 Z 10 auf Einzel verträge von Vertrags(zahn)ärztinnen und -(zahn)ärzten (Vertrags Gruppenpraxen) und Dentisten/Dentistinnen anzuwenden ist, die ab dem geschlossen werden. Für vor diesem Zeitpunkt geschlossene Einzelverträge sind in den Gesamtverträgen stufenweise Über gangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorzusehen. Kommt bis zum Ablauf des im jeweiligen Gesamtvertrag keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze.
Am wurde zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozial versicherungs träger mit Zustimmung der BVA einerseits und der Ärztekammer für Niederösterreich anderer seits eine gesamtvertragliche Vereinbarung betreffend die Altersgrenze abgeschlossen. Nach dieser im Rahmen des § 647 Abs 4 ASVG getroffenen Regelung endet die Übergangsfrist für zum bestehende Einzelverträge mit . Nach der Einschleifregelung des Pkt III endet der Einzelvertrag für Vertragsärzte des Jahrganges 1942 und älter (dies ist beim Antragsteller der Fall) am .
Der Antragsteller ist am geboren. Er erachtete sich dadurch be schwert, dass er, sollte keine günstigere Regelung getroffen werden (eine solche bestand zum Zeitpunkt der Antrag stellung am noch nicht, wohl aber zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am ) seinen kurativen Einzelvertrag zur Antragstellerin mit Vollendung des 70. Lebensjahres bzw zum Quartalsende nach Vollendung des 70. Lebensjahres – dies wäre der bzw der – verlieren würde. Auch nach Vor liegen eines Gesamtvertrages mit einer Übergangsbestimmung bis erachtet sich der Antragsteller dadurch beschwert, dass er nicht den Zeitpunkt der Beendigung seiner kassenvertragsärztlichen Tätigkeit selbst bestimmen kann.
Der Einzelvertrag des Antragstellers endet entsprechend der gesamtvertraglich getroffenen Ein schleifregelung nicht mit Vollendung des 70. Lebensjahres, sondern erst mit . Dem Feststellungsbegehren kommt daher Be rechtigung zu.
Was die Frage einer allfälligen Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 342 Abs 1 Z 10 ASVG und der dazu gehörigen Übergangsbestimmung des § 647 Abs 4 ASVG jeweils in der Fassung des 4. Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2009, BGBl I/147/2009 betrifft, so kommt der Landes berufungskommission keine Berechtigung zur Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens zu. Ob und in wieweit die getroffene Regelung zur Altersgrenze verfassungsgesetzlich gewähr leistete Rechte verletzt, kann allenfalls im Rahmen einer Beschwerde an den Verfassungs gerichtshof geklärt werden."
4. Gegen diese – keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. § 345 Abs 3 iVm § 346 Abs 7 ASVG) – Bescheide richten sich die vorliegenden im Wesent lichen gleich lautenden, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Ver letzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleich heit aller Staats bürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Frei heit der Erwerbsausübung, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (in concreto: § 342 Abs 1 Z 10 iVm § 647 Abs 4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl 189/1955, idF des 4. Sozial rechts -Änderungs gesetzes 2009, BGBl I 147) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der ange fochtenen Bescheide beantragt wird.
5. Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegen schrift die Verwaltungsakten vor. Die beteiligten Versicherungsträger erstat teten Äußerungen, in denen sie dem Beschwerdevorbringen entgegen treten und die Abweisung der Beschwerden beantragen.
II. Rechtslage
1. Die durch die 71. Novelle zum ASVG, BGBl I 147/2009, neu eingeführten §§342 Abs 1 Z 10 und 647 Abs 4 ASVG, lauten auszugsweise:
"Inhalt der Gesamtverträge
§342 (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzu schließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden
Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:
1. – 9. […]
10. die Festlegung einer Altersgrenze (längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres) für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten (persönlich haftenden Gesellschafterinnen/Gesellschaftern einer Vertrags-Gruppenpraxis) sowie möglicher Ausnahmen davon bei drohender ärztlicher Unterversorgung. Kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zu stande, so gilt das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze.
(2) – (2a) […]"
"Schlussbestimmungen zu Art 1 Teil 1 des Bundesgesetzes BGBl I Nr 147/2009 (71. Novelle)
§647 (1) – (3) […]
(4) § 342 Abs 1 Z 10 ist auf Einzelverträge von Vertrags(zahn)ärztinnen und (zahn)ärztin (Vertrags-Gruppenpraxen) und Dentisten/Dentistinnen anzu wenden, die ab dem geschlossen werden. Für vor diesem Zeit punkt geschlossene Einzelverträge sind in den Gesamtverträgen stufenweise Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauens schutz vorzusehen. Kommt bis zum Ablauf des im jeweiligen Gesamtvertrag keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt das voll endete 70. Lebensjahr als Altersgrenze."
2. Diese Bestimmungen zur Festlegung einer Altersgrenze für die Beendigung von Einzelverträgen von Vertragsärzten werden in den Erläuterungen zur RV 476 BlgNR 24. GP, 6, wie folgt begründet:
"Als zwingender Bestandteil der Gesamtverträge hat zukünftig die Festlegung einer Altersgrenze (längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres) für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten (persönlich haftenden Gesellschafterinnen/Gesellschaftern einer Vertrags-Gruppenpraxis) sowie mögliche Ausnahmen davon bei ansonsten drohender ärztlicher Unterversorgung vorgesehen zu sein. Kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, hat das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze zu gelten.
Die gegenständliche Regelung soll dem Zweck dienen, nachrückenden Generationen an ausgebildeten [Ärztinnen und Ärzten] die Möglichkeit zu sichern, als [Vertragsarzt/-ärztin] tätig zu werden. Sie soll somit den Generationswechsel fördern und einen gerechten Ausgleich zwischen bereits in Vertrag genommenen Personen und jenen jungen, die sich um eine Zulassung bemühen, schaffen. Dabei handelt es sich bei der Festsetzung der Altersgrenze mit höchstens 70 Lebensjahren auch im Hinblick auf das gesetzliche Pensionsalter in Österreich nicht um eine unverhältnismäßige Beschränkung der Erwerbsausübung, die zu einer unzulässigen Diskriminierung auf Grund des Alters führen könnte.
Bei Erreichen der Altersgrenze soll der Einzelvertrag mit dem Ende des jeweiligen Kalendervierteljahres ohne Kündigung erlöschen, wobei eine Vertrags-Gruppen praxis das Erlöschen eines Einzelvertrages verhindern kann, wenn sie innerhalb von vier Wochen ab Erreichen der Altersgrenze die/den betroffene/n persönlich haftenden Gesellschafterin/Gesellschafter aus der Vertrags-Gruppenpraxis aus schließt. Gegenständliche Regelung soll für jene Einzelverträge zur Anwendung gelangen, die ab dem geschlossen werden. Für bestehende Einzelverträge sollen in den Gesamtverträgen Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorgesehen werden. Auch für "Altverträge" hat das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze zu gelten, falls bis zum Ablauf des keine vertragliche Einigung darüber erfolgt."
Die durch § 342 Abs 1 Z 10 ASVG ermöglichten Zusatzübereinkommen wurden zwischen dem Haupt ver band der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Zustimmung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter einerseits und der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer andererseits zum Gesamtvertrag der Kranken versicherungsanstalt der Bundes angestellten vom sowie zwischen der Österreichischen Ärzte kammer, der Bundeskurie der niederge lassenen Ärzte, für die jeweilige Kurie der Landesärztekammern und dem Haupt verband der österreichischen Sozialver sicherungsträger am zum Gesamtvertrag für Ärzte für Allgemeinmedizin und Fachärzte vom für den Bereich der Ver sicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau mit jeweils folgendem Wortlaut abgeschlossen:
"Gemäß § 342 Abs 1 Z 10 ASVG wird folgende Übergangsregelung zur Alters grenze vereinbart:
I. Geltungsbereich
Betroffen von dieser Zusatzvereinbarung sind alle Vertragsärzte der BVA [VAEB].
II. Subsidiariät
Für den Fall, dass zwischen einer Landesärztekammer und der jeweiligen Gebietskrankenkasse eine eigene Zusatzvereinbarung zur Altersgrenze existiert, gelten deren Regelungen auch für den Bereich der BVA [VAEB].
III. Übergangsregelung
Die Übergangsfrist für zum bestehende Einzelverträge endet mit . Ab erlöschen jedenfalls Einzelverträge von Vertragsärzten mit Vollendung des 70. Lebensjahres.
Davor gilt folgende Einschleifregelung:
Für Vertragsärzte die vor dem
das 68. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 74, frühestens jedoch ab
das 66. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 73, frühestens jedoch ab
das 64. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 72, frühestens jedoch ab
das 62. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 71, frühestens jedoch ab
das 60. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 70, frühestens jedoch ab ."
3. Für die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse und die Sozialver sicherungsanstalt der Bauern wurde ebenfalls ein Zusatzübereinkommen zum Gesamtvertrag gemäß § 342 Abs 1 Z 10 ASVG am (in Kraft getreten am ) zwischen dem Hauptverband der öster reichischen Sozialver sicherungsträger und der Ärztekammer für Nieder österreich (Kurie der niedergelassenen Ärzte) abgeschlossen:
"I. Grundlagen
Gemäß § 342 Abs 1 Z 10 ASVG ist in den Gesamtverträgen die Festlegung einer Altersgrenze für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärzten (persön lich haftenden Gesellschaftern von Vertrags-Gruppenpraxen) zu regeln. Kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt auf Grund der gesetz lichen Bestimmungen das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze. Die ge nannte Bestimmung ist nach § 647 Abs 4 ASVG auf Einzelverträge anzu wenden, die ab dem geschlossen werden. Für vor diesem Zeitpunkt ge schlossene Einzelverträge sind in den Gesamtverträgen stufenweise Übergangs regelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauens schutz vorzusehen.
Im Sinne der Rechts- und Planungssicherheit für die betroffenen Vertragsärzte (Vertrags-Gruppenpraxen und deren persönlich haftenden Gesellschafter) wird zwischen den Vertragsparteien gemäß § 647 Abs 4 ASVG in Bezug auf die An wendung des § 342 Abs 1 Z 10 ASVG nachfolgende stufenweise Übergangs regelung unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauens schutz ver einbart.
II. Altersgrenze und Übergangsregelung
(1) Ab enden bestehende Einzelverträge von Vertragsärzten mit Vollendung des 70. Lebensjahres mit Ablauf jenes Quartales, in dem das 70. Lebensjahr vollendet wurde.
(2) Die Übergangsfrist für zum bestehende Einzelverträge endet mit . Für die Jahre davor wird für Vertragsärzte mit zum be stehenden Einzelverträgen eine stufenweise Einschleifregelung wie folgt ver einbart:
Für Vertragsärzte
- des Jahrganges 1942 und älter endet der Einzelvertrag am ,
- der Jahrgänge 1943 und 1944 endet der Einzelvertrag am ,
- der Jahrgänge [1945] und 1946 endet der Einzelvertrag am ,
- des Jahrganges 1947 endet der Einzelvertrag am ,
- des Jahrganges 1948 endet der Einzelvertrag am ,
- des Jahrganges 1949 und jünger gelangt Abs 1 zur Anwendung.
(3) […]."
4. Zum Gesamtvertrag für den Bereich der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft wurde kein entsprechendes Zusatzübereinkommen abgeschlossen, sodass gemäß § 647 Abs 4 ASVG das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze für die Beendigung von Einzelverträgen festgelegt ist.
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – gemäß §§187, 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen – zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Der Beschwerdeführer behauptet im verfassungsgesetzlich gewähr leisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu sein. Die Bestimmungen zur Einführung einer Altersgrenze für die Beendigung von Einzel verträgen hätten bereits bestehende kurative Einzelverträge nicht betreffen dürfen. Unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes wäre nur eine solche Regelung zulässig gewesen, bei der Altverträge keinem wie auch immer festge setzten Pensionsalter unterliegen würden. Die Einführung einer Altersgrenze sei auch nicht durch das Ziel gerechtfertigt, freien Unternehmern, wie es Bewerber um Kassenvertragsstellen seien, den Zugang zu privatrecht lichen Verträgen (kurativen Einzelverträgen) "durch gesetzgeberischen Eingriff an Stelle be stehender Unternehmer zu ver schaffen".
1.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewähr leisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Recht sprechung des Verfassungs gerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
1.2. § 647 Abs 4 ASVG idF der 71. Novelle zum ASVG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz:
1.2.1. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Gesetzgeber hätte bei der Einführung einer Altersgrenze für die Beendigung von Einzel verträgen in be stehende privatrechtliche Verträge nicht eingreifen dürfen, ist zu entgegnen, dass der wesentliche Inhalt, vor allem aber die Gründe für die Beendigung der Einzelverträge der Vertragsärzte schon bisher durch gesetzliche und gesamt vertragliche Bestimmungen geregelt werden und daher nicht der Privat autonomie der Vertragsparteien unterliegen (vgl. zB VfSlg 16.463/2002, 19.306/2011). Daher trifft schon die Prämisse dieses Bedenkens des Beschwerdeführers nicht zu (vgl. im Übrigen VfSlg 17.071/2003 zur Zulässigkeit eines im öffentlichen Interesse gelegenen und verhältnismäßigen Eingriffs des Gesetzgebers in die Ruhestandsversetzung und Pensionsansprüche regelnde privatrechtliche Dienst verträge unter dem Blickwinkel des Eigentums rechts).
1.2.2. Dem Gesetzgeber ist es an sich unbenommen, im Rahmen seiner Regelungs kompetenz die Rechtslage hinsichtlich der Beendigung der Einzel verträge für die Zukunft zu ändern und sie auch – aus der Sicht der Vertragsärzte betrachtet – dadurch zu verschlechtern, dass nunmehr auch das Erreichen einer Altersgrenze als Endigungsgrund von Einzelverträgen vorgesehen wird. Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. VfSlg 11.368/1987, 13.461/1993, 13.657/1993).
1.3. Der Gesetzgeber verfolgt mit der hier in Rede stehenden Maßnahme ein zulässiges Ziel, nämlich bei den Vertragsärzten einen angemessenen Generationenwechsel zu erleichtern, und das gewählte Mittel, nämlich die Einführung einer Altersgrenze von 70 Jahren auch für bereits bestehende Einzel verträge, ist dazu geeignet.
1.3.1. Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang geltend, er habe im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage Investitionen getätigt, eine Ordinationsgehilfin ausge bildet und seine gesamte Lebensplanung darauf ausge richtet, solange ihm dies gesundheitlich möglich sei, weiterhin als Kassen vertragsarzt tätig zu sein. Das Ziel, jüngeren Ärzten den Zugang zu Kassen vertragsstellen zu verschaffen, rechtfertige nicht den mit einer äußerst hohen Intensität verbundenen Eingriff in die Rechtssphäre und in wohlerworbene Rechte des Beschwerdeführers. Die Regelungen zur Einführung einer Alters grenze seien daher, wenn schon nicht ohne sachliche Rechtfertigung, dann doch derart überschießend, dass sie die vom Gleichheitssatz gesetzte Grenze bei weitem überschreiten würden. Der Eingriff wiege beim Antragsteller umso schwerer, als er unmittelbar vor Erreichen des 70. Lebensjahres von der Neu regelung überrascht worden sei. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass der Gesetzgeber die Schaffung von Übergangsregelungen an die Gesamt vertragsparteien delegiert habe. Der kurative Einzelvertrag des Beschwerde führers zur Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft werde ex lege zum enden, da für diesen Gesamtvertrag keine Übergangs regelungen beschlossen worden seien. Im Bereich der übrigen in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger seien Übergangs regelungen beschlossen worden, sodass der jeweilige kurative Einzelvertrag des Beschwerde führers zum enden werde.
1.3.2. Es ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass sich Vertragsärzte in der Vergangenheit darauf einstellen konnten, dass ein Einzelvertrag – sieht man von organisatorischen Änderungen in Bezug auf den jeweiligen Krankenver sicherungsträger (vgl. die Erlöschensgründe des § 343 Abs 2 Z 1 und 2 ASVG) und vom Fall des Erlöschens des Gesamtvertrages einmal ab – auf Grund des Kündigungsschutzes des § 343 Abs 4 ASVG im Allgemeinen nur aus wichtigen Gründen, die vom Vertragsarzt zu vertreten sind, enden werde.
1.3.3. Vertrauensschutz begründende Umstände können nach der Recht sprechung des Verfassungsgerichtshofes darin liegen, dass rückwirkend an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte geänderte (für die Normunterworfenen nachteilige) Rechtsfolgen geknüpft werden (vgl. VfSlg 13.020/1992, 16.850/2003) oder dass der Gesetzgeber in Rechtsansprüche, auf die sich die Normunterworfenen nach ihrer Zweckbestimmung rechtens einstellen durften (wie auf Pensionsleistungen bestimmter Höhe) plötzlich und intensiv nachteilig eingreift (vgl. VfSlg 11.288/1987, 16.764/2002, 17.254/2004) oder dass der Gesetzgeber, der Norm unterworfene zu Dispositionen veranlasst hat, durch eine spätere Maßnahme diese im Vertrauen auf die Rechtslage vorgenommenen Dispositionen frustriert bzw. ihrer Wirkung beraubt (vgl. VfSlg 12.944/1991, 13.655/1993, 16.452/2002). Nur unter besonderen Umständen verbietet also der Gleichheits satz dem Gesetzgeber eine die Rechtsposition der Normunterworfenen ver schlechternde Rechtsgestaltung.
1.3.4. Solche oder vergleichbare Umstände sind für den Verfassungsgerichtshof hier nicht erkenn bar:
1.3.4.1. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Auf wendungen mögen zwar im Hinblick auf die Erwartung einer unveränderten Fort dauer der bisherigen Rechtslage getätigt worden sein, sie wurden aber durch keine Maßnahme des Gesetzgebers veranlasst und können daher insoweit auch keinen besonderen Schutz beanspruchen. Der Gesetzgeber musste bei jenen Vertragsärzten, bei denen die Altergrenze zu einer baldigen Beendigung des Vertragsverhältnisses führt, auch nicht davon ausgehen, dass sie von der zeitlichen Wirk samkeit dieser Altersgrenze typischerweise zu einem Zeitpunkt betroffen sein würden, zu dem wirtschaftlich ins Gewicht fallende Investitionen erst kurze Zeit zurückliegen.
1.3.4.2. Der Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang auch daran zu erinnern, dass die Auflösung des Einzelvertrages mit dem Kranken ver sicherungs träger keinem Berufsverbot gleichkommt und ihn daher auch nicht zu einer Auflösung der Ordination zwingt; es ist ihm vielmehr unbenommen, weiterhin – wie jeder andere der zahlreichen niederge lassenen Ärzte, die über keinen Einzelvertrag mit einem Kranken versicherungsträger verfügen – als Wahlarzt auch für sozialversicherte Personen tätig zu sein und auf diese Weise seinen Patientenstock zumindest teilweise weiter zu erhalten. Eine Verletzung des Vertrauensschutzes wegen vorzeitiger Frustration von Aufwendungen infolge der Gesetzesänderung liegt daher auch deshalb nicht vor.
1.3.4.3. Die Übergangs be stimmung des § 647 Abs 4 ASVG sieht zwar die Altersgrenze von 70 Lebensjahren grundsätzlich auch für Einzelverträge vor, die vor dem geschlossen werden. Die Rechtsfolge der Auflösung des Einzelvertrages wegen Erreichung des 70. Lebensjahres tritt aber frühestens mit dem (also ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes) ein.
1.3.4.4. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang bestimmt, dass in den Gesamtverträgen "stufenweise Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorzusehen" sind. Angesichts der gesetzlichen Aufgabenstellung der Vertragspartner des Gesamtvertrages im Zusammenhang mit der gesetzlichen Sozialversicherung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber den Vertragspartnern des Gesamtvertrages die Beurteilung der Bedürfnisse der Vertragsärzte einerseits und der Versorgungslage andererseits im Zusammenwirken überlassen hat. Davon haben die Vertragspartner (mit Ausnahme der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) auch in ausreichendem Maße im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht.
1.3.5. Der Verfassungsgerichtshof erachtet nach dem Vorgesagten daher die einjährige Vorbereitungs zeit für jene Vertragsärzte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes das 70. Lebensjahr bereits überschritten hatten oder dieses bis spätestens vollendeten, unter Vertrauensschutz gesichts punkten als ausreichend. Auch eine unzulässige Diskriminierung auf Grund des Alters liegt nicht vor (vgl. , Petersen Slg. 2010, I 00047, sowie , Rs. C-159/10, Fuchs, und C-160/10, Köhler ).
2. Im Hinblick auf die Ausführungen zur behaupteten Verletzung im verfassungs gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz ist auch auszuschließen, dass der Beschwerdeführer in den ver fassungs gesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsausübungsfreiheit und auf Un ver sehrt heit des Eigentums verletzt wurde.
3. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheits widrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungs gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
3.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre ein greift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Er mittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unter lassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, ins besondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivor bringens und einem leicht fertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
3.2. Der Behörde ist nach dem oben Gesagten kein in die Verfassungs sphäre reichender Vollzugsfehler unterlaufen, wenn sie die maß gebenden Be stim mungen des jeweiligen Gesamtvertrages weder als sittenwidrig noch als sonst mit den Grundrechten in Widerspruch stehend beurteilt hat (vgl. VfSlg 19.306/2011).
4. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer in den zu B957/11, B958/11, B959/11 und B960/11 protokollierten Beschwerden, in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein:
4.1. Die belangte Behörde habe nicht über seine Anträge abgesprochen, sondern die Anträge ohne erkenn baren Grund und sohin rechtswidrig modifiziert. Der Beschwerdeführer habe die Erlassung von Bescheiden begehrt, mit denen fest gestellt werde, dass sein jeweiliger kurativer Einzelvertrag nicht durch Erreichen einer Altersgrenze beendet werde. Die belangte Behörde habe im jeweiligen Spruch ihrer Bescheide nur ausgesprochen, es werde festgestellt, dass der kurative Einzelvertrag des Antrag stellers zur Versicherungs anstalt öffent lich Bediensteter, zur Ver sicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau, zur Nieder österreichischen Gebietskranken kasse und zur Sozialver sicherungs anstalt der Bauern mit Ende 2015 beendet werde.
4.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetz lich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.373/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2011 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
4.3. Selbst wenn Spruch und Begründung des jeweils angefochtenen Bescheides so zu verstehen wären, dass die belangte Behörde das Antragsbegehren des Beschwerdeführers noch nicht zur Gänze erledigt hätte, dann wäre die belangte Behörde insoweit zwar säumig geworden, die bloße Säumigkeit ist aber von der (ausdrücklichen) Ablehnung einer Sachentscheidung wegen vermeintlicher, tat säch lich aber nicht bestehender Unzuständigkeit der Behörde zu unter scheiden. Gegen die bloße Säumigkeit der Behörde gibt es vor dem Verfassungsgerichtshof keinen Rechtsschutz (vgl. VfSlg 19.306/2011).
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechts grundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen An wendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
3. Ob die Behörde das Gesetz in jeder Hinsicht richtig angewendet hat, ist vom Ver fassungsgerichtshof nicht zu beurteilen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie vorliegend – gegen den Bescheid einer sogenannten Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß Art 133 Z 4 B VG nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (zB VfSlg 3975/1961, 6760/1972, 7121/1973, 7654/1975, 9541/1982 mwN, 17.412/2004 uva).
4. Die Beschwerden sind daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung be schlossen werden (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).
Den beteiligten Parteien sind für die von ihnen eingebrachten, vom Verfassungs gerichtshof aber nicht abverlangten Schriftsätze Kosten nicht zuzusprechen (zB VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000).