OGH vom 30.10.2017, 9ObA89/17d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Thomas Dürrer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gemeinde K*****, vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Achammer Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, wegen 23.417,89 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 16/17s70, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 33 Cga 32/16m63, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.568,52 EUR (darin enthalten 261,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war von bis bei der Klägerin als Gemeindesekretär beschäftigt. Dabei war er unter anderem für die gesamte Buchhaltung und Lohnverrechnung, auch seine eigene, verantwortlich.
Beginnend mit nahm er in seine Lohnabrechnung eine Dienstalterszulage auf, die ab auf das Zweifache, ab auf das Dreifache und ab auf das Vierfache des durchschnittlichen Vorrückungsbetrags der Verwendungsgruppe b Dienstpostengruppe 2 erhöht wurde. Nach der Gesetzeslage hätte er ab Anspruch auf die einfache und ab auf die zweifache Dienstalterszulage gehabt. Ihm war auch bewusst, dass ihm ab noch keine Dienstalterszulage gebührte, sodass er jedenfalls nicht von einem berechtigten Bezug ausgehen konnte. Durch die – auf Grundlage dieser Lohnabrechnung erfolgte – gesetzwidrige Auszahlung der Dienstalterszulage entstand der Klägerin ein Schaden von 19.978,84 EUR brutto.
Weiters bezog der Beklagte auf Basis der von ihm erstellten Lohnabrechnungen für seine am ***** 11. 1981 geborene Tochter und seinen am ***** 2. 1983 geborenen Sohn bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses jeweils eine Kinderzulage. Ihm war bekannt, dass eine solche nur zusteht, solange Familienbeihilfe bezogen wird. Familienbeihilfe wurde für die Tochter letztmals im November 2007 und für den Sohn letztmals im Februar 2010 gewährt. Durch den Weiterbezug der Kinderzulage über diese Zeitpunkte hinaus entstand der Klägerin ein Schaden von 3.439,05 EUR brutto.
Am wurde der Bürgermeister der klagenden Gemeinde anlässlich einer Gebarungskontrolle erstmals über die Vorgehensweise des Beklagten informiert. Mit Bericht vom erhielt er konkrete Kenntnis vom Schaden.
Die Klägerin begehrt Zahlung von 23.417,89 EUR sA und bringt vor, der Beklagte habe ihr durch die Veranlassung der unberechtigten Auszahlung der Kinderzulage und der Dienstalterszulage einen Schaden in dieser Höhe zugefügt. Er habe dazu seine Stellung als zuständiger Bediensteter der Personalverrechnung ausgenutzt, wobei ihm bewusst gewesen sei, dass die Zahlungen jeglicher Grundlage entbehren. Der Schaden sei erst am im Zuge einer Kontrolle durch das zuständige Amt der Landesregierung bekannt geworden.
Der Beklagte bestreitet und bringt vor, die Auszahlung der Dienstalterszulage sei vereinbarungsgemäß erfolgt. Hinsichtlich der Kinderzulage habe er berechtigt angenommen, dass diese bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit und nicht nur bis zum vollendeten 26. Lebensjahres der Kinder zustehe. Im Übrigen sei infolge jahrelanger Übung von einem stillschweigenden Einverständnis bzw einer Zustimmung der Klägerin zur Auszahlung auszugehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, bei der Klägerin alle zwei Jahre um eine außerordentliche Vorrückung anzusuchen, die ihm jedenfalls bewilligt worden wäre, sodass er im Ergebnis dieselben Beträge ausbezahlt erhalten hätte. Weiters erfülle er sämtliche der in § 53 des Vorarlberger Gemeindeangestelltengesetzes 2005 (GAG) normierten Voraussetzungen für den Entfall der Geltendmachung etwaiger Übergenüsse, stelle doch die Rückzahlung für ihn eine besondere Härte dar. Er habe die Beträge auch in gutem Glauben empfangen und verbraucht. Allfällige Ansprüche seien jedenfalls verjährt, da nach § 54 GAG das Recht auf Ersatz von Übergenüssen in drei Jahren nach ihrer Entstehung verjährte. Von der Hereinbringung allfälliger Forderungen sei nach § 55 Abs 1 GAG unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und seines Grades des Verschuldens Abstand zu nehmen.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Beklagte habe unter Ausnützung seiner Position die Auszahlung einer Dienstalterszulage und einer Kinderzulage an sich veranlasst, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass sie ihm nicht zustehen. Dadurch sei der Klägerin der geltend gemachte Schaden entstanden. Die Klägerin mache nicht die Rückforderung eines Übergenusses geltend, sondern einen Schadenersatzanspruch, dessen Verjährung erst drei Jahre nach Kenntnisnahme des Schadens eintrete. Da der Beklagte den Lohn nicht in gutem Glauben empfangen und verbraucht habe, sei § 53 Abs 1 lit a GAG nicht anzuwenden. An der vorsätzlichen Begehung scheitere auch eine Billigkeitsprüfung. Soweit der Beklagte darauf verweise, dass ihm ohnehin eine Sondervorrückung genehmigt worden wäre, sei eine solche nach § 126 Abs 10 Gemeindebedienstetengesetz 1988 in der letzten Gehaltsstufe gar nicht mehr möglich.
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht nicht Folge. Die Klägerin mache einen Schadenersatzanspruch, keinen Bereicherungsanspruch geltend. Der Beklagte habe gewusst, dass ihm weder die Dienstalterszulage in dieser Form noch die Kinderzulage zu diesem Zeitpunkt zustehe. Er habe die Veranlassung der Auszahlung durch zu seinen Gunsten fehlerhafte Gehaltsabrechnungen zumindest im Sinne eines dolus eventualis zu verantworten und den Schaden der Klägerin jedenfalls mitkausal herbeigeführt. Der Klägerin sei kein Mitverschulden zur Last zu legen. Eine Kontrollpflicht diene nicht dazu, einen untreuen Mitarbeiter, der bewusst falsche Abrechnungen erstelle, zu entlasten.
Ein Schadenersatzanspruch sei auch nicht verjährt, weil die Klägerin erstmals im Mai 2012 über die Vorgehensweise des Beklagten informiert worden sei, die Klage sei schon im März 2013 eingebracht worden. Für den Beklagten sei auch aus § 53 Abs 4 und § 55 GAG nichts zu gewinnen, da diese die Hereinbringung und nicht die Geltendmachung von Forderungen regelten. § 55 Abs 2 GAG setze das Vorliegen eines Exekutionstitels voraus. Da sich die Berufung nicht gegen die Höhe der Forderung richte, sei diese nicht weiter zu prüfen.
Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zum Verhältnis der Verjährungsbestimmung des § 54 GAG zur Verjährung von Schadenersatzforderungen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Nicht strittig ist, dass auf das Dienstverhältnis des Beklagten zur Klägerin das Vorarlberger Gemeindeangestelltengesetz 2005 (GAG) anzuwenden ist. Zur besseren Übersicht werden die wesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes vorweg wiedergegeben:
§ 53 Ersatz von Übergenüssen
(1) Zu Unrecht erhaltene Bezüge (Übergenüsse) sind der Gemeinde zu ersetzen, wenn sie
a) nicht im guten Glauben empfangen wurden; oder
b) 5 % des jeweiligen Monatsbezuges nicht
(2) Übergenüsse sind durch Abzug von den nach diesem Gesetz gebührenden Geldleistungen hereinzubringen. Für den Ersatz von Übergenüssen können Raten festgesetzt werden, wobei auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ersatzpflichtigen Rücksicht zu nehmen ist. Ist die Hereinbringung im Abzugswege nicht möglich, so ist der Ersatzpflichtige zum Ersatz aufzufordern;
erforderlichenfalls ist der Ersatz im Zivilrechtsweg geltend zu machen.
(3) Soweit die Ersatzforderung der Gemeinde durch Abzug hereinzubringen ist, geht sie den Forderungen anderer Personen vor.
(4) Aus berücksichtigungswürdigen Gründen kann die Rückzahlung gestundet werden. Von der Hereinbringung eines Übergenusses kann Abstand genommen werden, wenn die Hereinbringung für den Gemeindeangestellten eine besondere Härte bedeuten oder wenn der mit der Hereinbringung verbundene Aufwand in keinem Verhältnis zum Übergenuss stehen würde.
§ 54 Verjährung
Der Anspruch auf Bezüge, Abfertigung und Urlaubsabfindung sowie das Recht auf Ersatz von Übergenüssen verjähren in drei Jahren nach ihrer Entstehung. Was trotz Verjährung geleistet worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
§ 55 Verzicht auf Ersatzforderungen
(1) Auf eine Ersatzforderung, die der Gemeinde gegenüber einem Gemeindeangestellten aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen über die Schadenshaftung von Organen der Gemeinde zusteht, kann insoweit ganz oder
(2) Von der Hereinbringung einer Ersatzforderung ist Abstand zu nehmen, wenn
a) alle Möglichkeiten der Hereinbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind; oder
b) die Hereinbringung mit Kosten verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zur Höhe der Forderung stehen.
2. Ebenfalls nicht mehr strittig ist, dass der Beklagte eine Zahlung in Höhe des Klagsbetrags erhalten hat, die ihm nach der für sein Dienstverhältnis geltenden Gesetzes- und Vertragslage nicht zustand. Offen ist nur die Frage der Rückforderbarkeit.
Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass im GAG nur die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung geregelt ist, nicht jedoch die Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche. Die Revision sieht in § 53 GAG dagegen eine abschließende Regelung für jede Form der Überzahlung.
Bereicherungsansprüche und Schadenersatz-ansprüche stehen nicht im Verhältnis der Subsidiarität, sie können miteinander konkurrieren (RISJustiz RS0022770), also bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen auch nebeneinander bestehen.
Allgemein gilt, dass Bezüge, die irrtümlich angewiesen werden, obwohl sie nicht oder nicht in diesem Umfang gebühren, vom Dienstgeber bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden können. Lediglich im Fall gutgläubigen Verbrauchs durch den Arbeitnehmer ist die Rückforderung – nach den Grundsätzen des Judikats 33 neu – ausgeschlossen. Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern von der Rechtsprechung schon dann verneint, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Betrags auch nur zweifeln musste (RIS-Justiz RS0010271; RS0033826).
Die in § 53 GAG enthaltene ausdrückliche Bestimmung über den Ersatz von Übergenüssen entspricht im Wesentlichen der zuvor dargestellten Rechtsprechung und regelt darüber hinaus die Modalitäten einer Rückforderung.
Das Gesetz definiert dabei Übergenüsse als „zu Unrecht erhaltene Bezüge“. Bereits aus dieser Formulierung, die auf eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung ohne Zutun des Empfängers abstellt, aber auch aus der inhaltlichen Nähe zur zuvor zitierten Rechtsprechung ergibt sich, dass damit nur die bereicherungsrechtlichen Ansprüche aus einer Überzahlung durch den Arbeitgeber geregelt werden.
Über den Ersatz von Schäden, die aus falschen Angaben oder einem sonst dolosem Verhalten des Arbeitnehmers resultieren, ist damit nichts ausgesagt, mag sich dieser Schaden auch in erschlichenen höheren Bezügen realisieren. In solchen Fällen wird regelmäßig neben einem allfälligen Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers auch ein Schadenersatzanspruch gegeben sein.
Dafür, dass durch § 53 GAG solche Schadenersatzansprüche des Dienstgebers ausgeschlossen werden sollen, finden sich keine Anhaltspunkte im Gesetz. Auch vom Zweck der Regelung her, die die Folgen fehlerhafter Überweisungen regelt, nicht aber die eines dolosen Vorgehens der Mitarbeiter, ist davon nicht auszugehen.
Wenn die Revision aus § 1 Abs 1 GAG, wonach Dienstverhältnisse der Dienstnehmer der Gemeinden nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu begründen, zu gestalten und zu beenden sind, ableiten will, dass die Regelungen des GAG auch zu Übergenüssen abschließend sind, kann ihr nicht gefolgt werden. Richtig ist, dass das GAG spezielle Regelungen zu diesen Dienstverhältnissen beinhaltet, ebenso richtig ist aber auch, dass es für Bereiche, für die es keine Regelungen enthält, die Grundsätze des allgemeinen Zivilrechts, beispielsweise zur Geschäftsfähigkeit oder zur Wirksamkeit von Willenserklärungen, voraussetzt. Auch zu Schadenersatzansprüchen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern enthält das GAG nur vereinzelte Regelungen, ohne dass deshalb davon ausgegangen werden kann, dass solche in allen anderen Fällen ausgeschlossen sind.
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass § 53 GAG nur die bereicherungsrechtliche Rückforderung von Übergenüssen regelt, daneben aber die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach den allgemeinen Grundsätzen möglich ist.
3. Anders als ein Bereicherungsanspruch setzt ein Schadenersatzanspruch ein rechtswidrig schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Ein solches haben die Vorinstanzen im vorliegenden Fall zu Recht bejaht. Wenn der Beklagte in seiner Revision wiederholt darauf verweist, dass er die gegenständlichen Leistungen gutgläubig empfangen hat, von einer gültigen Sondervereinbarung ausgehen konnte, redlich war und darauf vertrauen konnte, dass ihm die Gelder zustanden, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Danach war ihm bekannt, dass ihm weder die Dienstalterszulage in der letztlich ausbezahlten Form noch der Kinderzuschuss zustanden. Da er in diesem Wissen die Abrechnungen vorbereitet hat, die zu einer Auszahlung der Gelder an ihn geführt haben, ist sein Verhalten auch kausal für den geltend gemachten Schaden.
4. Soweit die Revision damit argumentiert, dass der Klägerin kein Schaden entstanden ist, da der Beklagte auch um eine außerordentliche Vorrückung hätte ansuchen können, die ihm auch bewilligt worden wäre, wird damit offenbar der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens als Haftungsausschließungsgrund erhoben. Bei der Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens geht es darum, ob ein rechtswidrig Handelnder selbst dann für den verursachten Schaden zu haften hat, wenn er denselben Nachteil auch durch ein rechtmäßiges Verhalten herbeigeführt hätte (vgl RISJustiz RS0111706). Dem hypothetischen Kausalverlauf ist ein sonst gesetzeskonformes Verhalten des Schädigers zugrunde zu legen. Wäre der Schaden auch in einem solchen Fall im selben Umfang eingetreten, kommt es zu einer Haftungsbefreiung. Das rechtmäßige Verhalten im vorliegenden Fall wäre aber gewesen, keine falschen Lohnabrechnungen zu erstellen. Der konkrete Schaden wäre dann nicht eingetreten. Dass dem Beklagten allenfalls die Möglichkeit offen gestanden wäre, durch Anträge auf eine Lohnerhöhung Zahlungen in welchem Umfang auch immer zu erhalten, steht damit in keinem Zusammenhang und ist nicht geeignet, etwas an der Haftung des Beklagten für sein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten zu ändern.
5. Da bereicherungsrechtliche und schadenersatzrechtliche Ansprüche von verschiedenen Voraussetzungen ausgehen und auch der Anspruchsumfang verschieden sein kann, kommen für die beiden Ansprüche auch jeweils unterschiedliche Verjährungsfristen zur Anwendung (vgl 10 Ob 23/04m mwN).
Nach § 54 GAG verjährt das Recht auf den Ersatz von Übergenüssen binnen drei Jahren nach ihrer Entstehung. Nach der Systematik des Gesetzes bezieht sich diese Bestimmung auf die in § 53 GAG geregelte bereicherungsrechtliche Rückabwicklung, nicht jedoch auf allfällige Schadenersatzansprüche. Für diese gilt daher die allgemeine Regel des § 1489 ABGB, wonach Schadenersatzansprüche binnen drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger verjähren.
Der Beginn der Verjährungsfrist setzt die Kenntnis des Verletzten vom Schaden voraus, die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme genügt nicht (RISJustiz RS0034686 [T9, T15] ua). Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten (RISJustiz RS0034951 [T2]). Der Geschädigte darf sich allerdings nicht passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erlangt (RISJustiz RS0065360). Wenn er die für die erfolgsversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihn bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RISJustiz RS0034327).
Wenn die Revision davon ausgeht, dass die Unregelmäßigkeiten der Lohnabrechnung schon bei früheren Kontrollen auffallen hätten müssen, stellt sie auf die bloße Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Schadens ab, die, wie ausgeführt, nicht fristauslösend ist. Allfällige Nachforschungspflichten des Geschädigten setzen voraus, dass ihm zumindest ein Schaden oder ein schadenverursachendes Verhalten bekannt ist, wenn auch nicht alle zur Anspruchsverfolgung notwendigen Tatsachen. Dass der Klägerin jedoch früher als von den Vorinstanzen angenommen Umstände bekannt waren, aufgrund derer sie auf einen Schaden durch falsche Lohnabrechnungen oder ein schädigendes Verhalten des Beklagten hätte schließen können, behauptet auch die Revision nicht. Nach den Feststellungen wurde das Verhalten des Beklagten und der daraus resultierende Schaden der Klägerin erst 2012 bekannt. Davon ausgehend wurde die Klage am aber innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist eingebracht.
6. Ein Mitverschulden des Geschädigten iSd § 1304 ABGB setzt kein Verschulden im technischen Sinn voraus. Auch Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Geschädigten ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (RISJustiz RS0022681). In der Rechtsprechung ist aber der Grundsatz anerkannt, dass dem Betrogenen gegen den listig Irreführenden trotz eigener Fahrlässigkeit voller Ersatz zusteht und die Mitverschuldensregelung des § 1304 ABGB nicht zur Anwendung gelangt. Vorsatz schließt den Mitverschuldenseinwand in aller Regel aus, weil die Fahrlässigkeit des Geschädigten gegenüber dem Vorsatz des Schädigers nicht ins Gewicht fällt (RISJustiz RS0016291). Nach den Feststellungen hat der Beklagte im Wissen, dass ihm diese Leistungen nicht zustehen, diese in die Lohnverrechnung aufgenommen. Die Unterlassung ausreichender Kontrollen der Lohnverrechnungen durch die Klägerin sind ihr demgegenüber nicht als Mitverschulden anzurechnen.
7. § 55 Abs 1 GAG sieht vor, dass die Gemeinde auf Ersatzansprüche gegenüber einem Gemeindeangestellten aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen über die Schadenshaftung von Organen der Gemeinde ganz oder teilweise verzichten kann, wenn die Hereinbringung der Forderung nach der Lage des Falles, insbesondere der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und des Grades des Verschuldens des Ersatzpflichtigen, unbillig wäre. Unabhängig davon, ob die verfahrensgegenständliche Forderung eine „Ersatzforderung aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen über die Schadenshaftung von Organen“ darstellt, musste von den Vorinstanzen eine allfällige Unbilligkeit schon deshalb nicht geprüft werden, weil der Beklagte dazu in erster Instanz kein konkretes Tatsachenvorbringen erstattet hat. Die entsprechenden Ausführungen in den Rechtsmitteln stellen eine unzulässige Neuerung dar.
8. Nach § 55 Abs 2 GAG ist von der Hereinbringung einer Ersatzforderung Abstand zu nehmen, wenn alle Möglichkeiten der Hereinbringung erfolglos versucht wurden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind (lit a) oder die Hereinbringung mit Kosten verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zur Höhe der Forderung stehen (lit b). Diese Bestimmung ist von Zweckmäßigkeitsüberlegungen getragen, bei der Uneinbringlichkeit von Forderungen erfolglose Einbringungsmaßnahmen aus verwaltungsökonomischen Gründen zu vermeiden. Daraus lässt sich jedoch kein Rechtsanspruch des Schuldners ableiten, dass von Einbringungsmaßnahmen Abstand genommen wird (so auch VwGH 2006/16/0021 zur vergleichbaren Bestimmung des § 13 GEG; VwGH 2013/13/0097 zur vergleichbaren Bestimmung des § 235 BAO). Aus dieser Bestimmung ist daher für den Beklagten nichts zu gewinnen.
9. Soweit sich die Revision gegen die Höhe der Klagsforderung wendet, ist darauf zu verweisen, dass der Beklagte sich in seiner Berufung nicht gegen die vom Erstgericht angenommene Höhe gewendet hat. Wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, können andere in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden, soweit es sich um selbständig zu beurteilende Rechtsfragen handelt (RISJustiz RS0043573 [T43]). Auf die Ausführung der Revision zur Höhe der Klagsforderung ist daher nicht weiter einzugehen.
10. Insgesamt ist die Revision des Beklagten daher nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00089.17D.1030.000 |
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