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VfGH vom 11.06.2007, B957/06

VfGH vom 11.06.2007, B957/06

Sammlungsnummer

18123

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Erwerb einer landwirtschaftlich genutzten Wiesenfläche als Weide und zur Pferdehaltung wegen Widerspruchs zum öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Besitzes

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Zweitbeschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 174 Grundbuch 41004 Guttenbrunn im Ausmaß von 783 m² (Hausparzelle mit Garten), auf der ein Wohnhaus errichtet ist.

Mit Kaufvertrag vom erwarben die Zweitbeschwerdeführerin und ihr Lebensgefährte (der Erstbeschwerdeführer) das neu gebildete, an die angeführte Liegenschaft der Zweitbeschwerdeführerin unmittelbar angrenzende - landwirtschaftlich genutzte - Grundstück 1813/8 im Ausmaß von 1.362 m² (Wiesenfläche in Hanglage). Dieses Grundstück wird von den Beschwerdeführern zur Pferdehaltung und als Weide genutzt.

Die Bezirksgrundverkehrskommission Freistadt versagte dem angeführten Rechtserwerb mit Bescheid vom die grundverkehrsbehördliche Genehmigung mangels Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 4 Abs 2 Oberösterreichisches Grundverkehrsgesetz 1994 (im Folgenden: Oö. GVG).

Es handle sich um ein Teilgrundstück aus dem Bestand des land- und forstwirtschaftlichen Besitzes der Verkäuferin im Ausmaß von rund 19 Hektar, das keiner ordnungsgemäßen Bewirtschaftung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes zugeführt werde. Die Teilfläche scheine im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als "Grünland - Vorbehaltsfläche Sportfläche" auf. Die Beschwerdeführer besitzen keinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, die Übertragung des Eigentumsrechts an dem Grundstück habe die Bildung einer nicht sinnvoll bewirtschaftbaren Kleinstlandwirtschaftsfläche zur Folge. Dies stelle eine Schwächung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes der Verkäuferin dar und führe zu einer Verschlechterung der Agrarstruktur. Zudem entspreche die derzeitige Pferdehaltung hinsichtlich Mist- und Güllelagerung bzw. -entsorgung nicht den gesetzlichen Standards. Da die öffentlichen Interessen an der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes das Interesse der Beschwerdeführer an der Privatpferdehaltung überwiegen, könne der Erwerb auch nicht im Rahmen der in § 4 Abs 5 Oö. GVG vorgesehenen Interessensabwägung genehmigt werden.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung ua. nach Einholung eines agrarfachlichen Gutachtens mit Bescheid vom keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Im Wesentlichen wird darauf verwiesen, dass die Kapitalverkehrsfreiheit zwar eine Immobilieninvestitionsfreiheit nach sich ziehe, daraus aber kein Recht abgeleitet werden könne, aus bestehendem land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz Kleinflächen zum Zweck der hobbymäßigen Privatpferdehaltung abzutrennen. Auch mache die Schaffung kleinster landwirtschaftlicher Besitzverhältnisse strukturpolitisch keinen Sinn.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in (näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1994, LGBl. 88/1994 idF LGBl. 94/2005, lauten:

"Zielsetzung, Geltungsbereich

§ 1 (1) [...]

(2) Dem Geltungsbereich dieses Landesgesetzes unterliegen folgende zivilrechtliche Rechtserwerbe unter Lebenden an Grundstücken oder Grundstücksteilen (z.B. Wohnung):

1. die Übertragung des Eigentums;

[...]

Begriffsbestimmungen

§ 2 (1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind bebaute und unbebaute Grundstücke, die nach ihrer Beschaffenheit zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung geeignet sind und nicht zweifelsfrei zur Gänze für andere Zwecke als der Land- oder Forstwirtschaft verwendet werden, ausgenommen Grundstücke nach Abs 2 Z. 1.

[...]

Genehmigungsbedürftigkeit

§ 4 (1) Rechtserwerbe gemäß § 1 Abs 2 Z. 1 an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken oder Teilen davon bedürfen der Genehmigung der Behörde. [...]

(2) Rechtserwerbe nach Abs 1 sind zu genehmigen, wenn den öffentlichen Interessen an der Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und


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1.
an der Schaffung, Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder
2.
an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleinen land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes

entsprochen wird.

[(3) entfallen]

[(4) entfallen]

(5) Rechtserwerbe nach Abs 1, die die Voraussetzungen nach Abs 2 nicht erfüllen, dürfen unbeschadet des § 5 nur genehmigt werden, wenn sie in einem das öffentliche Interesse gemäß Abs 2 überwiegenden Interesse liegen und den sonstigen Zielen dieses Landesgesetzes nicht widersprechen. Dabei darf der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr Grund und Boden als notwendig entzogen und die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung der verbleibenden Grundstücke nicht erheblich erschwert oder unmöglich gemacht werden.

(6) Rechtserwerbe nach Abs 1 sind jedenfalls zu untersagen, wenn anzunehmen ist, daß


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1.
[...]
2.
Grundstücke ohne zureichenden Grund der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden;
[...]

Behörden


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§25 (1) [...]

(2) Die Landesgrundverkehrskommission entscheidet in oberster und letzter Instanz über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksgrundverkehrskommission und des Vorsitzenden der Bezirksgrundverkehrskommission. Entscheidungen der Landesgrundverkehrskommission unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Bei Baugrundstücken ist gegen Entscheidungen der Landesgrundverkehrskommission die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs zulässig, sofern es sich beim Rechtserwerber um einen Inländer oder eine gemäß § 9 gleichgestellte Person handelt.

[...]"

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführer behaupten primär die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

1.1. Sie bringen vor, dass sie die in Rede stehende Wiesenfläche im Rahmen ihrer Pferdehaltung mit Einverständnis der Verkäuferin seit Jahren faktisch landwirtschaftlich nützen. Die Verkäuferin der Liegenschaft betreibe keine Landwirtschaft, sondern verpachte ihre landwirtschaftlich nutzbaren Flächen an Bauern. Die Ortsgemeinde H. habe selbst Interesse am Erwerb der verfahrensgegenständlichen Fläche, wolle das Grundstück der landwirtschaftlichen Nutzung entziehen und es der Allgemeinnutzung als Sportstätte zuführen, weshalb das Grundstück nach dem Flächenwidmungsplan auch als "Grünland - Vorbehaltsfläche Sportfläche" gewidmet sei. Es sei evident, dass die Verweigerung der Genehmigung nicht auf die Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden und leistungsfähigen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes der Verkäuferin iSd §§1 und 4 Oö. GVG abziele, sondern auf die Unterstützung der Interessen der Ortsgemeinde H. Das Vorgehen der belangten Behörde widerspreche daher der Intention des Oö. GVG. Andere landwirtschaftliche Flächen der Verkäuferin in unmittelbarer Umgebung des in Rede stehenden Grundstücks, die an die Gemeinde H. verpachtet seien, würden zu anderen als zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde würden durch den Grunderwerb keine landwirtschaftlichen Kleinstbesitzverhältnisse geschaffen, weil das erworbene Grundstück an die bestehende Liegenschaft der Zweitbeschwerdeführerin anschließe und der Gartenvergrößerung für die Pferdehaltung diene. Die belangte Behörde habe kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt und es unterlassen, sich mit den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Argumenten und den von ihnen aufgezeigten tatsächlichen Verhältnissen auseinanderzusetzen.

1.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften des Oö. GVG idF LGBl. 94/2005 (vgl. VfSlg. 17.555/2005 [mit diesem Erkenntnis wurde ein hier nicht maßgeblicher Teil der Bestimmungen als verfassungswidrig aufgehoben] und 17.591/2005) und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, nur vorliegen, wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

1.3. Ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre reicht, liegt unter anderem dann vor, wenn die Behörde den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unterblieben ist oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maß mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht.

1.4. Ein derartiger Fehler kann der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden:

Unstrittig ist, dass es sich bei dem den Gegenstand des Kaufvertrages bildenden Wiesengrundstück um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des § 2 Abs 1 Oö. GVG handelt, der Rechtserwerb daher gemäß § 4 Abs 1 Oö. GVG der Genehmigungspflicht unterliegt.

Die Annahme, dass die beabsichtigte Pferdehaltung auf dem abgetrennten Grundstück nicht einer ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Nutzung entspreche, weil dieser Freizeitbetrieb wenig ertragreich sei und die Beschwerdeführer keinen landwirtschaftlichen Betrieb besitzen, konnte die belangte Behörde in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Gesamtheit der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf die Sachkunde des agrarfachlichen Sachverständigen und die Ausführungen der Landwirtschaftskammer OÖ - Bezirksbauernkammer Freistadt stützen.

Ungeachtet des Umstandes, dass das Grundstück unmittelbar an eine im Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin stehende Gartenfläche anschließt, liegt in der Beurteilung, dass das in Rede stehende Rechtsgeschäft den in § 4 Abs 2 und 5 Oö. GVG geschützten öffentlichen Interessen an der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht und die Abspaltung einer kleinen landwirtschaftlichen Fläche zum Zweck der außerlandwirtschaftlichen Nutzung im Rahmen eines Freizeitbetriebes zu agrarstrukturellen Nachteilen führt, ebenso wenig eine Verfassungswidrigkeit wie in der vorgenommenen Interessenabwägung.

Der Einwand, wonach die Gemeinde H. selbst Interesse am Erwerb des Grundstücks habe und dieses anderen als landwirtschaftlichen Zwecken zuführen wolle, ändert nichts an der Beurteilung der Frage des Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen in Bezug auf den Rechtserwerb durch die Beschwerdeführer. Im Übrigen wäre im Falle eines Rechtserwerbs durch die Gemeinde die Bestimmung des § 4 Abs 5 Oö. GVG zu beachten.

Dass die rechtliche Würdigung des gesamten Sachverhaltes durch die Behörde aus der Sicht der Beschwerdeführer unbefriedigend sein mag, indiziert nicht willkürliches Behördenverhalten (vgl. zB VfSlg. 13.165/1992, 13.385/1993, 17.270/2004).

1.5. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 16.358/2001, 17.270/2004).

2. Ferner behaupten die Beschwerdeführer, es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz und dem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, dass Bescheide der Landesgrundverkehrskommission nur in dem in § 25 Abs 2 letzter Satz Oö. GVG angeführten Fall (Rechtserwerb an Baugrundstücken) einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zugänglich seien.

Bei diesem Bedenken verkennen die Beschwerdeführer, dass es bei den nach Art 133 Z 4 B-VG eingerichteten Behörden gemäß dem letzten Halbsatz dieser Verfassungsvorschrift ausschließlich in der Zuständigkeit des Gesetzgebers (hier: des Landesgesetzgebers) liegt zu bestimmen, ob die Entscheidungen dieser Behörden vor dem Verwaltungsgerichtshof anfechtbar sind oder nicht (vgl. zB VfSlg. 10.457/1985, 15.538/1999).

Der Umstand, dass der angefochtene Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (da es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Rechtserwerb im Sinne des letzten Satzes in § 25 Abs 2 Oö. GVG handelt), begründet daher keine Verfassungswidrigkeit (vgl. VfSlg. 14.109/1995, 15.538/1999).

3. Die behauptete Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.