OGH vom 07.03.1989, 10ObS66/89

OGH vom 07.03.1989, 10ObS66/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Franz Köck (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rosa G***, Pensionistin und Rentnerin, 3525 Sallingberg 72, vertreten durch Dr. Leander Schüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** U***

(Landesstelle Wien), 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner und Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwenrente infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 34 Rs 174/88-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 15 Cgs 1134/87-10, abgeändert wurde,in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde der Unfall, den der Ehegatte der Klägerin am erlitten hat und an dessen Folgen er am selben Tag gestorben ist, nach § 175 Abs. 1 ASVG als Arbeitsunfall anerkannt, als Bemessungsgrundlage 167.073 S festgestellt und ausgesprochen, daß der Klägerin ua. ab eine Witwenrente von jährlich 20 v. H. der Bemessungsgrundlage, monatlich 2.386,80 S, ab von 2.520,50 S gebührt.

Mit am zugestelltem Bescheid der beklagten Partei vom wurde diese Witwenrente ab auf 40 v. H. der Bemessungsgrundlage erhöht, weil die Klägerin am das 60. Lebensjahr vollendet hatte. In ihrem bei der beklagten Partei am eingelangten Schreiben vom vertrat die Klägerin den Standpunkt, daß ihr die Witwenrente bis zu drei Monaten vor ihrem am bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gestellten Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gebühre.

Mit Bescheid vom sprach die beklagte Partei aus, daß der Klägerin auch für die Zeit vom bis die Witwenrente im Ausmaß von 40 v. H. der Bemessungsgrundlage gebühre. Für die Zeit vom 2. April bis betrage die Witwenpension einschließlich aller gesetzlicher Erhöhungen monatlich 6.538 S. Die beklagte Partei berief sich darauf, daß nach § 97 ASVG die Erhöhung der Witwenrente aus der Unfallversicherung wegen Krankheit oder anderer Gebrechen auch für die Zeit der Minderung der Erwerbsfähigkeit vor der Anmeldung des Anspruches, längstens jedoch bis zu drei Monaten vor der Anmeldung zu gewähren sei.

Gegen diesen am zugestellten Bescheid erhob die Klägerin innerhalb der im § 67 Abs. 2 ASGG genannten Frist von vier Wochen Klage. Darin behauptete sie, sie habe ihren Anspruch auf die erhöhte Witwenrente spätestens drei Monate nach dem angemeldet. Die beklagte Partei hätte ihr die erhöhte Witwenrente auch deshalb schon ab gewähren müssen, weil ihr bekannt gewesen sei, daß sie seither von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Berufsunfähigkeitspension beziehe. Die Klägerin begehrte daher, die beklagte Partei zur Gewährung der erhöhten Witwenrente bereits ab zu verurteilen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Klägerin die erhöhte Witwenrente erst am beantragt habe.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab eine Witwenrente von 40 % der Bemessungsgrundlage zu gewähren und wies das Mehrbegehren, diese erhöhte Leistung auch für die Zeit vom 1. April bis zuzuerkennen, ab.

Es stellte fest, daß die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten dem Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab stattgab und die beklagte Partei davon mit Schreiben vom verständigte. Die Klägerin war auf Grund des von der genannten Pensionsversicherungsanstalt durchgeführten Verfahrens im Zusammenhang mit der Untersuchung durch die Anstaltsärzte der Ansicht, daß nunmehr auch die Witwenrente erhöht würde, stellte aber bei der beklagten Partei (zunächst) keinen diesbezüglichen Antrag. Mit dem am bei der beklagten Partei eingelangten Schreiben vom urgierte die Klägerin die erhöhte Witwenrente mit dem dritten Monat vor ihrem Antrag auf Erwerbsunfähigkeitspension.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes seien die Leistungsansprüche in der Unfallversicherung nach § 361 Abs. 1 ASVG von Amts wegen oder, sofern das Verfahren nicht auf diese Weise eingeleitet werde, auf Antrag festzustellen. Dies könne im Sinne einer sozialen Rechtsanwendung nur so verstanden werden, daß der Versicherungsträger bei Kenntnis eines anspruchbegründenden Sachverhaltes tätig werden und die Leistungsansprüche auch ohne Antrag feststellen müsse. Deshalb sei die beklagte Partei verpflichtet gewesen, den Leistungsanspruch der Klägerin bereits auf Grund der am erhaltenen Verständigung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten über die Berufsunfähigkeit der Klägerin festzustellen.

Dagegen erhob die beklagte Partei Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch gänzliche Abweisung der Klage abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Klägerin beantragte, der Berufung nicht Folge zu geben. Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin bereits ab eine Witwenrente von 40 v. H. der Bemessungsgrundlage zu gewähren und die bisher fällig gewordenen Beträge nachzuzahlen, abwies. Das Gesetz sehe keine Verpflichtung des Versicherungsträgers zur amtswegigen Rentengewährung vor. Der im § 361 Abs. 1 ASVG erwähnte (?) Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung könne nicht dahin verstanden werden, daß der Versicherungsträger bei Kenntnis eines anspruchbegründenden Sachverhaltes tätig werden müsse. Da die Klägerin vor ihrem Schreiben vom weder bei der beklagten Partei noch bei einem anderen (unzuständigen) Versicherungsträger schriftlich oder mündlich einen Antrag (auf Erhöhung ihrer Witwenrente) gestellt habe, habe ihr die beklagte Partei erst drei Monate vor dem Einlangen des erwähnten Schreibens am , also ab die erhöhte Witwenrente gewähren können.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern oder es aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs. 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Wurde der Tod des Versicherten durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht, so gebührt der Witwe bis zu ihrem Tod oder ihrer Wiederverheiratung eine Witwenrente von jährlich 20 v. H. der Bemessungsgrundlage (§ 215 Abs. 1 ASVG). Solange die im Absatz 1 genannte anspruchsberechtigte Person durch Krankheit oder andere Gebrechen wenigstens die Hälfte ihrer Erwerbsfähigkeit verloren oder wenn die Witwe das 60. Lebensjahr vollendet hat, beträgt die Witwenrente jährlich 40 v. H. der Bemessungsgrundlage. Die Erhöhung der Witwenrente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wird nur gewährt, wenn diese länger als drei Monate bestanden hat (§ 215 Abs. 2 ASVG).

Die Erhöhung einer Pension aus der Pensionsversicherung bzw. eine wiederzuerkannte oder neu festgestellte Versehrtenrente (§ 183) wird mit dem Zeitpunkt der Anmeldung des Anspruches bzw. der Einleitung des amtswegigen Verfahrens wirksam (§ 97 Abs. 1 ASVG). Die Erhöhung der Witwenrente aus der Unfallversicherung wegen Krankheit oder anderer Gebrechen ist auch für die Zeit der Minderung der Erwerbsfähigkeit vor der Anmeldung des Anspruches, längstens jedoch bis zu drei Monaten vor der Anmeldung zu gewähren (§ 97 Abs. 2 ASVG).

Aus dem die Klägerin betreffenden Rentenakt der beklagten Partei ergibt sich keinerlei Hinweis darauf, daß die Klägerin ihren Anspruch auf Erhöhung ihrer Witwenrente aus der Unfallversicherung wegen Krankheit oder anderer Gebrechen bei der beklagten Partei vor dem angemeldet oder daß die beklagte Partei diesbezüglich ein amtswegiges Verfahren eingeleitet hätte. Darauf, ob die beklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, ein amtswegiges Verfahren einzuleiten, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weshalb auf diese Rechtsfrage nicht weiter einzugehen war. Die Erhöhung der Witwenrente der Klägerin konnte daher nach dem zit. § 97 Abs. 2 ASVG längstens bis zu drei Monaten vor der Anmeldung, also längstens ab gewährt werden. Deshalb wurde das auf eine Erhöhung dieser Witwenrente für die Zeit vom 1. April bis gerichtete Teilklagebegehren schon vom Erstgericht und der auf eine Erhöhung dieser Rente für die Zeit vom bis gerichtete Teil des Klagebegehrens vom Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum abgewiesen. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit b ASGG.