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OGH vom 13.07.1988, 9ObA88/88

OGH vom 13.07.1988, 9ObA88/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Herbert Bruna als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erwin M***, Pensionist, Wolfsberg, St. Jakob 71, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Dr. Wilhelm Dieter Eckhart und Dr. Gerhard Gratzer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei G*** Herrenschuhfabrik Peter und Bernd V*** KG, Wolfsberg, Lagerstraße 234, vertreten durch Dr. Erich Zeiner, Dr. Hans Georg Zeiner und Dr. Norbert Pirker, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 8.596,86 brutto sA (Revisionsstreitwert S 701,78 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 1111/87-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 32 Cga 1042/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß auch das restliche Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 701,78 brutto samt 4 % Zinsen seit binnen 14 Tagen zu zahlen, abgewiesen wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 908,16 (darin S 82,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis bei der L*** Kohlenbergbau Gesellschaft mbH und seit bei der A*** Schuhfabriksgesellschaft mbH (kurz A***) als Chauffeur beschäftigt. Ab war er Arbeitnehmer der Beklagten, bis er mit das Arbeitsverhältnis wegen Inanspruchnahme der Alterspension aufkündigte.

Mit der Behauptung, es sei ihm auf Grund der Anrechnung der Dienstzeit bei der Firma A*** durch die Beklagte unter Anrechnung von weiteren fünf Vordienstjahren gemäß § 3 UrlG ab Juli 1983 ein Urlaub von 30 Werktagen zugestanden, begehrte der Kläger eine restliche Urlaubsentschädigung von S 8.596,86 brutto sA. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Urlaubsanspruch des Klägers habe jeweils am 16. November eines Arbeitsjahres begonnen. Die Vordienstzeiten seien für die Bemessung des Urlaubsausmaßes insgesamt mit dem Höchstmaß von 5 Jahren angerechnet worden. Dem Kläger habe zuletzt lediglich ein Urlaub von 24 Werktagen gebührt, welcher aliquot abgefunden worden sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines Teilbetrages von S 701,78 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest:

Die Beklagte wollte die illiquide A*** nur übernehmen, wenn deren Arbeitnehmer zur Weiterarbeit bei ihr bereit und nur geringste Belastungen zu erwarten seien. Um sicher zu gehen, daß sie keine versteckten Verbindlichkeiten übernehme, erwarb sie nur das Anlagevermögen der A***.

Am schlossen der Kläger, die A*** und die Beklagte eine schriftliche Vereinbarung folgenden Wortlauts:

"1. Das Dienstverhältnis des Herrn Münzer Erwin mit der A*** wird einvernehmlich per gelöst.

2. Herr Münzer Erwin erklärt, alle ihm zustehenden Zahlungen seitens der A*** sowie den ihm zustehenden Urlaub erhalten zu haben und keine wie immer gearteten Ansprüche gegen die A*** zu haben oder zu stellen.

3. Die Firma G*** erklärt, Herrn Münzer Erwin zu den gleichen Bedingungen und Kündigungsfristen, die für ihn bei der A*** gemäß Kollektivvertrag für die österreichische Schuhindustrie gegolten haben, weiter zu beschäftigen und die Vordienstjahre für die dem Dienstnehmer nach dem zustehenden Urlaubsgeld-, Weihnachtsgeld- und Krankengeldansprüche anzurechnen. Desgleichen gelangen die Vordienstjahre für die Bemessung des Urlaubes zur Anrechnung........"

Für die Zeit vom bis erhielt der Kläger eine Urlaubsabfindung in Höhe von S 2.807,14 brutto. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Urlaubsanspruch des Klägers jeweils mit dem Beginn des neuen Arbeitsjahres am 15. November entstanden sei. Auf Grund der zwischen dem Kläger und der Beklagten getroffenen Vereinbarung seien die Dienstzeiten bei der A*** und der Beklagten zusammenzurechnen und die Vordienstzeit bei der L*** Kohlenbergbau Gesellschaft mbH im Höchstausmaß von fünf Jahren anzurechnen. Daraus ergebe sich eine maßgebliche Gesamtdienstzeit von 20 Jahren und 7 1/2 Monaten, so daß dem Kläger für das Arbeitsjahr 1983/84 ein Urlaubsanspruch von 30 Werktagen (fünf Wochen) zugestanden sei. Demgemäß gebühre dem Kläger noch eine restliche Urlaubsabfindung von S 701,80 brutto. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der A*** fortgesetzt habe. Die bei der A*** geleistete Dienstzeit sei als bei der Beklagten selbst verbracht, sohin gleichsam als Dienstzeit bei demselben Arbeitgeber anzusehen. Es seien daher für die Bemessung des Urlaubsausmaßes die Dienstzeiten bei der A*** und bei der Beklagten zusammenzurechnen und die Dienstzeit bei der L*** Kohlenbergbau

Gesellschaft mbH im Ausmaß von fünf Jahren anzurechnen. Da der Kläger mit Ablauf des 20 Dienstjahre vollendet gehabt habe, gebühre ihm für das mit 22. Juli beginnende neue Arbeitsjahr jedenfalls ein Urlaub von 30 Werktagen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes können die zu

§ 23 Abs 3 AngG hinsichtlich der Abfertigung eines Angestellten entwickelten Grundsätze nicht schlechthin auf die Zusammenrechnungsvorschrift des § 3 Abs 1 UrlG übertragen werden.

§ 23 Abs 3 AngG geht von der "Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen" aus, während § 3 Abs 1 UrlG die Zusammenrechnung von Dienstzeiten bei "demselben Arbeitgeber" vorschreibt. Dienstzeiten bei demselben Arbeitgeber im Sinne des § 3 Abs 1 UrlG sind alle Beschäftigungszeiten, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Unternehmens

(vgl. Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 108 ff) als Lehrling, Arbeiter oder Angestellter zurückgelegt wurden. Es kommt auf die Nämlichkeit des Arbeitgebers an (Schwarz-Löschnigg aaO 272).

Nach Lehre und Rechtsprechung ist grundsätzlich davon auszugehen, daß ein Arbeitsverhältnis mit dem Wechsel des Unternehmensinhabers endet, es sei denn, das Arbeitsverhältnis wird durch den Übernehmer ausdrücklich oder stillschweigend fortgesetzt. Diese Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen bewirkt, daß der bisherige Arbeitgeber aus dem Vertragsverhältnis ausscheidet und der Übernehmer des Unternehmens mit allen Rechten und Pflichten an seine Stelle tritt (Arb. 10.223 mwH). In einem solchen Fall kann auch bei einem Wechsel des Unternehmensinhabers weiterhin eine Dienstzeit "bei demselben Arbeitgeber" angenommen werden (Cerny, Urlaubsrecht 50; Arb. 6687, 7237).

Eine solche urlaubsrechtliche Identität des Arbeitgebers liegt jedoch hier nicht vor. Der Kläger hat sein Arbeitsverhältnis zur A*** einvernehmlich aufgelöst und sich hinsichtlich aller Ansprüche gegenüber seinem ursprünglichen Arbeitgeber für abgefunden erklärt. Die Beklagte hat sich zwar verpflichtet, den Kläger unter den gleichen Bedingungen weiterzubeschäftigen, jedoch die Anrechnung von Vordienstzeiten nur hinsichtlich bestimmter Ansprüche vorgenommen (14 Ob 195/86). Die Beklagte hat damit das frühere Arbeitsverhältnis nicht "fortgesetzt", da hiezu ihr Eintritt in das laufende Arbeitsverhältnis erforderlich gewesen wäre (vgl. Martinek-Schwarz, AngG6 § 23 Erl. 19), sondern mit dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen.

Daraus folgt, daß hinsichtlich der bei der A***

zurückgelegten Dienstzeiten nicht eine Zusammenrechnung nach § 3 Abs 1 UrlG, sondern eine Anrechnung nach § 3 Abs 2 Z 1 UrlG unter der Beschränkung des § 3 Abs 3 UrlG zu erfolgen hat, so daß durch die Anrechnung das Höchstausmaß von fünf Jahren insgesamt nicht überschritten werden kann (vgl. DRdA 1985, 140 = ZAS 1985/16 mit zustimmender Besprechung von Müller).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet. In ihrer Berufung hat die Beklagte keine Kosten verzeichnet.