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OGH vom 05.09.2017, 14Os70/17a

OGH vom 05.09.2017, 14Os70/17a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 38 Hv 86/16p des Landesgerichts Innsbruck, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom , GZ 38 Hv 86/16p71, wurde Christian G***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (1) sowie des (richtig:) Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf ein Urteil des Landesgerichts Innsbruck (zum AZ 39 Hv 82/16g) zu einer Zusatzstrafe in Form einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Seine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom , AZ 15 Os 18/17m, 15 Os 19/17h, zurück.

Das Oberlandesgericht Innsbruck gab seiner gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufung mit Urteil vom , AZ 7 Bs 134/17i, Folge und setzte die Zusatz(freiheits)strafe auf 14 Jahre herab.

Mit dem am beim Obersten Gerichtshof eingelangten Antrag begehrt Christian G***** mit der Behauptung mehrfacher Verstöße gegen Art 6 und 13 MRK die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO.

Dazu bringt er im Wesentlichen vor, er sei durch die „zu Unrecht“ vorgenommene Trennung des wegen §§ 15, 75 StGB gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens von jenem wegen des Verdachts nach §§ 127 ff StGB und die sodann erfolgte Bestellung eines „neuen Verfahrenshelfers“ für das ausgeschiedene Verfahren in seinen Rechten auf den gesetzlichen Richter, ein faires Verfahren (Art 6 MRK) und eine wirksame Beschwerde (Art 13 MRK) verletzt worden, weil ihm durch die Verfahrenstrennung der (für das Verfahren wegen § 127 StGB zu AZ 39 Hv 82/16g) „zuständige Richter ... entzogen“ wurde und der – aufgrund der späteren Bestellung zudem nicht im Detail mit der Sache vertraute – neu bestellte Verfahrenshilfeverteidiger nicht die Möglichkeit hatte, „Einfluss auf das Ermittlungsverfahren zu nehmen“ und „entsprechende Beweisanträge“, insbesondere auf „die Suche nach dem Profil“ und „die genaue Eruierung der damaligen Position (des Antragstellers) im Zeitpunkt der Schussabgabe“, zu stellen. Darauf gerichtete Begehren seien in der Hauptverhandlung abgewiesen worden. Diese Grundrechtsverletzungen habe der Antragsteller bereits in der Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers gegen seine Bestellung, welcher mit Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom zum AZ 11 Bs 247/16k nicht Folge gegeben worden war, weiters im – mit Entscheidung des selben Gerichts vom zum AZ 11 Bs 226/16k abgewiesenen – Einspruch gegen die Anklageschrift vom und zuletzt in seiner gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom , GZ 38 Hv 86/16p-71, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht.

Darüber hinaus seien durch die Abweisung mehrerer Anträge auf „Übermittlung eines Aktendoppels“ an den Antragsteller persönlich „grundlegende Verfahrensrechte gröblich verletzt“ worden und einer dagegen gerichteten Beschwerde, in der ein dadurch bewirkter Verstoß gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art 13 MRK geltend gemacht worden war, mit Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom zum AZ 11 Bs 381/16s, gleichfalls nicht Folge gegeben worden.

Rechtliche Beurteilung

Dem Antrag kommt keine Berechtigung zu.

Beim – nicht auf ein Erkenntnis des EGMR gestützten – Antrag auf

Erneuerung des Strafverfahrens handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf, für den alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten

Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und Art 35 EMRK sinngemäß gelten. Die Zulässigkeit hängt damit (auch) von der Einhaltung der nach Art 35 Abs 1 MRK gebotenen sechsmonatigen Antragsfrist sowie von der vorherigen Erschöpfung des Instanzenzugs ab. Wurde die im Erneuerungsantrag behauptete Grundrechtsverletzung in Bezug auf schöffen- und geschworenengerichtliche Urteile in einer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht, steht einer nochmaligen Anrufung des Obersten Gerichtshofs die Zulässigkeitsbeschränkung des § 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK entgegen, weil der Antrag solcherart „im Wesentlichen“ mit einer schon vorher durch ihn geprüften „Beschwerde“ übereinstimmt (RIS-Justiz RS0122737 [insb T 11]).

Letzteres trifft vorliegend sowohl auf die Behauptungen einer Verletzung von Art 6 Abs 1 MRK, konkret des Rechts auf den gesetzlichen Richter durch Verstoß gegen die Geschäftsverteilung und jenes auf ein faires Verfahren zufolge Nichtdurchführung begehrter Beweisaufnahmen, als auch auf das kritisierte Unterbleiben der Zustellung einer Aktenkopie an den Antragsteller zu, weil sich das Antragsvorbringen inhaltlich mit jenem der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom , GZ 38 Hv 86/16p71, deckt (ON 94; 15 Os 18/17m, 15 Os 19/17h, US 3 ff).

Die Entscheidung des Höchstgerichts selbst aber ist nicht Gegenstand eines Erneuerungsantrags ohne vorherige Anrufung des EGMR (RISJustiz RS0130261; erneut RS0122737 [T23, T 39]).

Inwiefern der Antragsteller – trotz der (vorliegend auch in Anspruch genommenen) gesetzlich eingeräumten Rechtsmittelmöglichkeiten – in seinem Recht auf eine wirksame Beschwerde im Sinn des Art 13 MRK beeinträchtigt worden sein soll, erklärt er darüber hinaus nicht (Grabenwarter/Pabel, EMRK6§ 24 Rz 197).

Bleibt daher nur der Vollständigkeit halber anzumerken,

dass die (hier auch nach dem Antragsvorbringen nur den Angeklagten selbst, nicht aber dessen Verteidiger betreffende) Verweigerung von Akteneinsicht zwar keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 (§ 345 Abs 1 Z 4) StPO bewirkt, jedoch – hier nicht erfolgte Antragstellung in der Hauptverhandlung vorausgesetzt – mit Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 [§ 345 Abs 1 Z 5] StPO) geltend gemacht werden kann (

RIS-Justiz

RS0097967).

Sofern sich der Antrag auch gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Innsbruck vom , AZ 11 Bs 247/16k und AZ 11 Bs 226/16k, sowie gegen jenen vom , AZ 11 Bs 381/16s, richten soll, ist er hinsichtlich der beiden erstgenannten Entscheidungen verfristet und scheitert darüber hinaus insgesamt daran, dass er sich auf die Verweigerung von Beschuldigtenrechten stützt, die – nach dem Vorgesagten – im Hauptverfahren wirksam (vgl Art 13 MRK) durchgesetzt werden können, wobei nach den bereits erwähnten Zulässigkeitskriterien (Art 34 und Art 35 MRK) erst die letztinstanzliche Entscheidung nach Ausschöpfung des (horizontalen und vertikalen) innerstaatlichen Instanzenzugs anzufechten ist (vgl erneut RISJustiz RS0122737).

Davon abgesehen lässt er die erforderliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den Beschlüssen des Oberlandesgerichts zur Gänze vermissen (RIS-Justiz RS0124359).

Der Antrag war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO; vgl dazu 17 Os 11/12i).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00070.17A.0905.000
Schlagworte:
Strafrecht

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