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OGH vom 07.03.2002, 8ObS316/01f

OGH vom 07.03.2002, 8ObS316/01f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich und Robert Hauser als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. Nenad K*****, und 2. Amer C*****, beide vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei IAF Service GesmbH, Geschäftsstelle Wien, 1040 Wien, Operngasse 17-21, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 4.010,01 und EUR 4.579,33 Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 7 Rs 206/01t-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 13 Cgs 183/00x-16, bestätigt wurde in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 717,26 (darin enthalten EUR 114,42 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger waren bei der späteren Gemeinschuldnerin bereits ab bzw als Elektriker beschäftigt, als am das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Berichtstagsatzung fand am statt. Mit Beschluss des Konkursgerichtes vom wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet. Der Masseverwalter hat das Dienstverhältnis der Kläger mit Schreiben vom bzw gemäß § 25 KO zum gekündigt. Die Kläger haben ihre der Höhe nach unstrittigen Entgeltansprüche für die Zeit von Februar bis im Konkursverfahren angemeldet und Insolvenz-Ausfallgeld beantragt. Die Beklagte hat diesen Antrag jedoch hinsichtlich der Entgeltansprüche ab mit der Begründung abgelehnt, dass die Kläger nicht bei der ersten nicht vollständigen Zahlung des Entgeltes, und zwar der Februarlöhne 2000 ihren Austritt erklärt hätten.

Mit ihren Klagen begehren nunmehr die Kläger die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für diese Entgeltansprüche ab und machen zusammengefasst geltend, dass der Tatbestand des § 3a Abs 2 Z 5 IESG vorliege. Den Klägern sei hinsichtlich ihrer Verpflichtung, unverzüglich den Austritt zu erklären, eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, auch sei eine Beendigung aus “anderen Gründen” gleich gestellt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass grundsätzlich Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt nur bis zur Berichtstagsatzung gebühre und insoweit auch zuerkannt worden sei. Die Voraussetzungen für einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld seien nicht gegeben, da die Bestimmungen des § 3a Abs 2 Z 2 bis 4 IESG nicht erfüllt seien und die Kläger auch nicht infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung des Entgeltes vorzeitig ausgetreten wären. Das Entgelt sei bereits ab nicht mehr bezahlt worden. Die Auflösung “aus anderen Gründen” im Sinne des § 3a Abs 2 Z 5 IESG sollen nur jene Fälle erfassen, in denen kein vorzeitiger Austritt möglich sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es begründete dies rechtlich im Wesentlichen damit, dass aus § 3a IESG eine Pflicht zum vorzeitigen Austritt bei Fällen der Schmälerung oder des Vorenthaltens des Entgeltes nicht abgeleitet werden könne. Die Lösung des Arbeitsverhältnis “aus anderen Gründen” sei völlig gleichgestellt und damit auch die Kündigung durch den Masseverwalter. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es ging dabei unbekämpft auch davon aus, dass der Masseverwalter im Kündigungsschreiben vom gleichzeitig auch erklärte, dass infolge Massearmuts keine weiteren Masseforderungen mehr befriedigt werden könnten und die Kläger daher ihre Forderungen gegenüber der Beklagten geltend zu machen hätten. Rechtlich folgerte es, dass vom § 3a Abs 2 Z 5 IESG auch die Lösung “aus anderen Gründen” erfasst sei. Insgesamt sei die gesetzliche Regelung unklar. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass einem Arbeitnehmer bewusst sei, dass er bei einem bereits gekündigten Arbeitsverhältnis dieses durch vorzeitigen Austritt noch lösen müsse. Der Masseverwalter könne aufgrund seines Überblicks besser beurteilen, inwieweit ein Dienstnehmer noch weiter gebraucht werde. Es sei dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, aus der Gesetzesbestimmung des § 3 Abs 2 Z 5 IESG zu erkennen, dass zu einer Erlangung des Ausfallgeldes auch noch ein Austritt erforderlich gewesen wäre. Auch die Beendigung durch den Masseverwalter sei als Beendigung im Sinne des § 3a Abs 2 Z 5 IESG anzusehen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da zur Frage der Austrittspflicht des Arbeitnehmers gemäß § 3a Abs 2 Z 5 IESG nach Kündigung durch den Masseverwalter keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

§ 3a Abs 2 IESG regelt im Falle der Konkurseröffnung die Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld nach der Eröffnung des Konkurses dahin, dass diese grundsätzlich bis zur Berichtstagsatzung im Sinne des § 91a KO gebühren bzw falls eine solche nicht stattfindet, bis zum Ende des dritten Monats nach Konkurseröffnung (vgl § 3a Abs 2 Z 1 und 3 IESG). Ferner ist aber auch vorgesehen, dass die Ansprüche auf laufendes Entgelt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gesichert sind, wenn dieses bereits vor der Berichtstagsatzung gelöst wurde oder innerhalb eines Monats nach der Berichtstagsatzung, auf der kein Beschluss über die unbefristete Fortführung des Unternehmens gefasst wurde, eine Lösung nach § 25 KO erfolgte (vgl § 3a Abs 2 Z 2 und 4 KO). Letztlich - und hier für das laufende Entgelt (vgl zu den Beendigungsansprüchen nach § 3b IESG RIS-Justiz RS0114971 = ) maßgeblich - wird in dieser Bestimmung noch angeordnet, dass ebenfalls bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld als “Ausfallshaftung” gebührt, wenn nach der Berichtstagsatzung oder nach Ablauf der Dreimonatsfrist vor Aufhebung des Konkurses oder innerhalb des Erfüllungszeitraumes eines Zwangsausgleiches der Arbeitnehmer infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung ihm zukommenden Entgeltes deshalb seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt oder “das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen” gelöst wird. Da hier nun kein vorzeitiger Austritt erklärt wurde, stellt sich einerseits die Frage, was unter der Lösung “aus anderen Gründen” zu verstehen ist, weiters ist auf dem von der Beklagten erhobenen Einwand einzugehen, dass unabhängig von der Frage der Lösung jedenfalls die Kläger ihren vorzeitigen Austritt hätten erklären müssen. Was nun unter den “anderen Gründen” der Lösung zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht unmittelbar geregelt. Weder in der Regierungsvorlage (Beilage 737 der 20.GP) noch im Ausschussbericht (802 der Beilagen 20. GP) zur Novelle BGBl 107/1997, mit der diese Bestimmung geschaffen wurde, finden sich dazu Anhaltspunkte. Es ist nun wohl davon auszugehen, dass es sich um eine unter den Zielrichtungen der Novelle BGBl 107/1997 dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers wegen der Entgeltschmälerung gleichwertige Lösung des Arbeitsverhältnis handeln muss. Die wesentliche Zielrichtung der Novelle gerade im Zusammenhang mit der Schaffung des § 3a Abs 2 bis 4 IESG lag nun zufolge der Regierungsvorlage (Beilage 737 der 20.GP, 10) darin, die “Zwangskreditfunktion” des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds einzuschränken. Dabei wird der Berichtstagsatzung, in der entschieden wird, ob das Unternehmen fortgeführt wird, eine zentrale Rolle eingeräumt. Ist doch in dieser auch über die Fortführung oder Schließung des Unternehmens zu unterscheiden (vgl § 91a KO). Auch die besonderen Auflösungsrechte im Konkurs nach § 25 KO knüpfen an die Berichtstagsatzung und den Beschluss über die Schließung des Unternehmens an. Insgesamt kann daraus wohl abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber einerseits beabsichtigte, durch das Abstellen der Regelung über die Entgeltsicherung auf die Entscheidung der Unternehmensfortführung, diese nicht zu behindern, andererseits aber das Risiko einer erfolglosen Unternehmensfortführung nicht auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu überwälzen, weshalb nach der Berichtstagsatzung bzw der Dreimonatsfrist bei noch unbeendeten Arbeitsverhältnissen auch nur noch eine Ausfallshaftung vorgesehen wurde. Das wesentliche Risiko liegt darin, dass von einer Beendigung der Arbeitsverhältnisse abgesehen wird, obwohl das laufende Entgelt nicht mehr aus der Masse getragen werden kann. Durch das Unterlassen einer Beendigungserklärung vergrößerten sich die Kosten für das laufende Entgelt um weitere Perioden.

Wenn der Masseverwalter das Arbeitsverhältnis aber bereits - wie sich aus der Bezugnahme auf § 25 KO ergibt - ohnehin nur unter Einhaltung der zwingenden gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen aufgekündigt hat, weil eine Bezahlung des Entgelts aus der Masse nicht mehr möglich ist, so tritt eine solche Vergrößerung der Kosten nicht mehr ein. Es wird das Risiko des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds dadurch nicht wesentlich gegenüber einem Austritt des Arbeitsnehmers wegen Vorenthaltung der Entgeltzahlung erhöht, jedoch steht der Arbeitnehmer dem Unternehmen weiter bis zur Beendigung der Kündigungsfrist zur Verfügung. Gerade bei Kündigungsfristen, die drei Monate nicht übersteigen, hätte der Arbeitnehmer im Falle seines berechtigten vorzeitigen Austrittes den Anspruch auf die Kündigungsentschädigung einer Anrechnung anfälliger anderweitig erzielter Entgelte, der auch durch das IESG abgedeckt wäre (vgl dazu auch § 1162b ABGB § 1 Abs 3 Z 3 IESG). Würde man also davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer auch bei einer Kündigung durch den Masseverwalter wegen Massearmut unter Enthaltung der Mindestkündigungsfristen, dann trotzdem noch seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklären muss, um von der Sicherung des § 3a Abs 2 Z 5 IESG erfasst zu sein, so würde dies nur zu einer Schädigung der Masse führen - da der Arbeitnehmer ja dann nicht mehr zur Verfügung steht - ohne eine relevante Verringerung des Finanzierungsrisikos des Fonds zu bewirken.

Daher ist eine Kündigung des Masseverwalters wegen der mangelnden Finanzierbarkeit des laufenden Entgeltes unter Einhaltung der Mindestkündigungsfristen unter dem Aspekt des § 3a Abs 2 Z 5 IESG dem berechtigten vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers wegen der Schmälerung des Entgeltes gleichzuhalten und für den Sicherungsanspruch der vorzeitige Austritt nicht erforderlich. Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a IESG. Es war aber nur der einfache Einheitssatz zuzusprechen (vgl § 23 Abs 3 RATG).