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OGH vom 30.08.2011, 10ObS65/11y

OGH vom 30.08.2011, 10ObS65/11y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Puttinger Vogel Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen vorzeitiger Alterspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 30/11k 11, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am geborene Klägerin hat sich im Zeitraum vom bis neben ihrer der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliegenden unselbständigen Erwerbstätigkeit wegen der Pflege eines nahen Angehörigen gemäß § 18b ASVG in der Pensionsversicherung freiwillig selbst versichert. Mit wurde ihr die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in Höhe von 1.286,44 EUR monatlich zuerkannt, wobei die für die genannten Monate der Selbstversicherung entrichteten Beiträge gemäß § 248a ASVG als Beiträge der Höherversicherung angerechnet wurden. Ohne Berücksichtigung der Beiträge zur Selbstversicherung hätte der Klägerin ab eine Leistung von 1.275,82 EUR gebührt. Würden die Beitragsgrundlagen für die freiwillige Selbstversicherung hingegen neben den für denselben Zeitraum ermittelten Beitragsgrundlagen der Pflichtversicherung bei der Bildung der Bemessungsgrundlage für die Leistung nach § 238 ASVG zusätzlich (voll) berücksichtigt, hätte die vorzeitige Alterspension der Klägerin ab 1.301,58 EUR betragen.

Das auf Zahlung der auf diese Weise berechneten höheren Leistung gerichtete Klagebegehren wurde von den Vorinstanzen abgewiesen.

Die Klägerin vertritt auch in dritter Instanz die Auffassung, der Gesetzgeber habe für die Gruppe der vor dem geborenen, nach § 18b ASVG selbstversicherten und zugleich aufgrund einer Erwerbstätigkeit pflichtversicherten Personen offensichtlich übersehen, dass § 233 ASVG das Prinzip des Nachrangs einer freiwilligen Versicherung gegenüber einer Pflichtversicherung normiere. Dies habe zur Folge, dass die Zeiten der Selbstversicherung nach § 18b ASVG entgegen der „eigentlichen“ Absicht des Gesetzgebers neben einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit nur mit einem Steigerungsbetrag im Rahmen der Höherversicherung, nicht jedoch in Höhe der vollen Beitragsleistung bei der Berechnung der Pension berücksichtigt werden. Es sei von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auszugehen, die verfassungskonform durch gleiche Bewertung der Beitragsmonate der Selbstversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger mit Beitragszeiten aus der Pflichtversicherung einer Erwerbstätigkeit zu schließen sei. Jede andere Rechtsmeinung benachteilige jene ASVG Versicherten, die neben der Pflege eines nahen Angehörigen eine Erwerbstätigkeit ausüben, also eine Doppelbelastung zur Vermeidung einer späteren Arbeitslosigkeit auf sich nehmen und höhere Beitragsleistungen erbrächten.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu erwidern, dass von einer Gesetzeslücke (zum Begriff siehe zB 1 Ob 2131/96f, SZ 69/146) keine Rede sein kann, ist doch aufgrund der in § 233 Abs 1 ASVG und in § 248a ASVG getroffenen Anordnungen klar, dass Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der Pensionsversicherung, die für eine Zeit entrichtet wurden, die gleichzeitig eine Beitragszeit der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit ist, als Beiträge zur Höherversicherung in Form eines besonderen Steigerungsbetrags (§ 248 ASVG) honoriert werden. Der Gesetzgeber hat sich für die Einführung einer freiwilligen Selbstversicherung pflegender Angehöriger und eben nicht für eine Pflichtversicherung entschieden. Zutreffend hat das Berufungsgericht das Vorliegen einer Gesetzeslücke daher verneint. Die von der Klägerin gewünschte „Lückenschließung“ verstieße gegen die eindeutige Gesetzeslage.

Die Revisionswerberin macht geltend, die Anwendung des § 18b ASVG iVm §§ 233 und 248a ASVG führe zu einem gleichheits und damit verfassungswidrigen Ergebnis. Die Berücksichtigung bzw Anrechnung einer freiwilligen Selbstversicherung neben Beitragszeiten einer Pflichtversicherung werde zwischen den Personengruppen „pflegender Angehöriger mit Erwerbsarbeit“ und „pflegender Angehöriger ohne Erwerbsarbeit“ bzw zwischen vor dem und nach dem , in den Anwendungsbereich des APG fallenden Geborenen unterschiedlich geregelt. Während die Selbstversicherung für pflegende Angehörige ohne Erwerbstätigkeit sowie auch für jene, die ab geboren sind, in vollem Ausmaß herangezogen werde, werde für pflegende, vor dem geborene Angehörige mit Erwerbstätigkeit die Selbstversicherung nur für die Berechnung einer Höherversicherungsleistung herangezogen. Dies bedeute, dass gleiche Beiträge weniger Wert seien und es negative Auswirkungen habe, wenn selbstversicherte pflegende Angehörige einer Erwerbstätigkeit nachgingen.

Bedenken hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes vermögen die Ausführungen der Revisionswerberin nicht zu erwecken.

Der Gleichheitssatz bindet auch den Gesetzgeber (zB VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von verfassungswegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (zB VfSlg 16.504/2002).

Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und bei der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen anknüpfenden sozialen Maßnahmen sowohl ein weiter Beurteilungsspielraum als auch ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu (VfGH G 165/08 ua).

Zutreffend hat das Berufungsgericht den von der Klägerin vorgenommenen Vergleich mit den nach dem geborenen, dem APG unterliegenden Versicherten von vornherein nicht für zielführend beurteilt, wurde doch mit dem APG durch die Einführung des Pensionskontos (§§ 10 ff APG) das System der Verrentung der Beitragszahlungen grundlegend geändert (vgl Teschner/Widlar/Pöltner , ASVG § 1 APG Anm 2). Diese Systemänderung liegt im weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass dem österreichischen Sozialversicherungsrecht das Prinzip der Äquivalenz von Beitrag und Leistung fremd ist (vgl VfGH G 165/08 ua mwN). Vor diesem Hintergrund ist dem Berufungsgericht nicht entgegenzutreten, wenn es die sich aus § 18b ASVG iVm §§ 233, 248a ASVG ergebende Diffenzierung dahin, ob neben der Pflege noch eine der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegende Erwerbstätigkeit ausgeübt wird oder nicht, und ihre mögliche Auswirkung auf die Höhe der Leistung im Einzelfall im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegend beurteilte, weil sie im ersten Fall dazu führe, dass durch die (im Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers stehende) Ermöglichung der freiwilligen Selbstversicherung eine Höherversicherung erreicht werden könne, während im anderen Fall überhaupt erst Beitragsmonate in der Pensionsversicherung erworben würden.