OGH vom 14.02.1990, 9ObA344/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Basalka und Erika Hantschel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Friedrich C***, Angestellter, Wien 16, Roterdstraße 12/13/8, vertreten durch Dr.Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** Sportschuhfabriken Gesellschaft mbH, Wien 3,
Modecenterstraße 22/A 3, vertreten durch Dr.Wilhelm Dieter Deckhart, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 59.452,75 brutto abzüglich S 7.000 netto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Ra 57/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 10 Cga 1560/88-6, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger war bei der Beklagten seit als Angestellter und seit insbesonders als Provisionsvertreter im Außendienst der Verkaufsorganisation beschäftigt. Am wurde er dienstfrei gestellt und mit Schreiben vom zum gekündigt. Er hatte zum Zeitpunkt der Dienstfreistellung noch einen offenen Urlaubsrest von 32,5 Werktagen. Die Beklagte zahlte dem Kläger nur mehr jene Provisionen aus, die aus Geschäften stammten, die der Kläger vor seiner Dienstfreistellung abgeschlossen hatte.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger ursprünglich S 59.452,57 netto sA. Er habe nach dem Kollektivvertrag für Handelsangestellte Österreichs mindestens S 22.000 pro Monat an Gehalt bezogen. Noch im September 1987 habe die Geschäftsleitung Verkaufsziele für bekanntgegeben. Es sei vereinbart worden, daß dem Kläger bei Erreichen dieser Ziele im Bereich Schuhe eine Prämie von S 10.000 und im Bereich Textilien eine solche von S 15.000 gezahlt werde. Dieser Vereinbarung sei zugrundezulegen, daß der Kläger seine Tätigkeit zumindest bis Ende 1987 voll ausführen dürfe. Die Beklagte habe aber trotz dieser Prämienvereinbarung das Dienstverhältnis per gekündigt und den Kläger vom Dienst freigestellt.
Durch die vereinbarungswidrige Dienstfreistellung habe er die versprochenen Prämien nicht verdienen können. Überdies habe ihm die Beklagte für die Zeit der Dienstfreistellung keine Provisionen für die Monate November 1987 bis März 1988 gezahlt. Er verlange daher insbesondere gemäß § 12 AngG die Prämien in Höhe von S 25.000 und eine Provisionsdifferenz im Betrage von S 34.452,57. Den Provisionsanspruch stütze er auch darauf, daß ihm während der Zeit der Dienstfreistellung nicht einmal der kollektivvertragliche Mindestlohn von monatlich S 15.195 gezahlt worden sei. In eventu mache er hinsichtlich der nicht bezahlten Provisionen noch geltend, daß er in der Zeit der Dienstfreistellung keinen Urlaub verbraucht habe und ihm daher auch eine Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung in der genannten Höhe zustehe.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Auf das Dienstverhältnis des Klägers sei nicht der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs, sondern der Kollektivvertrag der Schuhindustrie anzuwenden. Nach dem Dienstvertrag stehe dem Kläger für die Zeit der Dienstfreistellung kein Provisionsanspruch zu. Entsprechend diesem Vertrag habe der Kläger auch während der Zeit der Dienstfreistellung seinen gesamten Erholungsurlaub konsumiert. Nach einem Telex der Beklagten sei der Kläger mit dem Verbrauch des Resturlaubs in der Zeit vom bis einverstanden gewesen.
In der Tagsatzung vom schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger S 7.000 netto an Prämie für 1987 zu zahlen. Dazu wurde im Verhandlungsprotokoll festgehalten, daß Gegenstand des weiteren Verfahrens der Provisionsausfall bleibe, den der Kläger in der Zeit ab seiner Dienstfreistellung erlitten habe.
Der Kläger brachte vor, daß er nunmehr den Betrag von S 59.452,57 brutto abzüglich des verglichenen Betrages von S 7.000 netto aus dem Titel des Schadenersatzes für entgangene Umsatzprovisionen auf Grund der Dienstfreistellung ab fordere. Die Bestimmung des § 10 des Dienstvertrages sei sittenwidrig und verstoße gegen zwingende Bestimmungen des Angestelltengesetzes und des Kollektivvertrags, da die Verdienstsumme bei Dienstfreistellung sogar unter den Ansätzen des Kollektivvertrages liege.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:
Nach § 6 des schriftlichen Dienstvertrages vom ist ein monatliches Bruttogehalt von S 10.000 14mal jährlich und eine Provisionsvergütung vereinbart. Im Bruttogehalt ist eine Überstundenpauschale von 20 Stunden enthalten. Der Nachweis für die Erbringung dieser Überstunden ist der Beklagten monatlich vorzulegen. Das monatliche Bruttogehalt wird entsprechend dem Kollektivvertrag für Angestellte der Schuhindustrie angepaßt. Gemäß § 10 Z 2 des Dienstvertrages ist die Beklagte im Falle der Kündigung berechtigt, den Dienstnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist unter Fortzahlung des monatlichen Bruttogehalts vom Dienst freizustellen. Es gilt vereinbart, daß ein allfällig vorhandener Urlaubsanspruch vom Dienstnehmer vollständig im Zeitraum der Freistellung konsumiert wird. Der Abschluß von Geschäften für den Dienstgeber ist dem Dienstnehmer ab dem Zeitpunkt der Dienstfreistellung untersagt. Provisionsansprüche für dadurch nicht mehr zustandegekommene Geschäfte stehen dem Dienstnehmer nicht zu. Von November 1986 bis Oktober 1987 verdiente der Kläger durchschnittlich S 12.630 brutto monatlich an Provisionen. Der Kläger war nicht damit einverstanden, seinen Resturlaub während der Dienstfreistellung zu verbrauchen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Vereinbarung, der Kläger habe während der Zeit der Dienstfreistellung keinen Anspruch auf Provisionen, gegen zwingende Bestimmungen des Angestelltengesetzes verstoßen und daher rechtsunwirksam sei. Die dem Kläger noch zustehende Provision entspreche dem Durchschnitt seines Provisionseinkommens während des letzten Jahres. Da schon aus dem ursprünglich geltend gemachten Rechtsgrund die volle Klagesumme zuzuerkennen sei, könne eine Auseinandersetzung mit den weiteren Eventualbegehren und den damit verbundenen Rechtsgründen unterbleiben.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat zusammengefaßt die Rechtsauffassung, daß die Bestimmung des § 12 AngG wohl einen vertragswidrigen Eingriff verbiete, nicht aber die Ausübung eines vereinbarten Gestaltungsrechts. Den Parteien stehe hinsichtlich der Provisionsvereinbarung eine weitgehende Vertragsfreiheit zu. Die Parteiendisposition habe lediglich dort ihre Schranke, wo sie den durch Gesetz und Kollektivvertrag gewährleisteten Mindeststandard unterschreite. Dem Kläger stehe daher jedenfalls das kollektivvertragliche Mindestentgelt zu. Diesbezüglich sei das Verfahren noch ergänzungsbedürftig, da das Erstgericht keinerlei Feststellungen dazu getroffen habe, welcher Kollektivvertrag überhaupt anzuwenden und wie der Kläger einzustufen sei. Die Vereinbarung im Dienstvertrag, daß der Erholungsurlaub zur Gänze während der Zeit der Dienstfreistellung zu verbrauchen sei, verstoße in dieser Form gegen das Urlaubsgesetz. Es dürfe das Erholungsinteresse des Arbeitnehmers nicht völlig außer acht gelassen werden und es sei die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer im Einzelfall zu prüfen, was ebenfalls bisher noch nicht geschehen sei. Sollte es sich herausstellen, daß der Kläger zumindest einen Urlaubsteil verbrauchen hätte können, stünde ihm hiefür ungeachtet des mit der Dienstfreistellung verbundenen Widerrufs der Provisionsvereinbarung ein die durchschnittliche Provision berücksichtigendes Urlaubsentgelt zu. Auch für diese ergänzende Prüfung des Klagebegehrens fehle es noch an jeglichen Feststellungen. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil zur Gänze, in eventu hinsichtlich eines Teilzuspruches von S 23.155 sA bestätigt werde. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
Die Beklagte beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, bleibt die Ausgestaltung einer Vereinbarung über den Anspruch auf Provision nach § 11 AngG, soweit sie nicht kollektivvertraglichen Entgeltregelungen widerspricht, der Parteiendisposition überlassen. Daraus folgt, daß die Vereinbarung nach § 10 Z 2 des Dienstvertrages vom über den Ausschluß von Provisionsansprüchen für nicht mehr zustandegekommene Geschäfte während der Dienstfreistellung entgegen der Ansicht des Erstgerichts und des Rekurswerbers nicht etwa deshalb unwirksam ist, weil sie eine Verschlechterung seiner Verdienstmöglichkeiten zur Folge hatte (vgl. Arb. 9.557, 10.477 ua). Sie verstößt auch mangels entsprechender Feststellungen nicht gegen Treu und Glauben oder gegen die guten Sitten (vgl. EvBl 1978/98, 1984/48 ua). Der Entschädigungsanspruch des § 12 AngG setzt aber ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers voraus, das den Angestellten am Verdienen von Provisionen hindert. Darunter ist jedes schuldhafte Verhalten des Arbeitgebers zu verstehen, das mit der zwischen ihm und dem Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarung in Widerspruch steht. Ob ein solcher Widerspruch vorliegt, richtet sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages, dessen Gestaltung der Parteiendisposition überlassen bleibt (Martinek-Schwarz, AngG6 § 12 Erl. 3; Jabornegg, HVG § 10 Erl. 3.2).
Mit seinem Einwand, die Beklagte habe hinsichtlich der vom Umsatzziel abhängigen Prämien auf eine Kündigung für das Jahr 1987 konkludent verzichtet, entfernt sich der Rekurswerber von den getroffenen Feststellungen und übergeht den den Anspruch auf Prämien abschließenden Prozeßvergleich. Gegenstand des weiteren Verfahrens ist nach diesem Vergleich nur mehr der Provisionsausfall, den der Kläger in der Zeit ab seiner Dienstfreistellung erlitten hat. Eine allfällige Verletzung einer Vereinbarung über die Gewährung der Prämien ist daher nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens (vgl. ZAS 1972/22 mit Kritik von Koppensteiner).
Richtig ist, daß der Kläger auch während der Dienstfreistellung gemäß § 3 Abs 1 ArbVG jedenfalls Anspruch auf die kollektivvertragliche Entlohnung hatte (Arb. 9.519, 9.699, 10.290 uva). Wie hoch dieses Mindestentgelt ist, steht noch nicht fest, da das Erstgericht weder Feststellungen zur Kollektivvertragsangehörigkeit (vgl. Arb. 10.559) noch zur konkreten Einstufung des Klägers getroffen hat. Dem § 10 Z 2 des Dienstvertrages vom ist zwar nicht zu entnehmen, daß die Beklagte nur berechtigt gewesen wäre, den Kläger für die Dauer der "gesetzlichen" Kündigungsfrist dienstfrei zu stellen, da diesbezüglich von der "Dauer der Kündigungsfrist" die Rede ist, doch sind die Dauer der Dienstfreistellung und die tatsächliche Kündigungsfrist nicht ident. Die tatsächliche Kündigungsfrist lief (unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Kündigungstermin) ab jenem Zeitpunkt, an dem dem Kläger die Kündigung zuging, bis zum Ende des Dienstverhältnisses. Nur insoweit war eine Dienstfreistellung vereinbart und nur insoweit kann sich sohin der Ausschluß von Provisionsansprüchen während der Dienstfreistellung auf den Dienstvertrag stützen. Für den Zeitraum ab der Dienstfreistellung bis zum Zugang der Kündigung stehen dem Kläger im Sinne des § 12 AngG noch Provisionsansprüche zu.
Auf den weiteren, den geltend gemachten Anspruch stützenden Rechtsgrund der noch ausstehenden Urlaubsentschädigung kommt der Kläger in seinem Rekurs nicht mehr zurück. Es kann diesbezüglich auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 48 ASGG). Ergänzend ist auszuführen, daß gemäß § 4 Abs 1 UrlG der Zeitpunkt des Urlaubsantritts zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zu vereinbaren ist. Bei dieser Bestimmung handelt es sich gemäß § 12 UrlG um zwingendes Recht zugunsten des Arbeitnehmers. Die Vereinbarung eines Urlaubsverbrauchs während einer im voraus nicht zeitlich eingeordneten Kündigungsfrist trägt im Hinblick auf die einseitige Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitgebers dem Erfordernis der Rücksichtnahme auf die Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers nicht Rechnung; sie verhindert vielmehr eine den jeweiligen Wünschen und Möglichkeiten entsprechende Urlaubsgestaltung des Arbeitnehmers (9 Ob A 72/89). Auch betriebliche Erfordernisse (wie etwa ein Betriebsurlaub) können dabei keine Rolle mehr spielen, so daß diesbezüglich keine Interessenabwägung erfolgen kann. Es bleibt daher die ebenfalls einseitig zwingende Regel des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG beachtlich, wonach es Voraussetzung für eine Urlaubsentschädigung ist, daß bei einer Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten der Urlaubsverbrauch während der Dauer der Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer nicht zumutbar war (vgl. Cerny, Urlaubsrecht4 120 f; WBl. 1988, 372 ua). Dem Einwand der Beklagten, das Berufungsgericht habe ihre Behauptung nicht geprüft, daß der Kläger mit dem Urlaubsverbrauch (abgesehen vom Dienstvertrag) einverstanden gewesen sei, ist entgegenzuhalten, daß eine solche Behauptung in erster Instanz nicht aufgestellt wurde. Die Beklagte brachte in der Tagsatzung vom lediglich vor, daß der Kläger nach einem Telex der Beklagten von Wien nach Klagenfurt einverstanden gewesen sei, den Resturlaub vom bis zu konsumieren. Da dieses Telex von der Beklagten selbst stammt, gibt es nur ihre Behauptung wieder. Beweise für diese Behauptung wurden aber gar nicht angeboten. Die Kostenentscheidung ist, da es auf Grund des Rekurses zu einer weiteren Differenzierung hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches gekommen ist, in § 52 Abs 1 ZPO begründet.