OGH vom 07.09.2022, 13Os49/22p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 17 Hv 53/21f-43, und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 3 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in G*
(I) fremde Sachen zerstört, beschädigt oder verunstaltet und dadurch einen insgesamt 5.000 Euro nicht übersteigenden Gesamtschaden herbeigeführt, und zwar
A) am 15. und am (US 4) Fassaden und zwei unter Denkmalschutz stehende Statuen der Stadt G*, indem er auf diese den arabischen Schriftzug „ALLAHU AKBAR“ sprühte, sowie
B) am einen Haftraum des Polizeianhaltezentrums G*, indem er Sesselleisten und ein Heizkörperventil herunterriss.
[3] Hingegen wurde er auf der Basis entsprechender Negativfeststellungen von dem wider ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen, er habe sich
(II) „seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis dato als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat, die darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben wird, in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB), dadurch diese terroristische Vereinigung in deren Ziel der Errichtung eines nach radikal-islamistischen Grundsätzen ausgerichteten, auch als Kalifat bezeichneten Gottesstaates und deren zur Erreichung dieses Zieles erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten gemäß dem § 278c Abs 1 StGB zu fördern, beteiligt, indem er im Rahmen der kriminellen Ausrichtung der Vereinigung die zu dem Punkt I.A. beschriebenen strafbaren Handlungen beging und am auf seinem öffentlich zugänglichen Instagram-Profil 'nizar_181', das ein periodisches öffentliches Medium (§ 1 Abs 1 Z 5a lit. b MedienG) darstellt, eine IS-Flagge veröffentlichte“ und
(III) „durch die zu Punkt II. dargestellten Handlungen als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) beteiligt, dadurch diese terroristische Vereinigung in deren Ziel der Errichtung eines nach radikal-islamistischen Grundsätzen ausgerichteten, auch als Kalifat bezeichneten Gottesstaates und deren zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten gemäß dem § 278c Abs 1 StGB zu fördern“.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen den Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
[5] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Negativfeststellungen in Bezug auf die subjektive Tatseite des § 278a StGB und des § 278b Abs 2 StGB (US 5) aus der insoweit leugnenden Verantwortung des Angeklagten (US 6 und 8) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
[6] Dass das Gericht aus Verfahrensergebnissen andere als die von der Staatsanwaltschaft gewünschten Schlüsse zog, begründet keine Nichtigkeit (RISJustiz RS0098362).
[7] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider war beim Ausspruch über entscheidende Tatsachen weder auf die persönliche Meinung der Zeugen Insp. T*, AI L* und RevInsp. E*, ob sie die Angaben des Angeklagten in Bezug auf den Islam, Juden und „Ungläubige“ ernst genommen hätten, noch auf die Einschätzung der Zeugin P*, wonach der Angeklagte sehr stark radikalisiert sei, einzugehen, weil Gegenstand einer Zeugenaussage nur sinnliche Wahrnehmungen des Zeugen sind (RISJustiz RS0097545).
[8] Die Behauptung, das Erstgericht habe Inhalte des InstagramAccounts des Angeklagten mit Bezug zum „Islamischen Staat“ (ON 42 S 4 iVm ON 2 S 27 bis 41) übergangen (Z 5 zweiter Fall), trifft nicht zu (US 6 f).
[9] Ebenso wenig hat das Erstgericht die gegenüber den Beamten der Kriminalpolizei getätigten Äußerungen des Angeklagten betreffend den „Islamischen Staat“ übergangen. Vielmehr ging das Gericht davon aus, dass der Angeklagte sich dadurch nur „wichtig machen“ und die Beamten und den Haft- und Rechtsschutzrichter dadurch nur „beeindrucken“ wollte (US 6). Das Eingehen auf jedes Detail dieser Aussagen war aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO nicht erforderlich, es hätte vielmehr gegen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RISJustiz RS0098778 und RS0106295).
[10] Soweit die Rüge aus einem Verfahrensergebnis anhand eigener Beweiswerterwägungen andere, nämlich für den Standpunkt der Staatsanwaltschaft günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, bekämpft sie die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[11] Da die (mit Mängelrüge erfolglos bekämpften) Negativfeststellungen den Freispruch vom Anklagevorwurf tragen, erübrigt sich ein Eingehen auf die Behauptung eines Mangels an Feststellungen zu anderen Tatbestandsvoraussetzungen (Z 9 lit a).
[12] Soweit die Rüge § 282a Abs 2 StGB betreffende „(Ersatz)Feststellungen“ vermisst und solcherart auch die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite bestreitet, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810).
[13] Hinzugefügt sei, dass im Umfang des Vorwurfs des Verunstaltens fremder Sachen durch die zu I.A. beschriebene Tathandlung zu II. und III. kein (Qualifikations)Freispruch zu fällen, sondern die Subsumtion schlicht nicht vorzunehmen gewesen wäre (siehe dazu RISJustiz RS0115553).
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[15] Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00049.22P.0907.000 |
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