OGH vom 05.09.2017, 14Os68/17g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Klaus O***** wegen Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 78 Hv 59/17a-49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Klaus O***** mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III) sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (I), des Landzwangs nach § 275 Abs 1 StGB (II) und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.
Danach hat er in K*****
(I) von Oktober 2015 bis Ende Jänner 2016 in wiederholten Angriffen mehrere Hauswände unbekannter Eigentümer im Innenstadtgebiet (1) und öffentlich zu Werbezwecken angebrachte Plakate des Stadttheaters K***** durch Beschriften mit obszönen Textierungen verunstaltet (1 und 2) und unbrauchbar gemacht (2),
(II) am einen großen Personenkreis von rund 850 Menschen durch die Drohung mit einem Angriff auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit in Furcht und Unruhe versetzt, indem er bei der Notrufzentrale telefonisch durch die Äußerung „Bombe Stadttheater in 20 Minuten“ eine Bombenexplosion während einer Premierenaufführung des Stadttheaters K***** ankündigte;
(III) am durch die zu II geschilderte Handlung Nachangeführte durch gefährliche Drohung mit einer Gefährdung durch Sprengmittel zu Handlungen genötigt, und zwar,
1) Verantwortliche des Stadttheaters K***** zur Abbrechung der Theatervorstellung sowie zur vollständigen Räumung des Stadttheaters;
2) rund 850 namentlich nicht bekannte Theaterbesucher und Mitarbeiter des Stadttheaters K***** zum Verlassen des Stadttheaters K***** während einer Premierenaufführung;
(IV) am durch die zu II geschilderte Handlung einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Polizeibeamten der Stadtleitstelle die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich das Verbrechen der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 173 Abs 1 StGB, wissentlich vorgetäuscht.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Feststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge anfechtbar, als sie (für die
Schuld- oder die
Subsumtionsfrage) entscheidend sind (RIS-Justiz RS0117499). An dieser Voraussetzung scheitert die nominell Unvollständigkeit und offenbar unzureichende Begründung reklamierende Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall), soweit sie sich – im Übrigen großteils mit unzulässiger Beweiswürdigungskritik – auf die Urteilsannahmen zum Motiv des Angeklagten für die Tatbegehung (Kränkung und Rachegefühle zufolge seiner vorangegangenen fristlosen Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis beim Stadttheater K*****) bezieht, in dem das Erstgericht erkennbar keine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erblickte (US 5 bis 17; RIS-Justiz
RS0116737; vgl zur [fehlenden] Entscheidungsrelevanz des Tatmotivs RIS-Justiz RS0088761). Gleiches gilt für die Einwände (nominell erneut Z 5 zweiter und vierter Fall) gegen einzelne Urteilserwägungen in Zusammenhang mit dem – alleine das Gewicht des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 17 StGB betreffenden – Wert des zum Schuldspruch I abgelegten Geständnisses (US 7) und mit der – für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage gleichfalls irrelevanten – Behauptung des Angeklagten, er habe die Telefonzelle aus der der zu den Schuldsprüchen II bis IV inkriminierte Drohanruf kam, zehn bis vierzehn Tage vor dem verfahrensgegenständlichen Vorfall benützt, die er im Ermittlungsverfahren – konfrontiert mit einer möglichen DNA-Analyse – aufstellte.
Unter dem Aspekt solcherart unternommener Infragestellung der – nach Ansicht der Tatrichter – fehlenden Überzeugungskraft der Einlassung des Beschwerdeführers aber verfehlt die Rüge den – nicht in der Sachverhaltsannahme der
Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen gelegenen –
Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431 f).
Indem sie auf das Schlussplädoyer der – nach dem Rügestandpunkt nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugten – Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und deren Reaktion auf das Urteil verweist, macht sie einen Nichtigkeitsgrund nicht geltend.
Mit dem behaupteten Alibi zu den Schuldsprüchen II bis IV (aufgrund eines angeblichen Besuchs einer Videothek zum Tatzeitpunkt) und dem zu dessen Nachweis vorgelegten (Rückgabe-)Beleg hat sich das Erstgericht auseinandergesetzt und dieses Verfahrenser-gebnis auf Basis der als verlässlich erachteten Angaben der Zeugin Luzia S***** zur – nach ihr gegenüber getätigten Aussagen der Geschäftsführerin der betreffenden Videothek – fehlenden Eichung der Zeiterfassung des EDV-Systems für nicht geeignet gehalten, Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten zu begründen (US 10 ff). Mit Spekulationen zu einer möglichen anderen Zeitdifferenz und daraus sowie aus der Einlassung des Beschwerdeführers abgeleiteten gegenteiligen Sachverhaltsannahmen erschöpft sich die Rüge erneut in einer unzulässigen Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die Angaben des Zeugen Heinz O***** zum Zeitpunkt des Drohanrufs stehen nicht im Widerspruch zu jenen der ermittelnden Kriminalbeamtin Luzia S***** und waren damit nicht erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall.
Die anschließenden Berechnungen des Beschwerdeführers, aus denen er abzuleiten versucht, dass seine Anwesenheit zum Tatzeitpunkt am Tatort auszuschließen sei, gehen von der urteilsfremden Prämisse aus, dass ihn ein passiver Anruf auf seinem Handy um 20:45:53 Uhr „23 Meter neben dem Senderstandort R*****“ erreichte. Demgegenüber gingen die Tatrichter aber nicht von diesen ursprünglichen Annahmen der Kriminalpolizei (ON 12 S 21) aus, sondern stellten aufgrund der als verlässlich eingestuften Aussage des informierten Vertreters des Mobilfunkbetreibers, Herbert V*****, ausdrücklich fest, dass sich Klaus O***** zu diesem Zeitpunkt (nur) im – eine Reichweite von 300 bis 350 Metern umfassenden – Bereich des genannten Sendemastes befand (US 9 f). Das Vorbringen geht solcherart prozessordnungswidrig nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus.
Aus welchem Grund die – auf Basis der in der Hauptverhandlung vorgespielten Tonaufnahme der Bombendrohung angestellten – Erwägungen, nach denen der (Droh)Anrufer, der mit verzerrter Stimme sprach, die Stimmlage des Angeklagten hatte, „offenbar willkürlich“ (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall) sein sollen, ist nicht nachvollziehbar.
Mit dem Hinweis auf fehlende „tatsächliche Fakten“ wird einerseits verkannt, dass eine
zwingende Begründung nicht erforderlich ist, sondern – wenn sie wie hier logisch, somit vertretbar sind – auch
Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen, und andererseits übersehen, dass auch
Indizienbeweise zulässig sind (Ratz, WKStPO § 281 Rz 449, 452; RISJustiz RS0098471, RS0098249 [T2]). Dass die Überlegungen der Tatrichter den Beschwerdeführer nicht überzeugen oder aus den aufgenommenen Beweisen auch andere, für ihn günstigere Schlüsse als jene des Erstgerichts möglich gewesen wären, stellt einen (der Sache nach behaupteten) Begründungsmangel im Sinn der Z 5 vierter Fall nicht her (Ratz, WKStPO § 281 Rz 444 ff; für viele: RISJustiz RS0099455).
Die an mehreren Stellen der Beschwerde erfolgte Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) behauptet ebenfalls keinen der von der Z 5 bezeichneten Fehler und zeigt auch keine Nichtigkeit nach Z 5a auf (RISJustiz RS0117445).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge (vgl dazu
RISJustiz
RS0115902) und dessen teilweiser Wiederholung keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (RIS-Justiz RS0099674).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hält mit ihrer Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf sämtliche Schuldsprüche nicht an den gerade dazu getroffenen (hinreichenden) Konstatierungen (US 3 f) fest und verfehlt solcherart den
Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Die Ableitung
dieser Urteilsannahmen aus dem Geständnis des Angeklagten zum Schuldspruch I und (insgesamt) aus dem objektiven Täterverhalten (US 17) ist– entgegen der weiteren Beschwerdekritik (der Sache nach Z 5 vierter Fall) – nicht offenbar unzureichend. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen des Täters ist rechtsstaatlich vertretbar und bei – wie hier
– leugnenden Angeklagten methodisch meist auch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich gegen die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts auch als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (statt als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB; vgl dazu aber Plöchl in WK² StGB § 275 Rz 15; Schwaighofer in WK² StGB § 107 Rz 19). Sie leitet aber die angestrebte rechtliche Konsequenz weder mit der unsubstantiierten Behauptung, dass durch die Abgabe eines fingierten Bombenalarms über die Notrufstelle „zwar eine Räumung des Stadttheaters und ein Abbruch der Theatervorstellung sowie das Verlassen der Räumlichkeit durch die Theaterbesucher ausgelöst, aber nicht erzwungen“ werde, noch mit der Bezugnahme auf eine – einen anderen Sachverhalt, nämlich die Auslösung eines Polizeieinsatzes mittels Bombendrohung, betreffende – Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (13 Os 22/16h) methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz
RS0116565).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00068.17G.0905.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
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