OGH vom 10.08.2021, 14Os67/21s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. SetzHummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Lampret in der Strafsache gegen ***** A***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Geschworenengericht vom , GZ 50 Hv 4/21a-61, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde ***** A***** des Verbrechens des Mordes nach § 15, 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am in L***** versucht, ***** A***** vorsätzlich zu töten, indem er ihr mit der stumpfen Seite eines Beils zumindest vier Mal wuchtig auf den Kopf schlug, wodurch sie fünf zum Teil ausgedehnte und skalpierende Quetschrissverletzungen der Kopfschwarte, eine komplexe Schädelkalottenfraktur mit einer Impressionszone, mehrere Einblutungen unter die Hirnhaut, eine temporale Prellblutung der Großhirnrinde und einen Blutungseinbruch in das Hirnkammersystem erlitt.
[3] Die Geschworenen haben die anklagekonforme Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach § 15, 75 StGB bejaht und demgemäß die Eventualfragen nach den Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB sowie der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 und 5 Z 1 StGB unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die auf § 345 Abs 1 Z 4, 5, 6, 12 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
[5] Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet eine Verletzung des § 260 (gemeint: Abs 1 Z 2) StPO, weil der Angeklagte dem Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO zufolge habe, das Opfer vorsätzlich zu töten, was „die Verurteilung wegen Mordes“ ausschließe und weshalb „das Urteil (...) widersprüchlich, undeutlich und unvollständig“ sei. Allfällige Mängel der Übereinstimmung der Aussprüche nach § 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO sind aber aus Z 4 unbeachtlich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 274). Im Übrigen ist die versuchte Tat derselben materiellen Strafnorm (hier: dem Tatbestand des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB) zu unterstellen wie die vollendete. Die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung ist daher nicht Gegenstand des Ausspruchs nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO, sondern erst bei der (dem Subsumtionsvorgang nachgelagerten) Strafbemessung rechtlich relevant (vgl RIS-Justiz RS0098720, RS0122138; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 30; Danek/Mann, WK-StPO § 270 Rz 18/2; Ratz, WKStPO § 281 Rz 287, 398, 645).
[6] Indem die weitere Verfahrensrüge (Z 5) die Abweisung des vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten Antrags, eine Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 15, 76 StGB an die Geschworenen zu richten (ON 60 S 27), releviert, geht sie im Ansatz fehl, weil Mängel der Fragestellung auch bei diese betreffender Antragstellung nur aus Z 6 geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0101012).
[7] Unter Berufung einerseits auf Passagen der Verantwortung des Angeklagten, er sei aufgrund der zehnmal geäußerten Beleidigungen durch das Opfer wütend gewesen und hätte mit klarem Kopf niemals zurückgeschlagen (ON 60 S 6 ff), andererseits auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, wonach beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt eine (durch länger dauernde konflikthafte Auseinandersetzungen mit dem Opfer zustande gekommene) heftige Erregung vorgelegen sei, welche (im Zusammenhang mit der bestehenden reaktiven Depressivität) zu einer Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit geführt habe (ON 36 S 19, ON 60 S 23), kritisiert die Fragenrüge (Z 6) das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§§ 15, 76 StGB). Damit werden aber nicht Verfahrensergebnisse aufgezeigt, die das Vorliegen einer (also nach einem objektiven Maßstab sittlich verständlichen [vgl RIS-Justiz RS0092115]) heftigen Gemütsbewegung im Tatzeitpunkt (vgl dazu RISJustiz RS0092259, RS0092087, RS0092271) nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizieren würden (RIS-Justiz RS0100860 [T1], RS0101087; Ratz, WKStPO § 345 Rz 23).
[8] Weil der Nachweis von Nichtigkeit nicht auf Grundlage isoliert herausgegriffener Teile der Verantwortung des Angeklagten geführt werden darf, sondern die Einlassung in ihrer Gesamtheit, mit anderen Worten im inneren Sinnzusammenhang, zu berücksichtigen ist (vgl RIS-Justiz RS0120766 [T2, T 3, T 5]; Lässig, WK-StPO § 314 Rz 3), der Angeklagte aber einen Tötungsvorsatz in Bezug auf das Opfer in Abrede gestellt hat (ON 60 S 7 f), scheidet seine Verantwortung – der Beschwerde zuwider – als ernst zu nehmendes Indiz für einen den Gegenstand der Eventualfrage bildenden Sachverhalt a priori aus.
[9] Die Subsumtionsrüge (Z 12) legt mit der Behauptung, die gegenständliche Tat sei verfehlt dem Verbrechen des Mordes (anstelle jenem „des versuchten Mordes“) subsumiert worden, weil sie im Versuchsstadium (§ 15 StGB) verblieben sei, nicht dar, warum das Verwirklichungsstadium – entgegen ständiger Rechtsprechung (vgl die Ausführungen zur Z 4) – für die Subsumtion relevant sein soll.
[10] Mit dem Vorbringen (nominell Z 13 erster Fall), das Geschworenengericht habe seine Strafbefugnis überschritten (vgl dazu aber RIS-Justiz RS0125243 und Ratz, WK-StPO § 281 Rz 666 ff), weil der Angeklagte des vollendeten Mordes verurteilt wurde, während in der Anklageschrift die Verurteilung wegen des Verbrechens des versuchten Mordes beantragt worden sei, verkennt die Beschwerde, dass die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung weder unter dem Aspekt einer Anklageüberschreitung noch unter jenem der Überschreitung der Sanktionsbefugnisgrenze relevant sein kann. Im Übrigen (Z 13 zweiter Fall) ist das Geschworenengericht ohnehin zutreffend von Versuch ausgegangen und hat den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB in Rechnung gestellt (US 3, 5). Eine Verletzung der in § 267 StPO enthaltenen Vorschrift (Z 7; vgl zur [hier ohnehin nicht vorliegenden] Anklageüberschreitung RIS-Justiz RS0112411; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 551 und § 345 Rz 10), wird mit dem Vorbringen nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht.
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00067.21S.0810.000 |
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