OGH vom 09.05.2018, 13Os47/18p (13Os51/18a)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr.
Lässig und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag.
Michel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer im Verfahren zur
Unterbringung des Mag. Arthur L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, AZ 28 HR 176/17g des Landesgerichts Feldkirch, über die
Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch vom (ON 85) und des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom , AZ 6 Bs 37/18v (ON 100), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch führte gegen Mag. Arthur L***** zu AZ 4 St 227/17y wegen des Verdachts des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen ein Ermittlungsverfahren. Über ihren Antrag wurde über den Beschuldigten am aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt und diese am in eine vorläufige Anhaltung umgewandelt (ON 21). Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom wurde die vorläufige Anhaltung des Mag. Arthur L***** gegen Anwendung gelinderer Mittel aufgehoben. Unter einem wurde ihm die Weisung erteilt, sich einer regelmäßigen ambulanten Therapie bei einem Facharzt für Psychiatrie zu unterziehen und darüber zu berichten sowie, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, jegliche Kontaktaufnahme mit der Familie N*****, dem Bezirksgericht Dornbirn und dem Landesgericht Feldkirch zu unterlassen (ON 30).
Nachdem Mag. Arthur L***** die Weisung, insbesondere jene, jegliche Kontaktaufnahme zu unterlassen, nicht befolgte, wurde er am erneut festgenommen (ON 37), am aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 42) und diese nach Überprüfung durch das Oberlandesgericht Innsbruck am (ON 76) fortgesetzt.
Mit Beschluss vom wurde die Untersuchungshaft vom Landesgericht Feldkirch über Antrag der Staatsanwaltschaft in eine vorläufige Anhaltung nach § 429 Abs 4 und 5 StPO iVm § 173 Abs 2 StPO umgewandelt und Mag. Arthur L***** „aus den Anhaltegründen der Fremdgefährdung und der Erforderlichkeit ärztlicher Behandlung bzw Beobachtung sowie dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO in das Landeskrankenhaus R***** eingewiesen“ (ON 85).
Mit Beschluss vom gab das Oberlandesgericht Innsbruck der dagegen erhobenen Beschwerde des Betroffenen (ON 86 S 3 f) mit der Maßgabe nicht Folge, dass der Anhaltegrund der „Erforderlichkeit ärztlicher Behandlung bzw Beobachtung“ zu entfallen hat. Die vorläufige Anhaltung wurde vom Beschwerdegericht aus den Anhaltegründen der Fremdgefährdung und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO fortgesetzt (ON 100).
In der Sache erachtete es Mag. Arthur L***** unter anderem dringend verdächtig, im August 2017 im Exekutionsverfahren 12 E 4625/16x des Bezirksgerichts Dornbirn unter dem Einfluss einer paranoiden Schizophrenie, sohin eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, die Richterin des Bezirksgerichts Dornbirn Dr. W***** und den Präsidenten der Landesgerichts Feldkirch Dr. B***** gefährlich mit dem Tod bedroht zu haben, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er in einem eingebrachten Schriftsatz äußerte: „Diese tierisch destruktive Ausgeburt der Hölle, W*****, darf sich ebenso wie der Hurenbock, B*****, glücklich schätzen, sollte ich sie überhaupt am Leben lassen!“.
Im Zusammenhalt mit dem aus Sicht des Beschwerdegerichts von hohem Maß an Aggression getragenen sonstigen Inhalt der Eingabe wurde der Aussage ausdrücklich die Bedeutung einer Drohung mit dem Tod beigemessen (ON 100 S 7).
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Oberlandesgericht den dringenden Verdacht der Begehung einer dem Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zu subsumierenden Anlasstat (ON 100 S 7).
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Beschlüsse vom und erhobene
Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen ist unzulässig:
Im Rahmen der vom Verteidiger zum „integrierten Bestandteil der Grundrechtsbeschwerde“ erklärten Eingabe wendet sich der seine Enthaftung beantragende Betroffene ausdrücklich gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , AZ 28 HR 176/17g.
Gemäß § 1 GRBG steht die Grundrechtsbeschwerde nur gegen eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung zu.
Der Antrag des Betroffenen auf Enthaftung kann somit kein Gegenstand der Grundrechtsbeschwerde sein.
Gemäß § 1 Abs 1 GRBG ist die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof nur nach Erschöpfung des Instanzenzugs zulässig. Dabei ist der Instanzenzug nicht nur vertikal, sondern auch horizontal zu erschöpfen, was bedeutet, dass die argumentative Basis der Grundrechtsbeschwerde bereits im Instanzenzug vorgebracht worden sein muss (13 Os 55/09a, SSt 2009/35; RIS-Justiz RS0114487; Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 41).
Das Erfordernis der (vertikalen und horizontalen) Rechtswegausschöpfung resultiert daraus, dass der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren als Verfassungsgericht fungiert, womit es zunächst an den hiefür im Instanzenzug zuständigen Gerichten liegen soll, alle für die Haftfrage bedeutsamen Umstände zu erwägen und solcherart effektiven Grundrechtsschutz im Strafverfahren zu gewährleisten (Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 35 mwN).
Soweit sich das Vorbringen gegen den erstgerichtlichen Beschluss richtet, scheitert die Grundrechtsbeschwerde schon an fehlender vertikaler Erschöpfung des Instanzenzugs (§ 1 Abs 1 GRBG; RIS-Justiz RS0061078).
Zu den Fragen des Vorliegens von Haftgründen und der Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel wurde der Instanzenzug horizontal nicht erschöpft. In seiner sogleich nach Verkündung erhobenen Beschwerde bestritt der Betroffene nämlich ausdrücklich nur „dringende Verdachtslage“ (ON 86 S 2 f). Die außerhalb der Dreitagesfrist des §
176 Abs 5 StPO eingebrachten Schreiben des Betroffenen vom und vom wurde aus Sicht der Grundrechtsbeschwerde das Erfordernis der horizontalen Erschöpfung des Instanzenzugs nicht erfüllt (13 Os 55/09a, SSt 2009/35; RIS-Justiz RS0114487 [insbesondere T 19, T 21], Kier in WK² GRBG § 1 Rz 42).
Zur relevierten dringenden Verdachtslage:
Beschwerdegegenstand im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (RIS-Justiz RS0061004 [T5], RS0112012 [T5], RS0121605 [T3]).
Demzufolge kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts nur nach Maßgabe der Mängel- und der Tatsachenrüge (Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO) bekämpft werden (RIS-Justiz RS0110146).
Das Beschwerdeargument, die inkriminierte Äußerung sei „keine Kundgebung eines Entschlusses, weil der Beschwerdeführer im Konjunktiv formuliert habe“, wird diesen Kriterien nicht einmal ansatzweise gerecht. Zudem verkennt die Behauptung unverständlicher „Rechtsansicht“, dass es sich bei der Beurteilung des Bedeutungsinhalts einer Aussage um keine Rechts-, sondern um eine der richterlichen Beweiswürdigung unterliegende Tatfrage handelt (RIS-Justiz
RS0092588). Indem die Grundrechtsbeschwerde anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Betroffenen günstige Schlüsse ableitet, verlässt sie den Anfechtungsrahmen (vgl Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 28).
Die Beschwerde war somit ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00047.18P.0509.000 |
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