VfGH vom 04.03.1981, B134/78

VfGH vom 04.03.1981, B134/78

Sammlungsnummer

9035

Leitsatz

Gebührengesetz 1957; keine Bedenken gegen § 14 TP13 Abs 1; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Eine finanzbehördliche Einsicht in den Strafakt AZ 10 Vr 505/74 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt ergab, daß Rechtsanwalt Dr. E.M. am eine schriftliche Vollmacht überreicht hatte, die ihn selbst und einen zweiten Rechtsanwalt als Vollmachtnehmer sowie den Privatbeteiligten M.H. als Vollmachtgeber auswies und lediglich mit einer Stempelmarke von 15 S versehen war.

1.2. Daraufhin schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mit Bescheid vom 17. Feber 1977, Bef.Reg.P. 850705/75, dem Einschreiter Dr. M. gemäß § 14 TP13 GebührenG 1957 für die festgestellte Bevollmächtigung auch eines zweiten Rechtsanwaltes eine gesonderte Stempelgebühr von 15 S und gemäß § 9 Abs 1 GebührenG 1957 wegen teilweise unterbliebener Vergebührung eine Gebührenerhöhung gleichen Ausmaßes (15 S) vor.

1.3. Die gegen diesen Bescheid von Dr. E.M. ergriffene Berufung wurde mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom , GA 11-1028/1/77, als unbegründet abgewiesen.

In den Gründen dieser Entscheidung wurde ua ausgeführt:

"Bei Vollmachten, die mehreren Personen erteilt werden, ist die Gebühr sooftmal zu entrichten, als Bevollmächtigte vorhanden sind, weil die Vollmacht in diesen Fällen gebührenrechtlich als eine Vereinigung mehrerer Urkunden über Vollmachtsverträge anzusehen ist. Dies ergibt sich ua. aus dem Wortlaut der Bestimmungen der §§7 und 20 Z 2 GebührenG 1957, die sonst ihren Sinn verlieren würden.

Was die Vorschreibung einer Gebührenerhöhung im einfachen Ausmaß gemäß § 9 Abs 1 GebührenG 1957 betrifft, so war diese insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil dem Berufungswerber im vorliegenden Fall bei Beachtung der Bestimmungen des Gebührengesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht zugemutet werden konnte."

1.4.1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde des Dr. E.M. an den VfGH, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs 1 B-VG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

1.4.2. Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.

2. Die - zulässige - Beschwerde ist unbegründet.

2.1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 6981/1973, 7478/1975, 8275/1978) kann eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nur dann vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer gleichheitswidrigen Rechtsvorschrift beruht oder wenn die belangte Behörde bei der Bescheiderlassung Willkür übte.

2.1.2. Was die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides anlangt, beschränkt sich der Beschwerdeführer auf die sinngemäße Behauptung, daß Abs 3 des § 14 TP13 GebührenG 1957 das Postsparkassenamt von der - im Abs 1 dieser Gesetzesstelle festgelegten - Pflicht zur Entrichtung der Vollmachtsgebühr wegen der zum Bund bestehenden Nahebeziehung sachfremd ausnehmen.

Dieser Einwand erweist sich jedoch schon aus folgender Überlegung als gegenstandslos: Gemäß § 1 Abs 1 PostsparkassenG 1969, BGBl. 458/1969, wurde mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (di. der ) die Österreichische Postsparkasse mit eigener Rechtspersönlichkeit errichtet. Dienststelle der dort tätigen Bundesbeamten oder Vertragsbediensteten des Bundes ist gemäß § 7 Abs 2 PostsparkassenG 1969 das Österreichische Postsparkassenamt. Nach § 26 PostsparkassenG 1969 gelten alle dem Österreichischen Postsparkassenamt in Bundesgesetzen bisher eingeräumten Abgabenbefreiungnen in gleicher Weise für das Österreichische Postsparkassenamt und die Österreichische Postsparkasse. Mit dieser

- abschließenden - Regelung der Gebührenfrage

wird zwar die Weitergeltung aller dem Postsparkassenamt bundesgesetzlich gewährten persönlichen Abgabenbefreiungen (arg. "... dem Österreichischen Postsparkassenamt in Bundesgesetzen bisher eingeräumten Abgabenbefreiungen ..."), nicht aber der sachlichen Gebührenbefreiung des § 14 TP13 Abs 3 GebührenG 1957 (lautend "Vollmachten, die ... für das Postsparkassenamt ausgestellt sind, sind gebührenfrei") angeordnet. Die vom Beschwerdeführer bezogene Bestimmung des § 14 TP13 Abs 3 GebührenG 1957 gehörte demnach im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr dem Rechtsbestand an.

Daß die dem bekämpften Bescheid zugrunde gelegte allgemeine Vorschrift des Abs 1 des § 14 TP13 GebührenG 1957 über Vollmachtsgebühren im Widerspruch zum Gleichheitsgebot des Art 7 Abs 1 B-VG stünde, behauptet der Beschwerdeführer gar nicht; auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalles keine solchen Bedenken.

2.1.3. Demnach könnte die geltend gemachte Grundrechtsverletzung bloß gegeben sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.

Derartiges bringt der Beschwerdeführer gleichfalls nicht vor; auch die Aktenlage bietet keine wie immer gearteten Anhaltspunkte für eine der belangten Behörde anzulastende willkürliche Gesetzeshandhabung.

2.2.1. Der angefochtene Bescheid schreibt eine Abgabe vor und greift daher in das Eigentum des Beschwerdeführers ein (VfSlg. 8133/1977 ua.). Das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums würde gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. VfSlg. 7409/1974 ua.) dann verletzt sein, wenn der diesen Eingriff verfügende Bescheid ohne jede gesetzliche Grundlage oder unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage ergangen wäre, oder wenn die Behörde bei der Bescheiderlassung verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsvorschriften in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur zuträfe, wenn der Behörde ein so schwerer Fehler zur Last fiele, daß er einer Gesetzlosigkeit gleichkäme.

2.2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (s. auch 2.1.2.) könnte eine Eigentumsverletzung also nur in einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung liegen.

In diese Richtung zielt der Beschwerdeführer, wenn er - kurz zusammengefaßt - einwendet, aus § 14 TP13 (Abs1) GebührenG 1957 gehe hervor, daß bei Vollmachten jede Urkunde pro Bogen einer festen Gebühr unterliege. Die gegenteilige, für jeden einzelnen Bevollmächtigten eine eigene Gebühr

bejahende Ansicht der belangten Behörde lasse sich mit den im Bescheid zitierten Vorschriften der §§7 und 20 Z 2 GebührenG 1957 nicht begründen und sei daher verfehlt.

Nach § 7 GebührenG 1957 ist die Gebühr nur im einfachen Betrag zu entrichten, wenn zwischen zwei oder mehreren Personen eine solche Rechtsgemeinschaft besteht, daß sie in bezug auf den Gegenstand der Gebühr als eine Person anzusehen sind, oder wenn sie ihren Anspruch oder ihre Verpflichtung aus einem gemeinschaftlichen Rechtsgrund ableiten. Es ist nun keinesfalls denkunmöglich, wenn die belangte Behörde daraus - ersichtlich im Weg des Umkehrschlusses - folgert, daß bei Unanwendbarkeit des § 7 GebührenG 1957 - eine "Gesamtbevollmächtigung" im dargelegten Sinn wurde vom Wortlaut der Vollmachtsurkunde her durchaus vertretbar verneint - die Vollmachtsgebühr mehrfach zu entrichten sei, falls auf Seite der Vollmachtnehmer mehrere Personen auftreten. Keineswegs denkunmöglich ist aber auch der von der belangten Behörde eingenommene Rechtsstandpunkt, daß die (Sonder-)Bestimmung des § 20 Z 2 GebührenG 1957, wonach die Vollmachten beigefügten Erklärungen "betreffend Stellvertretung und deren Annahme" nicht gebührenpflichtig sind, entbehrlich wäre, wenn die Bevollmächtigung mehrerer Personen in einer Vollmachtsurkunde jedenfalls nur der einfachen Gebühr iS des § 14 TP13 Abs 1 GebührenG 1957 unterliegen könnte (siehe dazu Frotz - Hügel - Popp, Komm. z. GebührenG, Wien 1980, § 14 TP13, S 76 f; VwSlg. 4972 F/1976).

In Wahrheit betreffen die dem Grundrecht des Art 5 StGG gewidmeten Beschwerdepartien der Sache nach lediglich Fragen der einfachgesetzlichen Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides, über die zu erkennen nicht der VfGH, sondern ausschließlich der VwGH berufen ist.

2.3. Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt.

2.4. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch gesetzwidrige Inanspruchnahme einer Zuständigkeit oder durch gesetzwidrige Verweigerung einer Sachentscheidung verletzt (VfSlg. 8386/1978 ua.).

Der Beschwerdeführer, der Art 83 Abs 2 B-VG in seiner Beschwerdeschrift offenkundig nur versehentlich erwähnte, behauptet nichts dergleichen; auch das Verfahren vor dem VfGH ergab keine Verletzung des in Rede stehenden Grundrechts.

2.5. Die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor; ebensowenig entstanden - aus der Sicht dieses Beschwerdefalls - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften (s. 2.2.2.); der Beschwerdeführer wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.6. Die Beschwerde war darum als unbegründet abzuweisen.