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VfGH vom 28.02.1995, B898/94

VfGH vom 28.02.1995, B898/94

Sammlungsnummer

14022

Leitsatz

Keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs aufgrund eines Vermächtnisses infolge Annahme drohender Überfremdung; keine Bedenken gegen die Bewilligungspflicht des Rechtserwerbs von Todes wegen durch nicht zu den gesetzlichen Erben zählende, ausländische Rechtsnachfolger und gegen die Übergangsbestimmungen des Tir GVG 1993 im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung von EWR-Bürgern nach dem EWR-Abkommen

Spruch

I. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Die Anträge, "§3 Abs 2 lita des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Tiroler LGBl. Nr. 69 in der Fassung der Novelle 1991, Tiroler LGBl. Nr. 74/1991, sowie nach §§40 Abs 3 und 41 Abs 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1993, Tiroler LGBl. Nr. 82" als verfassungswidrig aufzuheben, werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit letztwilliger Anordnung vom setzte eine österreichische Staatsbürgerin ein Grundstück samt darauf errichteter Berghütte in der KG Rinnen den Beschwerdeführern - alle sind Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland - als Vermächtnis aus. Am verstarb die Vermächtnisgeberin. Dem letztwilligen Rechtserwerb versagte die Grundverkehrsbehörde Berwang mit Bescheid vom unter Berufung auf §§4 Abs 1 und 6 Abs 1 litc des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), die grundverkehrsbehördliche Zustimmung.

2. Die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß sich dieser auch auf § 4 Abs 2 lita leg.cit. zu stützen habe. Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage wird diese abweisliche Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß in der Gemeinde Berwang nach der im Zuge der Volkszählung 1991 durchgeführten Häuser- und Wohnungszählung rund 7% der Wohnungen im Eigentum von ausländischen Staatsangehörigen stünden, sodaß schon allein deshalb Überfremdungsgefahr für die Gemeinde bestehe. Bei diesem Ergebnis könne es dahingestellt bleiben, ob der vorliegende Rechtserwerb auch noch in Widerspruch zu den landwirtschaftlichen Schutzinteressen iSd. § 4 Abs 1 GVG 1983 stehe.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Dazu wird im wesentlichen ausgeführt, daß zwar "Regelungen, die den Grundstücksverkehr für den Ausländer (betreffen), einschließlich des Rechtserwerbes von Todes wegen, in die Kompetenz der Länder übertragen (wurden). Ungeachtet dessen gilt seit die Gleichbehandlungsregelung des EWR-Abkommens, weshalb die Benachteiligung von EWR-Bürgern, die nicht Österreicher sind, unzulässig ist." Des weiteren liege eine gehäufte Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde vor, weil diese nicht das Verhältnis von In- und Ausländern insgesamt und im speziellen für die betroffene KG Rinnen erhoben habe.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die Beschwerde trägt gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Bestimmungen des § 3 Abs 2 lita des GVG 1983 (wonach es beim Rechtserwerb durch Erben oder Vermächtnisnehmer, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, nur dann nicht der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf, wenn die Rechtsnachfolger zu den gesetzlichen Erben zählen) sowie der §§40 Abs 3 und 41 Abs 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993, (wonach die bei Inkrafttreten des GVG 1993 anhängigen grundverkehrsrechtlichen Verfahren nach dem GVG 1983 zu Ende zu führen sind und die Gleichbehandlung aufgrund des EWR-Abkommens erst mit in Kraft tritt) das Bedenken vor, sie widersprächen dem im EWR-Abkommen verankerten und mit in Kraft getretenen Verbot der Diskriminierung von EWR-Bürgern aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hält dieses Bedenken nicht für stichhaltig. Sollte nämlich der vorliegende Rechtserwerb den Garantien der Freiheit des Kapitalverkehrs nach dem EWR-Abkommen unterliegen, wäre zu beachten, daß Anhang XII des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) samt Beilagen, BGBl. 909/1993, Österreich ausdrücklich ermächtigt, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens bestehende innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Regelung von Eigentum von Ausländern und/oder Eigentum von Gebietsfremden bis beizubehalten. Unter den genannten Voraussetzungen liegt es dann aber auf der Hand, daß es sich bei den Regelungen des GVG 1983, die den Grundstücksverkehr für Ausländer betreffen, um derartige, ausdrücklich als zulässig erklärte handelt. Andere Bedenken wurden weder vorgebracht noch sind solche im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hervorgekommen (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 3 Abs 2 GVG 1983 zuletzt etwa VfSlg. 13164/1992, ).

Insbesondere bringt die Beschwerde auch gegen die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des § 4 Abs 2 GVG 1983 keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; solche sind auch beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 13261/1992, 13459/1993 mwH).

1.3. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

2. Das in Art 6 StGG normierte Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes sowie der in Art 7 Abs 1 B-VG und Art 2 StGG normierte Gleichheitssatz beziehen sich nur auf Bundesbürger, nicht aber auch auf Ausländer (vgl. VfSlg. 12770/1991, 13303/1992). Es ist deshalb ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer, durchwegs deutsche Staatsangehörige, durch den angefochtenen Bescheid in diesen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt werden könnten.

3. Da die belangte Behörde auf Grund eines verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens zum keineswegs denkunmöglichen Schluß gelangte, der Anteil der ausländischen Wohnungseigentümer in Berwang betrage rund 7%, sodaß in der Gemeinde Überfremdung einzutreten drohe (vgl. VfSlg. 12703/1991, 13303/1992), wurden die Beschwerdeführer auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem sonstigen, von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären.

4. Die Beschwerde war deshalb insgesamt als unbegründet abzuweisen.

III. 1. Zugleich mit der Beschwerde stellten die Beschwerdeführer ausdrücklich die Anträge, "§3 Abs 2 lita des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Tiroler LGBl. Nr. 69 in der Fassung der Novelle 1991, Tiroler LGBl. Nr. 74/1991, sowie nach §§40 Abs 3 und 41 Abs 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1993, Tiroler LGBl. Nr. 82" als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB , G16/90; , B57/92, G9/92) fehlt die Legitimation, einen Antrag nach Art 140 Abs 1, letzter Satz, B-VG zu stellen, jedenfalls dann, wenn bereits ein anderes Verfahren anhängig ist, in dem die Möglichkeit besteht, die Behauptung, ein Gesetz sei verfassungswidrig, an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Eine solche Möglichkeit besteht hier im Rahmen des Beschwerdeverfahrens B898/94; von ihr haben die Antragsteller auch - wenngleich erfolglos - Gebrauch gemacht (s.o. Pkt. II.).

3. Die Gesetzesprüfungsanträge waren daher schon mangels Legitimation zurückzuweisen.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 sowie § 19 Abs 3 Z 2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.