OGH vom 26.03.1997, 9ObA85/97h

OGH vom 26.03.1997, 9ObA85/97h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Wilhelm Koutny und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag.Dr.Gottfried K*****, Chemiker, *****, vertreten durch Dr.Johannes Dörner und Dr.Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen S 23.800,-- brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 145/96x-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cga 214/95v-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.655,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 609,28 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stand laut Dienstvertrag vom als Vertragsassistent am Institut für analytische Chemie der Karl-Franzens-Universität in Graz in einem befristeten Dienstverhältnis (20 Wochenstunden), dessen Dauer zunächst für die Zeit vom bis zum vereinbart war und mit Dienstvertragsnachtrag vom für die Zeit vom bis zum verlängert wurde. Als Gesamtverwendungsdauer war somit ein Zeitraum von vier Jahren vorgesehen. In der Zeit vom bis zum leistete der Kläger seinen ordentlichen Präsenzdienst.

Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Hinweis auf § 55 VBG iVm § 35 Abs 4 VBG eine Abfertigung von zwei Monatsgehältern, deren Höhe mit S 23.800,-- brutto unbestritten ist.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Gemäß § 55 VBG stünde dem Kläger eine Abfertigung nur dann zu, wenn seine tatsächliche Verwendung als Vertragsassistent ununterbrochen wenigstens vier Jahre gedauert hätte. Dies sei aber nicht der Fall, da der Präsenzdienst des Klägers gemäß § 52 Abs 2 VBG nicht in die Gesamt-Verwendungsdauer einzurechnen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es erachtete § 8 APSG als anwendbar. Soweit sich - wie hier - Ansprüche eines Arbeitnehmers nach der Dauer der Dienstzeit richteten, seien nach dieser Bestimmung die Zeiten des ordentlichen Präsenzdienstes, während derer das Arbeitsverhältnis bestanden habe, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen. Die §§ 52 Abs 2, 55 VBG stünden diesem Ergebnis nicht entgegen. Es handle sich um Vorschriften zum Schutz von Vertragsassistenten, die keine Einschränkung von Abfertigungsansprüchen bezweckten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG als zulässig. Dem Wortlaut der §§ 52 Abs 2 und 55 VBG, aber auch den maßgeblichen Gesetzesmaterialien (ErläutRV XVII GP 320 S 44) sei zu entnehmen, daß diese Bestimmungen keine dem Arbeitsplatzsicherungsgesetz derogierende Kraft entfalteten. Die von der Beklagten angestrebte gegenteilige Auslegung sei auch mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 35 Abs 2 Z 1 VBG haben Vertragsbedienstete keinen Anspruch auf Abfertigung, wenn das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen wurde und durch Zeitablauf geendet hat. Diese Bestimmung ist aber nach der durch die VBG-Novelle 1988 (BGBl 1988/148) geschaffenen Bestimmung des § 55 VBG auf Vertragsbedienstete nicht anwendbar, wenn deren "tatsächliche Verwendung als Vertragsassistent ununterbrochen wenigstens vier Jahre gedauert hat".

Nach § 8 des Arbeitsplatz-Sicherungsgesetzes 1991 (ASPG), das auch auf Dienstverhältnisse zum Bund anzuwenden ist (§ 1 ASPG; die in den §§ 20 bis 23 ASPG normierten Abweichungen kommen hier nicht in Betracht) sind Präsenz- oder Zivildienstzeiten - soweit sich Ansprüche eines Arbeitnehmers nach der Dauer der Dienstzeit richten - auf die Dauer der Dienstzeit (teils zur Gänze, teils in beschränktem Umfang) anzurechnen. Für befristete Dienstverhältnisse bedeutet dies, daß der (voll anrechenbare) ordentliche Präsenzdienst bis zum Ende der Befristung als Dienstzeit anzurechnen ist.

Nach Ansicht der Revisionswerberin schließt aber der Wortlaut des § 55 VBG, der auf die ununterbrochene "tatsächliche Verwendung" abstellt, die Anwendbarkeit des § 8 ASPG auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt aus.

Mit dieser Frage hat sich Löschnigg (Die letzten in der Schlange - Abfertigung für Vertragsassistenten - zur Berücksichtigung von Präsenzdiensten und Elternkarenz, ÖHZ extra 1995, Ausgabe Juli/August) eingehend auseinandergesetzt. Er vertritt die Auffassung, daß § 55 VBG der Anwendung des ASPG nicht entgegensteht und begründet dies wie folgt:

"Die Bestimmung des § 55 VBG legt die allgemeinen Voraussetzungen für den besonderen Abfertigungsanspruch fest. Daß hiemit speziellen Schutzvorschriften für eine besonders schützenswerte Personengruppe derogiert werden sollte, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Mit dem Hinweis auf die "tatsächliche Verwendung" kommt zum Ausdruck, daß Vordienstzeiten, die der Vertragsassistent als Studienassistent oder Demonstrator erworben hat, nicht mitzuzählen sind. Unter "ununterbrochener Verwendung" kann jedenfalls kein Dienstverhältnis gemeint sein, das vier Jahre ohne Beendigung und Neubegründung fortgedauert hat. Ein derartiges Verständnis von "ununterbrochen" würde im Widerspruch zu § 52 VBG stehen, wonach das Dienstverhältnis mit Vertragsassistenten jeweils mit zwei Jahren zu befristen ist. Eine kürzere Verwendungsdauer kann vereinbart werden, nicht jedoch eine längere. Als ununterbrochene Verwendung wird man die lückenlose Aneinanderreihung befristeter Dienstverhältnisse ansehen können. Diese Auffassung kommt auch in der ausdrücklich erwähnten und privilegierten Unterbrechung des § 55 VBG zum Ausdruck:

Wurde nämlich die tatsächliche Verwendung als Vertragsassistent deshalb unterbrochen, weil eine dieser Verwendung entsprechende Planstelle vorübergehend nicht zur Verfügung stand, und betragen solche Unterbrechungen nicht mehr als insgesamt drei Monate, so gilt das Dienstverhältnis als nicht unterbrochen. Die Unterbrechungszeiträume sind jedoch in die für den Abfertigungsanspruch und für die Höhe der Abfertigung maßgebende Dauer des Dienstverhältnisses nicht einzurechnen. Aus dieser ausdrücklichen Erwähnung eines anspruchsbewahrenden Grundes kann nicht der Gegenschluß gezogen werden, daß Unterbrechungen durch Präsenz- (Zivil-)Dienste eine die Abfertigung ausschließende Wirkung haben sollen. Die Notwendigkeit einer Regelung des in § 55 VBG enthaltenen Unterbrechungsfalls resultiert ausschließlich aus dem Fehlen einer entsprechenden Bestimmung in Sondernormen, wie dies etwa § 8 APSG darstellt."

Dieser Meinung schließt sich der erkennende Senat an.

Auch § 52 Abs 2 VBG (idF vor der hier noch nicht anwendbaren Novelle BGBl 1996/375) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Diese Bestimmung, die anordnet, daß Zeiten der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes bis zu einem bestimmten Höchstmaß (laut BGBl 1988/148 ein Jahr; laut BGBl 1992/314 zwei Jahre) "in die Gesamtverwendungsdauer" nicht einzurechnen sind, stellte ursprünglich den zweiten Satz des durch die VBG-Novelle 1988 (BGBl 1988/148) geschaffenen § 52 Abs 2 VBG dar. Der erste Satz dieser Bestimmung beschränkte das Höchstmaß der Gesamtverwendungsdauer des Vertragsassistenten mit vier Jahren; er wurde jedoch vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom (G 134/92 SlgNr 13.558) als verfassungswidrig aufgehoben. Der Sinn des nach der Aufhebung verbleibenden Teiles der Regelung ist daher - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - nur aus der ursprünglichen Gesamtregelung idF der Novelle 1988 erschließbar. Daraus wird aber deutlich, daß der Gesetzgeber mit § 52 Abs 2 zweiter Satz VBG eine Begünstigung des den Präsenzdienst ableistenden Vertragsassistenten beabsichtigte, indem er die Erweiterung der maximalen Verwendungsdauer um die Zeit des Präsenzdienstes anordnete. § 52 Abs 2 VBG sollte daher den auch dem APSG zugrunde liegenden Schutzgedanken umsetzen und kann daher nicht als Argument gegen die Anwendbarkeit dieses Gesetzes herangezogen werden (vgl auch dazu Löschnigg aaO).

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die § 8 APSG anwendeten und auf dieser Grundlage den Abfertigungsanspruch des Klägers bejahten, erweisen sich daher als zutreffend.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.