OGH vom 30.10.2014, 8Ob99/14p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG,*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei O***** F*****, vertreten durch Dr. Werner Goeritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 188.538,27 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 3 R 51/14p 15, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 59 Cg 7/14s 6, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.977,75 EUR (darin enthalten 329,63 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung sowie die mit 2.372,58 EUR (darin enthalten 395,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
In der vorbereitenden Tagsatzung vom schlossen die Parteien einen bedingten Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Zahlung des mit der zugrunde liegenden Wechselklage geltend gemachten Betrags samt Zinsen und Kosten verpflichtete. Nach Pkt 3 des Vergleichs sollte dieser wirksam werden, wenn er nicht von einer der Parteien mit bis längstens bei Gericht einlangendem Schriftsatz widerrufen wird.
Am langte ein im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachter Schriftsatz der beklagten Partei ein, der folgende Erklärung enthält: „Die klagende Partei hat heute erklärt, einen Vergleich grundsätzlich abzulehnen.“
Das Erstgericht wies den Schriftsatz der Beklagten vom als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignet zurück und sprach aus, dass der am bedingt abgeschlossene Vergleich infolge eines nicht rechtzeitig erstatteten Widerrufs in Rechtswirksamkeit erwachse. Den Ausführungen im Schriftsatz lasse sich nicht entnehmen, dass der Vergleich vom Beklagten widerrufen werde. Da nur jede Partei für sich selbst den Vergleich widerrufen könne, sei der Schriftsatz des Beklagten zurückzuweisen gewesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und hob den angefochtenen Beschluss des Erstgerichts ersatzlos auf. Nach der jüngeren Rechtsprechung sei ein Vergleichswiderruf mittels Telefax zulässig, wenn in der Folge, auch nach Ablauf der Widerrufsfrist, die fehlende Unterschrift eines Rechtsanwalts in einem Verbesserungsverfahren nachgetragen werde. Von der Vereinbarung der Schriftsatzform seien mangels gegenteiliger Vereinbarung nämlich auch die prozessualen Verbesserungsvorschriften umfasst. Aus diesem Grund seien auch im Anlassfall die Verbesserungsvorschriften der §§ 84 f ZPO anzuwenden. Die Verbesserungsmöglichkeit beziehe sich bei fristgebundenen Schriftsätzen auch auf Inhaltsmängel. Ein solcher Mangel liege etwa vor, wenn ein formal vollständiger Schriftsatz inhaltlich unschlüssig oder unbestimmt ausgeführt sei. Diese Voraussetzung sei gegeben, weil die Erklärung im Schriftsatz des Beklagten vom unter Berücksichtigung der Prozesslage unverständlich gewesen sei. Ein Verbesserungsauftrag sei allerdings entbehrlich, weil der Beklagte zwischenzeitig hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht habe, den Vergleich widerrufen zu wollen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob ein Schriftsatz auch dann einem Verbesserungsverfahren zugänglich sei, wenn daraus nicht klar hervorgehe, ob die Partei den Vergleich widerrufen wolle, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin, die auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.
Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Beklagte, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil sich die Entscheidung des Rekursgerichts als korrekturbedürftig erweist. Der Revisionsrekurs ist dementsprechend auch berechtigt.
1. Vorweg wird darauf hingewiesen, dass ein Rechtsmittel im vorliegenden Fall nicht (absolut) unzulässig ist. § 84 Abs 1 Satz 2 und § 85 Abs 3 ZPO schließen (nur) gegen erteilte Verbesserungsaufträge ein abgesondertes Rechtsmittel aus. Im Anlassfall liegt kein Verbesserungsauftrag des Erstgerichts vor. Grundsätzlich ist zwar auch ein Auftrag des Rekursgerichts an das Erstgericht zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens unanfechtbar ( Kodek in Fasching/Konecny ² §§ 84, 85 ZPO Rz 279). Im Anlassfall hat das Rekursgericht allerdings den Beschluss des Erstgerichts, mit dem ein Vergleichswiderruf (durch Zurückweisung des Schriftsatzes des Beklagten vom ) verneint und der Vergleich vom für rechtswirksam erklärt wurde, ersatzlos behoben.
Im bisherigen Verfahren wurde somit kein Verbesserungsauftrag gegenüber dem Beklagten erteilt, was dieser in seiner Revisionsrekursbeantwortung auch zugesteht ( „solange kein Verbesserungsauftrag ergangen ist, kann auch kein inhaltlich verbesserter Widerruf erfolgen“ ). Beim Schriftsatz vom handelt es sich auch nicht etwa um einen vom Beklagten aus eigenem verbesserten Schriftsatz (vgl dazu Kodek in Fasching/Konecny ² §§ 84, 85 Rz 285). Dieser Schriftsatz ist schließlich auch nicht als vorbereitender Schriftsatz iSd § 257 ZPO zu qualifizieren.
2.1 Die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens setzt das Vorliegen eines (erheblichen) Mangels iSd § 84 ZPO, also eines Verbesserungsfalls, voraus. Grundsätzlich ist denkbar, dass sich auch die mangelhafte inhaltliche Ausführung eines (formal vollständigen) Schriftsatzes auf die Möglichkeit zur sachlichen Behandlung negativ auswirkt. Für das Vorliegen eines Verbesserungsfalls ist allerdings vorausgesetzt, dass gegebenenfalls nach Auslegung der Prozesserklärung ausreichende objektive Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit oder Unklarheit des Schriftsatzes bestehen. In der Literatur ist in diesem Zusammenhang auch von Unbestimmtheiten oder Unschlüssigkeiten die Rede (vgl Kodek in Fasching/Konecny ² §§ 84, 85 ZPO Rz 127 und 146). Inhaltliche Unrichtigkeiten im Sinn eines unrichtigen Sach- oder Rechtsstandpunkts sind demgegenüber nicht verbesserungsfähig.
2.2 Im Anlassfall enthält der Schriftsatz des Beklagten vom nach dem objektiven Eindruck eine vollständige und verständliche Erklärung. Die Erklärung „die klagende Partei hat heute erklärt, einen Vergleich grundsätzlich abzulehnen“ kann durchaus als Mitteilung an das Gericht verstanden werden, dass mit einer Ablehnung des Vergleichs durch die Klägerin zu rechnen sei.
Eine für das Erstgericht klar erkennbare Unvollständigkeit oder Unklarheit liegt damit entgegen der Beurteilung des Rekursgerichts nicht vor. Es wäre ohne nähere Aufklärung auch gar nicht verständlich, warum die Erklärung der Klägerin, einen Vergleich grundsätzlich abzulehnen, den Beklagten veranlassen soll, seinerseits den Vergleich zu widerrufen.
2.3 Ein Verbesserungsfall ist damit nicht gegeben. Dass die Erklärung des Beklagten im Schriftsatz vom bei dem gebotenen objektiven Verständnis von Prozesserklärungen (vgl RIS Justiz RS0037416; RS0097531) keinen Vergleichswiderruf ausdrückt, wird nicht ernsthaft bestritten.
3. Insgesamt hat das Erstgericht somit zu Recht den Schriftsatz des Beklagten vom zurückgewiesen und daran anknüpfend ausgesprochen, dass der am bedingt abgeschlossene Vergleich „in Rechtswirksamkeit erwachsen ist“. In Stattgebung des Revisionsrekurses war der angefochtene Beschluss im Sinn einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Pauschalgebühren für den Revisionsrekurs hat die Klägerin zu Unrecht verzeichnet.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00099.14P.1030.000