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VfGH vom 26.09.2000, B897/00

VfGH vom 26.09.2000, B897/00

Sammlungsnummer

15925

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf bescheidmäßige Erledigung einer Bewerbung um die Funktion des Amtsdirektors eines Landesschulrates; Parteistellung der in einen bindenden Dreiervorschlag aufgenommenen Person gegeben

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit ATS 29.500,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist der Landesschulrat für Steiermark, wo er seit 1986 mit der Leitung der Abteilung für Lehrer an allgemeinbildenden und berufsbildenden Pflichtschulen, seit 1996 überdies mit der Vertretung des Amtsdirektors betraut war. Mit Schreiben vom 27. September und vom bewarb sich der Beschwerdeführer um die im Amtsblatt zur Wiener Zeitung ausgeschriebene Funktion des Amtsdirektors des Landesschulrates für Steiermark.

2.1. Der Landesschulrat für Steiermark übermittelte in der Folge dem (damaligen) Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten einen Dreiervorschlag seines Kollegiums für die Neubestellung des Leiters des inneren Dienstes des Amtes des Landesschulrates (Amtsdirektor), in dem der Beschwerdeführer an die dritte Stelle gereiht war. Die zuständige Bundesministerin schlug daraufhin dem Bundespräsidenten die in diesem Dreiervorschlag Erstgereihte zur Bestellung zur Leiterin des inneren Dienstes des Landesschulrates für Steiermark vor, welchem Vorschlag der Bundespräsident mit Entschließung vom folgte.

2.2. Mit Schreiben vom 1. Feber 2000 richtete der Beschwerdeführer ein Ansuchen auf bescheidmäßige Erledigung seiner Bewerbung an den Bundespräsidenten, der diesen Antrag mit dem Ersuchen um weitere Veranlassung an das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten übermitteln ließ. Mit Bescheid der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Erledigung seiner Bewerbung um die Stelle des Amtsdirektors des Landesschulrates für Steiermark gemäß § 3 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 mangels Parteistellung zurückgewiesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die (nunmehrige) Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie - mit näherer Begründung - die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Erledigung seiner Bewerbung unter Hinweis darauf, dass ihm in diesem Verfahren keine Parteistellung zukäme, zurückgewiesen und ihm damit wesentliche Parteienrechte verweigert. Eine solche Entscheidung verletzt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. insbes. VfSlg. 9094/1981 mit Hinweisen auf Vorjudikatur) im Falle ihrer Rechtswidrigkeit den Betroffenen in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, wenn sie zur Folge hat, dass der Person, der die Parteistellung versagt wird, eine Sachentscheidung in einer sie betreffenden Angelegenheit verweigert wird und sie damit auch um die Möglichkeit gebracht wird, diese Entscheidung bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anzufechten.

Der Verfassungsgerichtshof hat, da im vorliegenden Fall diese Folge gegeben ist, zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer die Parteistellung zu Recht verwehrt wurde.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. etwa VfSlg. 5918/1969, 8558/1979; VwSlg. 1079 A/1949, 8454 A/1973, 10.963 A/1983) kommt Bewerbern um die Ernennung in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis in der Regel keine Parteistellung zu. Etwas anderes gilt nur in jenen Fällen, in denen die Auslegung der für die Ernennung maßgeblichen Vorschriften zum Ergebnis führt, dass im Ernennungsverfahren subjektive Rechte der Bewerber unmittelbar berührt werden (siehe zB VfSlg. 6806/1972, S 719; 7843/1976, S 423; vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 9000/1980, 12.102/1989).

3. Die für die Bestellung eines Amtsdirektors des Landesschulrates maßgebliche Bestimmung des § 11 Abs 3 Bundes-Schulaufsichtsgesetz (BAG) lautet wie folgt:

"Zur Leitung des inneren Dienstes des Amtes des Landesschulrates ist ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Amtsdirektor des Landesschulrates zu bestellen. Die Bestellung obliegt dem Bundespräsidenten. Der Vorschlag an den Bundespräsidenten (Art67 Abs 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929) hat auf Grund eines Dreiervorschlages des Kollegiums des Landesschulrates zu erfolgen. Vorschriften über die Ernennung werden hiedurch nicht berührt."

Für Bewerber um den Dienstposten des Amtsdirektors des Landesschulrates besteht demzufolge weder ein Anspruch auf Bestellung in diese Funktion noch wird ihnen im Verfahren ausdrücklich Parteistellung eingeräumt. Aus dem dritten Satz dieser Rechtsvorschrift ergibt sich jedoch - wie auch die belangte Behörde in der Gegenschrift einräumt -, dass im Falle des Zustandekommens eines entsprechenden Dreiervorschlages des Kollegiums des Landesschulrates nur eine Person bestellt werden darf, die in den Besetzungsvorschlag aufgenommen ist.

Für solche Fälle hat jedoch der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung das Bestehen einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft der in den Vorschlag aufgenommenen Personen und deren Parteistellung angenommen. So führte der Gerichtshof in seinem (die Ernennung eines Bezirksschulinspektors betreffenden) Beschluss VfSlg. 6806/1972 aus:

"Wie der Verfassungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall im Erk. Slg. Nr. 6151/1970 ausgeführt hat, bildeten die in einen verbindlichen Dreiervorschlag aufgenommenen Personen eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft. Sie hätten ein Recht auf Teilnahme an dem durch den Besetzungsvorschlag konkretisierten Verleihungsverfahren. Die Verleihungsbehörde könne nicht als berechtigt angesehen werden, durch einen der Rechtskontrolle nicht unterworfenen Verleihungsakt unter den Bewerbern eine Auswahl zu treffen. Die Aufnahme in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag sei eine Angelegenheit, die das Dienstverhältnis des Beamten berühre, und ihn damit zur Partei im Sinne des § 3 DVG. mache."

Diese Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof in der Folge fortentwickelt (etwa VfSlg. 7843/1976, 12.102/1989, 12.556/1990 mwH), und zwar auch auf dem Boden der durch das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz - LDG 1984, BGBl. 302, geschaffenen Rechtslage, wobei sich die Verbindlichkeit des zwingend vorgeschriebenen Besetzungsvorschlages aus § 26 Abs 8 dieses Gesetzes ergibt. Eine gleichartige Situation liegt im vorliegenden Fall vor:

Auch der Dreiervorschlag des Kollegiums des Landesschulrates ist insofern bindend, als die ausgeschriebene Funktion des Amtsdirektors nur einer in den Vorschlag aufgenommenen Person übertragen werden darf. Dies ergibt sich aus dem geschilderten System des Bestellungsvorganges und wird durch die Wortfolge "auf Grund" in § 11 Abs 3 BAG unterstrichen; auch die Gegenschrift der belangten Behörde stellt dies nicht in Abrede. Dementsprechend bilden auch die in diesen Vorschlag aufgenommenen Personen eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft und die Bestellung einer der in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Personen berührt auch die Rechtssphäre der übrigen mit ihr eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft bildenden Personen, denen ein Recht auf fehlerfreie Ausübung des dem/der Bundesminister/in zukommenden Auswahlermessens (vgl. ) zusteht. Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher auch im vorliegenden Fall bei seiner Rechtsansicht, dass der bindende Charakter des Dreiervorschlages die Verwaltungsverfahrensgemeinschaft und mithin die Parteistellung der in den Vorschlag aufgenommenen Personen begründet. (Das von der belangten Behörde vorgetragene, unzutreffende (s § 11 Abs 3 BAG und § 4 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 sowie die einschlägigen Bestimmungen der Anlage 1 zum BDG) Argument, es lägen keine materiellen Vorschriften vor, durch deren Verletzung subjektive Rechte von Bewerbern verletzt werden können, ändert daran nichts).

4. Die belangte Behörde hat somit die Parteistellung des Beschwerdeführers zu Unrecht verneint und ihn dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6. Der Kostenausspruch gründet sich auf § 88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von ATS 4.500,-- sowie eine Eingabegebühr gemäß § 17a VerfGG 1953 in der Höhe von ATS 2.500,-- enthalten.