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OGH vom 22.11.2012, 13Os46/12g

OGH vom 22.11.2012, 13Os46/12g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Janos B***** und Krisztian D***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a (aF) FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen dieser Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom , GZ 25 Hv 118/11v-9, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch I zugrunde liegenden Tat auch unter § 38 Abs 1 erster Satz FinStrG, in den Schuldsprüchen II und III, demzufolge auch in den Strafaussprüchen einschließlich des Ausspruchs über den Wertersatz und der Vorhaftanrechnung, jedoch mit Ausnahme des Ausspruchs über den Verfall, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit den auf die Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG bezogenen Teilen ihrer Nichtigkeitsbeschwerden sowie mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen werden zurückgewiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Janos B***** und Krisztian D***** jeweils eines Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, „38 Abs 1 erster Satz“ FinStrG (I), der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (II) und des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach §§ 13, 44 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (III) schuldig erkannt.

Danach haben sie am in D***** und an anderen Orten in einverständlichem Zusammenwirken vorsätzlich

(I) gewerbsmäßig Sachen, nämlich 490.000 Stück Zigaretten verschiedener Marken (strafbestimmender Wertbetrag: 20.229,12 Euro), hinsichtlich welcher zuvor von unbekannten Personen ein Schmuggel begangen worden war, in Ungarn an sich gebracht und in der Folge in das österreichische Steuergebiet verbracht;

(II) in Bezug auf die zu I genannte Zigarettenmenge unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, „dass sie bei Einbringung der Zigaretten vorgaben, nur Geräte und Leergut zu transportieren; (strafbestimmender Wertbetrag: 47.247,22 Euro an Tabaksteuer)“;

(III) in Bezug auf die zu I genannte Zigarettenmenge zu ihrem eines anderen Vorteil die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote oder Verbote hinsichtlich des Handels mit Monopolgegenständen zu verletzen versucht, indem sie die Zigaretten nach Wien liefern und an Übernehmer übergeben wollten (Bemessungsgrundlage: 83.104 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gemeinsam ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten verfehlen soweit im Folgenden auf sie einzugehen ist ihr Ziel.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zunächst, dass wie die Generalprokuratur überwiegend zutreffend aufzeigt zum Nachteil der Angeklagten das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

1) Gewerbsmäßige Begehung (§ 38 Abs 1 FinStrG; zum anzuwendenden Tatzeitrecht siehe unten) setzt (unter anderem) die Intention voraus, sich eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen (dazu eingehend Lässig in WK² FinStrG § 38 Rz 2; Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7). Allein der zeitlich indifferente Hinweis auf „in Hinkunft“ beabsichtigte „Zigarettenschmuggelfahrten“ (US 9) reicht unter diesem Aspekt als Basis für die Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG nicht aus.

2) Zum Schuldspruch II fehlen Konstatierungen in Bezug auf die Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen durch die Angeklagten. Da die Zigaretten nach den Feststellungen aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaates der Europäischen Union nach Österreich eingeführt worden waren, war Tabaksteuer gemäß § 27 Abs 1 und Abs 5 TabStG idF BGBl I 2003/124 (nach Abgabe einer Steueranmeldung) als Selbstberechnungsabgabe zu entrichten. Als Steuerschuldner kam nach § 27 Abs 1 TabStG (in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl I 2003/124) primär der Bezieher der Tabakwaren und (subsidiär dazu) nach § 27 Abs 2 TabStG idF BGBl I 2003/104 derjenige in Betracht, der sie in Gewahrsam hielt oder verwendete (vgl dazu 13 Os 137/11p; Lässi g in WK 2 FinStrG § 33 Rz 22 f). Die Entscheidungsgründe erschöpfen sich jedoch darin, die Verbringung nach Österreich und ohne Sachverhaltsbezug bedingten Vorsatz hinsichtlich der Abgabenverkürzung festzustellen (US 5 f).

Ferner setzt eine Abgabenhinterziehung hinsichtlich (österreichischer) Tabaksteuer (§ 33 Abs 1 FinStrG) voraus, dass Tabakwaren aus dem freien Verkehr eines EU-Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken bezogen (§ 27 Abs 1 TabStG) oder außer diesem Fall aus dem freien Verkehr eines solchen Staates ins Steuergebiet (vgl § 1 Abs 2 TabStG) verbracht und dort erstmals zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsam gehalten oder verwendet (§ 27 Abs 2 TabStG) werden. Dem Urteil sind aber keine Feststellungen zu einer auf den Handel mit Tabakerzeugnissen gerichteten Zielvorstellung (vgl Lässi g in WK 2 FinStrG § 44 Rz 6 zum TabMG), sondern nur solche zur fortlaufenden Einnahmeverschaffung durch „wiederkehrende Begehung von Abgabenhehlereien und anderen Finanzvergehen im Zusammenhang mit Zigarettenschmuggel“ zu entnehmen (US 5 f).

3) Aus diesem Grund fehlt auch dem Schuldspruch III eine ausreichende Feststellungsgrundlage. Den Tatbestand des § 44 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 erfüllt (ebenso wie jenen des § 44 Abs 1 FinStrG idgF), wer zu seinem oder eines anderen Vorteil vorsätzlich die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote oder Verbote hinsichtlich (ua) des Handels mit Monopolgegenständen verletzt. Solcherart hier relevante Gebote und Verbote sind jene über den Handel mit Tabakerzeugnissen (§ 5 Abs 3 TabMG iVm § 1 Abs 2 TabMG), worunter § 5 Abs 4 TabMG das gewerbsmäßige Inverkehrbringen solcher Erzeugnisse im Monopolgebiet versteht (13 Os 108/11y). Zwar kann die strafrechtliche Definition der Gewerbsmäßigkeit (vgl § 70 StGB; § 38 Abs 1 FinStrG) sinngemäß angewendet werden, doch bezieht sich die gewerbsmäßige Zielrichtung nicht auf den Tatbestand des § 44 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (oder § 44 Abs 1 FinStrG idgF), sondern ausschließlich auf den Handel mit Tabakerzeugnissen ( Lässi g in WK 2 FinStrG § 44 Rz 6).

4) Schließlich ist das Urteil im Ausspruch über die Wertersatzstrafe nichtig, weil das Erstgericht die Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 19 Abs 5 FinStrG gänzlich unterlassen (Z 11 dritter Fall; RIS-Justiz RS0088035) und auch die zwingend vorgesehene Wertersatzteilung nach § 19 Abs 4 FinStrG nicht vorgenommen hat (Z 11 erster Fall; Lässig in WK 2 FinStrG § 19 Rz 23).

Die aufgezeigten Fehler machen eine Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch I zugrunde liegenden Tat auch unter § 38 Abs 1 erster Satz FinStrG, der Schuldsprüche II und III sowie der Strafaussprüche einschließlich des Ausspruchs über die Wertersatzstrafen und der Vorhaftanrechnung unumgänglich (§ 285e StPO). Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die gegen die Annahme der Gewerbsmäßigkeit gerichteten Beschwerdeausführungen. Die Angeklagten waren mit dem diesbezüglichen Teil ihrer Nichtigkeitsbeschwerden sowie mit ihren Berufungen auf die teilweise Urteilsaufhebung zu verweisen.

Entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur bedurfte es jedoch einer gänzlichen Aufhebung des Schuldspruchs I (§ 37 Abs 1 lit a FinStrG) nicht, weil in der Urteilsannahme, wonach die gegenständlichen Zigaretten (bezogen auf den ) „zuvor“ von einer unbekannten Tätergruppe „in den EU-Raum nach Ungarn“ geschmuggelt worden waren (US 5), deutlich genug zum Ausdruck kommt, dass dieser zollunredliche Warenverkehr nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union () erfolgte (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19).

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) betrifft die Dauer der Beladung des von den Angeklagten benützten LKW mit den gegenständlichen Zigaretten keine entscheidende Tatsache.

Die vermisste Begründung zum konstatierten Vorsatz (nominell verfehlt auch Z 9 lit a) in Bezug auf das Vorliegen von Schmuggelzigaretten findet sich auf US 8 f. Soweit die Beschwerde diese Erwägungen mit dem Hinweis auf die leugnende Verantwortung der Angeklagten in Zweifel zieht, bekämpft sie in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Im Übrigen ist der Schluss aus einem gezeigten Verhalten auf die subjektive Tatseite unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) kritisiert ersichtlich die Verwendung der verba legalia für die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite der Angeklagten, ohne jedoch darzulegen, welcher weitere Feststellungen es bedurft hätte (RIS-Justiz RS0099620, RS0095939).

Die Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Für den zweiten Rechtsgang bleibt anzumerken:

1) Mit Blick auf die FinStrG-Novelle 2010 wird im Fall neuerlicher Schuldsprüche zu beachten sein, dass gemäß § 4 Abs 2 FinStrG anders übrigens als nach § 61 StGB grundsätzlich das Tatzeitrecht zur Anwendung gelangt, sofern das im Urteilszeitpunkt geltende Recht ausgehend vom Urteilssachverhalt in seiner konkreten Gesamtauswirkung nicht günstiger ist (vgl dazu jüngst 13 Os 17/12t). Gemäß § 265 Abs 1p zweiter Satz FinStrG sind aber jedenfalls die Bestimmungen der §§ 38, 44 FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 auf vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangene Finanzvergehen weiterhin anzuwenden.

2) Die Teilrechtskraft des nicht von der Urteilsaufhebung erfassten Schuldspruchs I besteht nur für den Fall, dass im zweiten Rechtsgang ein gerichtliche Zuständigkeit begründender strafbestimmender Wertbetrag erreicht wird (§ 53 Abs 1 und Abs 2 FinStrG). Sie ist solcherart auflösend bedingt (RIS-Justiz RS0121978; Ratz , WK-StPO § 289 Rz 8).

Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.