OGH vom 05.06.2012, 10ObS62/12h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Georg Muhri, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, wegen Invaliditätspension, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 100/11x 18, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 43 Cgs 28/11d 9, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 36 Cgs 7/10p 29, wurde das Begehren des Klägers auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgewiesen. Das Oberlandesgericht Graz gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Die Berufungsentscheidung wurde dem Vertreter des Klägers am zugestellt; sie erwuchs in Rechtskraft.
Bereits am stellte der Kläger einen neuerlichen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension und brachte vor, sein Gesundheitszustand habe sich mittlerweile wesentlich verschlechtert.
Mit Bescheid vom wies die beklagte Partei diesen Antrag unter Hinweis darauf zurück, dass seit der Rechtskraft der Entscheidung noch kein Jahr verstrichen sei. Das dem Antrag beigeschlossene ärztliche Attest ergebe keine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustands.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren nach Einholung eines orthopädischen Aktengutachtens ab. Rechtlich ging es davon aus, dem Kläger sei es nicht gelungen, eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands glaubhaft zu machen. Da die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Invaliditätspension nicht vorgelegen seien, sei das Klagebegehren abzuweisen.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichts als nichtig auf und wies die Klage zurück. Habe ein Versicherungsträger im Falle des § 362 ASVG den Antrag zurückgewiesen und vermöge der Versicherte dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustands glaubhaft zu machen, sei das gerichtliche Verfahren durchzuführen und in der Sache zu entscheiden. Die Glaubhaftmachung sei aber nicht etwa sachliche Voraussetzung für das Bestehen des Leistungsanspruchs, sondern vielmehr Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtswegs. Gelinge dem Versicherten die Glaubhaftmachung nicht, sei seine Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 73 ASGG zurückzuweisen. Es fehle dann an der Voraussetzung eines über den Leistungsantrag des Versicherten materiell absprechenden Bescheids und der weiteren Voraussetzung der Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung der Anspruchsvoraussetzungen. Da im vorliegenden Fall dem Kläger die von § 68 ASGG geforderte Glaubhaftmachung nicht gelungen sei, hätte schon das Erstgericht die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen gehabt. Aus Anlass der Berufung sei der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO vom Berufungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen und das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs des Klägers ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), er ist aber nicht berechtigt.
1. Die angeblichen Mängel des Verfahrens erster Instanz, die in der Unterlassung der Einvernahme des Klägers zu dessen Gesundheitszustand und in der Unterlassung der (amtswegigen) Aufnahme weiterer Beweise zu diesem Thema liegen sollen, hat das Berufungsgericht bereits verneint. In zweiter Instanz verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können nach ständiger Rechtsprechung vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0042963); dies gilt auch im Sozialrechtsverfahren (RIS Justiz RS0043061).
2.1. Der Kläger hat Urkunden (ärztliche Befunde) als Bescheinigungsmittel vorgelegt, deren Inhalt von den Vorinstanzen als zur Bescheinigung der Verschlechterung des Gesundheitszustands nicht ausreichend erachtet wurden. War also eine sachliche Erledigung möglich wenngleich deren Ergebnis nicht dem vom Kläger verfolgten Verfahrensziel entsprach , ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrags nach den §§ 84 ff ZPO kein Raum ( Kodek in Fasching/Konecny 2 II/2 §§ 84, 85 Rz 146 mwN).
2.2. Das Berufungsgericht war nicht verpflichtet, beim Kläger Erkundigungen nach allfällig weiteren gesundheitlichen Verschlechterungen einzuholen, für die sich in den Befunden und in den Verfahrensergebnissen keine Anhaltspunkte geboten haben. Aus diesem Grund bestand für das Berufungsgericht auch keine Verpflichtung, den Kläger gemäß § 39 Abs 2 Z 1 ASGG anzuleiten, weitere Bescheinigungsmittel anzubieten ( Neumayr in ZellKomm 2 , § 39 ASGG Rz 4 mwN).
Die vom Kläger geltend gemachte Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens, die darin liegen soll, dass das Berufungsgericht die Erteilung eines Verbesserungsauftrags unterlassen und seine Manuduktionspflicht verletzt hat, ist deshalb zu verneinen.
3. Die dem Versicherten zur Pflicht gemachte Glaubhaftmachung einer Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustands bezieht sich nur auf den Tatsachenbereich (RIS Justiz RS0043519); ob diese Glaubhaftmachung gelungen ist oder nicht, stellt immer das Ergebnis der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung dar (10 ObS 77/03a, SSV NF 17/38). Auch im vorliegenden Fall hat der Oberste Gerichtshof daher davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand gegenüber dem zuletzt festgestellten Gesundheitszustand nicht verschlechtert hat. Auf Grundlage dieses als bescheinigt angenommenen Sachverhalts erweist sich die Zurückweisung der Klage durch das Berufungsgericht als zutreffend (§ 73 iVm § 68 ASGG).
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung war in einem Dreiersenat zu fällen (§ 11a Abs 3 Z 2 ASGG; Neumayr in ZellKomm 2 § 11a ASGG, Rz 2).
Der Kostenausspruch beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.