OGH vom 05.05.1999, 9ObA84/99i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Mag. Elisabeth K*****, Musikschullehrerin, ***** 2. Mag. Karin H*****, Musikschullehrerin, ***** 3. Leonore G*****, Musikschullehrerin, ***** 4. Christian S*****, Musikschullehrer, ***** und 5. Margot L*****, Musikschullehrerin, ***** sämtliche vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde H*****, Rathaus, ***** vertreten durch Univ. Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1. S 70.159,68 brutto und Feststellung 2. S 34.529,41 brutto und Feststellung, 3. S 56.800,88 brutto und Feststellung, 4. S 87.128,08 brutto und Feststellung sowie 5. S 122.544,45 brutto und Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der fünftklagenden Partei (Revisionsinteresse S 40.639,21 brutto sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 4/99x-28, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der fünftklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Dienstverhältnisse zwischen Musikschullehrern und Gemeinden des Landes Tirol unterliegen weder dem Landesvertragslehrergesetz BGBl Nr 172/1966 noch dem Tiroler Vertragsbedienstetengesetz. Die Revisionswerberin weist auch zutreffend darauf hin, daß vor der Übernahme durch die Stadt Hall ihr privatrechtliches Dienstverhältnis zum Verein "Musikschule H*****" den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes unterlag. Aufgrund eines auch gegen die beklagte Partei eingebrachten besonderen Feststellungsantrages gemäß § 54 Abs 2 ASGG hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom , 8 ObA 221/98b, die direkte Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie 77/187/EWG auf privatrechtliche Dienstverhältnisse von Musikschullehrern zum Land Tirol oder Tiroler Gemeinden ausgesprochen, soferne Musikschulen im Sinne des § 5 Abs 1 lit b Tiroler Musikschulgesetz übernommen wurden. Darin heißt es insbesondere:
"Der Begriff des "Staates" ist im weiten Sinn zu verstehen. Trifft die Gesetzgebungskompetenz wie hier nicht die Republik, sondern ein Land und ist dieses säumig und sind die betroffenen übernommenen Arbeitnehmer des Landes nicht hauptsächlich mit hoheitsrechtlichen Verwaltungsaufgaben betraut, können sich diese auf die aus der Richtlinie ergebenden Rechte unmittelbar berufen (Kiendl, Jüngste Entwicklungen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Betriebsübergangsrichtlinie, WBl 1997, 57 f, 59), weil es sich um Ansprüche gegen staatliche Stellen handelt. An dieser zwingenden Rechtsfolge kann der Umstand nichts ändern, daß dann unter Umständen die Zielsetzungen des "Musikschulwerkes" nicht voll verwirklicht werden könnten, weil nicht alle Lehrer über die nach dem Tiroler Musikschulgesetz erforderliche Qualifikation verfügen. Hätte das Land die Folgen des § 3 der Richtlinie vermeiden wollen, hätte es eben die Musikschulen nicht "von einem anderen Erhalter übernehmen" dürfen (§ 5 Abs 1 lit b Tiroler Musikschulgesetz), sondern eine eigene Organisation aufziehen müssen. ... Auch wenn insgesamt die Rechtsstellung der Arbeitnehmer durch die Übernahme verbessert wird, darf deren Rechtsstellung in keinem Punkt verschlechtert werden; kurz gesagt, es steht dem Übernehmer zwar frei, den übernommenen Arbeitnehmern günstigere Bedingungen zu gewähren, er darf sie aber in keinem Punkt schlechter stellen als bisher. ... Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist hinlänglich geklärt, daß der Richtlinie unmittelbare Wirkung gegenüber der Zweitantragsgegnerin (= hier: Beklagte) zukommt, auch wenn diese selbst als Gemeinde keine Gesetzgebungskompetenz zur Umsetzung der Richtlinie hat; nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (besonders deutlich Urteil vom , C-188/89 - Foster ua/British Gas PLC, Slg 1990 I 3313) können sich einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber Organisationen oder Einrichtungen berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (in diesem Sinn bereits - Bäcker/Finanzamt Münster-Innenstadt, Slg 1982, 53 ua). Dies gilt auch für Gemeinden ( - Fratelli Constanzo/Commune di Milano ua, Slg 1989, 1839): Der Europäische Gerichtshof verweist darauf, daß er bereits mehrfach ausgesprochen hat, daß sich die einzelnen Arbeitnehmer in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen können, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat. Wenn sich die Einzelnen unter den schon vorher genannten Voraussetzungen vor den nationalen Gerichten auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen können, so deshalb, weil die Verpflichtungen, die sich aus diesen Bestimmungen ergeben, für alle Behörden der Mitgliedstaaten gelten. Folglich seien alle Träger der Verwaltung einschließlich der Gemeinden und sonstigen Gebietskörperschaften verpflichtet, diese Bestimmung anzuwenden. Daß diese Erwägungen hinsichtlich der Gemeinden auch für den österreichischen Rechtsbereich gelten müssen, ergibt sich zwingend auch daraus, daß diese nach der Verfassungsbestimmung des Art 119a B-VG der Aufsicht des Landes bzw Bundes unterliegen (zur Kompetenz im Schulrecht vgl Art 14 f B-VG)."
Daraus folgt im konkreten Fall, daß sich die Revisionswerberin - auch ohne Anwendbarkeit des § 3 AVRAG - auf einen Betriebsübergang und das damit verbundene Verbot der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen berufen kann. Dennoch ist für sie im Ergebnis daraus nichts zu gewinnen:
Gemäß § 6 Abs 1 lit b AZG liegt Überstundenarbeit vor, wenn die tägliche Arbeitszeit überschritten wird, die sich aufgrund der Verteilung der Wochenarbeitszeit gemäß den §§ 3 bis 5 und § 18 Abs 2 AZG ergibt. Aus der Verweisung auf die in den §§ 3 f AZG geregelte "Normalarbeitszeit" ergibt sich, daß darunter die gesetzliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche zu verstehen ist, sodaß entgegen der von Wachter in der Besprechung der Entscheidung ZAS 1976, 160 (163) vertretenen Ansicht eine Überstunde im Sinne des AZG nicht schon dann vorliegt, wenn die mit dem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer individuell vereinbarte kürzere Arbeitszeit überschritten wird. Aus der Verweisung des § 6 Abs 1 lit b AZG auf die Bestimmungen über die gesetzliche Normalarbeitszeit einschließlich der Möglichkeit einer anderen Verteilung dieser Arbeitszeit ist vielmehr zu folgern, daß Maßstab für die Überstundenarbeit eines Teilzeitbeschäftigten die Normalarbeitszeit der vergleichbaren vollbeschäftigten Arbeitnehmer im Betrieb ist, wie sie sich für den betreffenden Wochentag nach § 3 Abs 1 AZG oder durch eine gemäß § 4 AZG zulässige andere Verteilung der Wochenarbeitszeit ergibt (SZ 66/1). Die Revisionswerberin vermag nun nicht aufzuzeigen, daß in der Ansicht des Berufungsgerichtes, sie habe auf eine im Betrieb übliche "Normalarbeitszeit" gar nicht hingewiesen, eine unvertretbare Auslegung des Parteienvorbringens (RZ 1994/45) liege. Richtig ist vielmehr, daß sie sich (AS 2 bzw 12 des angeschlossenen Aktes 45 Cga 100/97t) lediglich darauf berufen hat, daß mit ihr eine 23-Stundenwoche als Vollbeschäftigung vereinbart worden sei. Daß dies allgemein so gehandhabt worden sei, ergibt sich aus dem Vorbringen nicht. Ein solches Vorbringen kann auch weder durch die Aussage als Partei (RIS-Justiz RS0043157) noch durch den Hinweis auf Urkunden (RISJustiz RS0017844) ersetzt werden. Diese Erwägungen führen aber auch dazu, daß die Vorinstanzen nicht verhalten waren, Bestimmungen des Dienstvertrages zwischen der Revisionswerberin und der beklagten Partei wiederzugeben, auf die sie sich gar nicht berufen hat, selbst wenn daraus - durch Verweis auf das Landesmusikschullehrerentlohnungsschema - die Vereinbarung eines 50 %igen Überstundenzuschlages hervorgegangen wäre. Das Berufungsgericht hat schon zutreffend darauf verwiesen, daß die konkreten Einwendungen der beklagten Partei jedenfalls Anlaß für die Revisionswerberin sein hätten müssen, ihrer Behauptungslast entsprechend konkretes Tatsachen- und Beweisvorbringen (RIS-Justiz RS0037797) aufzustellen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Revisionswerberin habe es unterlassen, ausreichendes Vorbringen dahin zu erstatten, daß die über die vertraglichen Leistungen von 23 Wochenstunden hinausgehenden Arbeiten als "Überstunden", die über eine Normaldienstzeit hinausgingen, beurteilt werden könnten, erweist sich somit als vertretbar und eröffnet daher nicht die Möglichkeit der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof (§ 46 Abs 1 ASGG).
Abgesehen davon, daß die Qualität der über die vertraglichen Leistungen hinausgehenden Mehrleistungen als "Überstunden" sohin nicht feststeht, konnte von der Revisionswerberin nicht dargetan und daher auch nicht festgestellt werden, daß den Arbeitsleistungen von Musiklehrern der gleiche Charakter zukomme wie denen anderer Lehrer (- man denke nur an die der letztgenannten Gruppe obliegenden Korrekturarbeiten -), sodaß auch auf dem Homogenitätsprinzip (Art 21 Abs 4 B-VG) beruhende Erwägungen über die Heranziehungen von Bestimmungen des VBG und des Gehaltsgesetzes nicht zielführend und ebensowenig geeignet sind, das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage aufzuzeigen.