VfGH vom 06.10.1988, B888/88
Sammlungsnummer
11857
Leitsatz
FremdenpolizeiG; keine Bedenken gegen § 3 Abs 1 und Abs 2 idF BGBl. 575/1987; kein ein den Art 8 MRK verletzender Vollzugsfehler bei Verhängung des Aufenthaltsverbotes
Spruch
Die Bf. sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die Bezirkshauptmannschaft (BH) Dornbirn verhängte mit Bescheid vom 16. Feber 1987 über V Y - einen türkischen Staatsangehörigen - gemäß § 3 des Fremdenpolizeigesetzes ein bis zum 16. Feber 1995 befristetes Aufenthaltsverbot.
Am beantragte der Genannte, das Aufenthaltsverbot aufzuheben. Mit Bescheid vom 23. Feber 1988 gab die BH Dornbirn gemäß § 8 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954, (FrPG) idF der Nov. BGBl. 575/1987, diesem Antrag keine Folge.
b) Gegen diesen Bescheid wendet sich die von V Y zu B 888/88 erhobene, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in dem durch Art 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§8 iVm § 3 FrPG idF der Nov. 1987) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
c) Die BH Dornbirn als bel. Beh. verzichtete darauf, eine Gegenschrift zu erstatten.
2.a) Die BH Bludenz verhängte mit Bescheid vom über S S, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs 1 und 2 litb iVm § 4 FrPG idF der Nov. 1986, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg gab der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom keine Folge.
Dagegen erhob S S Beschwerde an den VwGH. Dieser stellte u.a. aus Anlaß dieser bei ihm anhängigen Beschwerde beim VfGH gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag, § 3 FrPG idF der Nov. 1986 aufzuheben. Diesem Antrag gab der VfGH mit Erk. VfSlg. 11455/1987 statt. In der Folge behob der VwGH mit Erkenntnis vom , Zl. 87/01/0108 den Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion vom .
Daraufhin erließ diese Behörde am einen Ersatzbescheid. Sie änderte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin ab, als das Aufenthaltsverbot gemäß § 3 Abs 1 und 2 Z 1 iVm § 4 FrPG idF der Nov. 1987 auf die Dauer von fünf Jahren erlassen wurde.
b) Gegen den Berufungsbescheid vom wendet sich die von S S zu B1078/88 erhobene, auf Art 144 Abs 1 B-VG gegründete Beschwerde, in der behauptet wird, der Bf. sei durch den bekämpften Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art 140 Abs 7 B-VG und nach Art 8 MRK sowie in seinen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des § 3 FrPG idF der Nov. 1987) verletzt worden. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
c) Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg als bel. Beh. gab keine Gegenschrift ab.
II. Der VfGH hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
A. Zur Verfassungsmäßigkeit des § 3 Fremdenpolizeigesetz idF der Nov. 1987 (§3 FrPG nF).
Der zu B1078/88 bekämpfte Bescheid gründet sich ausdrücklich auf § 3 FrPG idF der Nov. 1987 (§3 FrPG nF).
Der zu B888/88 angefochtene Bescheid beruft sich zwar nur auf § 8 FrPG. Diese Bestimmung ist aber nur vor dem Hintergrund des § 3 FrPG zu verstehen und gewinnt ihren normativen Inhalt nur im Zusammenhalt mit § 3 (vgl. zB VfSlg. 11 455/1987). Für die Behörde war daher auch in diesem Fall § 3 FrPG nF maßgebend.
Auch der VfGH hätte in beiden Beschwerdefällen § 3 FrPG nF anzuwenden. Der VfGH hat deshalb zu erörtern, ob er Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit dieser - präjudiziellen bundesgesetzlichen Bestimmung hegt. Die Bf. tragen solche Bedenken in extenso vor.
1.a) Der VfGH hatte bereits § 3 FrPG id Stammfassung mit Erkenntnis vom , VfSlg. 10737/1985, (1. FrPG-Erk.) wegen Verstoßes gegen Art 8 MRK als verfassungswidrig aufgehoben. Er begründete dies wie folgt:
"a) Dem - auf Verfassungsstufe stehenden (ArtII Z 7 B-VG-Nov. 1964, BGBl. 59) - Art 8 MRK zufolge sind Maßnahmen, die in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingreifen, nur dann verfassungsmäßig, wenn sie dem Eingriffsvorbehalt des Art 8 Abs 2 MRK entsprechen.
b) Das Verfahren hat nichts ergeben, was geeignet wäre, die im Einleitungsbeschluß enthaltene vorläufige Annahme zu zerstreuen, daß nicht erst die Ablehnung eines Vollstreckungsaufschubes nach § 6 Abs 2 FrPG, sondern schon die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 3 FrPG in das durch Art 8 MRK gewährleistete Recht eingreifen kann. Durch ein Aufenthaltsverbot wird nämlich dem Fremden der weitere Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet, allenfalls in bestimmten Teilen des Bundesgebietes (§4 FrPG), untersagt und ihm geboten, das Gebiet, in dem ihm der Aufenthalt verboten ist, innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides zu verlassen (§6 Abs 1 FrPG). Dies kann etwa den Zwang in sich schließen, sich von seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen zu trennen; damit könnte eine vom Begriff 'Familienleben' iS des Art 8 MRK erfaßte zwischenmenschliche Beziehung wesentlich gestört werden (vgl. hiezu die jüngere Judikatur der EKMR, zB EuGRZ 1983, 215 f., 423 f.; s. auch das Urteil des EGMR im Fall Abdulaziz, EuGRZ 1985, 567 ff., insbesondere § 65); zum Begriff 'Familienleben' vgl. zB Urteil des EGMR im Fall Marckx, EuGRZ 1979, 454 ff., EKMR , EuGRZ 1977, 499). Ein Aufenthaltsverbot kann unter Umständen auch einen Eingriff in das Privatleben iS des Art 8 MRK bedeuten, etwa wenn ein Fremder jahrelang in Österreich gelebt hat und hier völlig integriert ist.
c) § 3 (allenfalls iVm. § 4) FrPG sieht also Maßnahmen vor, die geeignet sind, in die durch Art 8 Abs 1 MRK
geschützten Güter einzugreifen.
Ein solcher Eingriff ist nur unter den im Art 8 Abs 2 MRK genannten Voraussetzungen zulässig. In formeller Hinsicht verlangt diese Verfassungsbestimmung, daß der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist ('is in accordance with the law', 'est prevue par la loi'). In materieller Hinsicht muß der Eingriff ein Ziel haben, das nach Art 8 Abs 2 MRK gerechtfertigt ist; er muß zur Erreichung dieses Zieles 'in einer demokratischen Gesellschaft notwendig' sein (vgl. zB die Urteile des EGMR in den Fällen Sunday Times und Silver, EuGRZ 1979, 387 und 1984, 149).
Wenn ein Gesetz eine Maßnahme - wie hier ein Aufenthaltsverbot - vorsieht, die nicht bloß zufällig und ausnahmsweise, sondern geradezu in der Regel in das Familienleben, vielfach auch in das Privatleben, eingreift, wenn also der Effekt des Gesetzes (mag dies auch gar nicht intendiert sein) in besonderer Nähe zum Eingriff in das Grundrecht steht (vgl. hiezu , S 7, betreffend Art 17a StGG), so muß der Eingriffstatbestand besonders deutlich umschrieben sein. Bei weniger eingriffsnahen Gesetzen kann es durchaus hinreichen, das Gesetz der MRK entsprechend auszulegen oder auch die den materiellen Gesetzesvorbehalt umschreibende Konventionsbestimmung als innerstaatlich unmittelbar anwendbares (zusätzlich zum Gesetz geltendes) Recht anzuwenden. Diese Position bezog im übrigen der VfGH auch in seiner bisherigen Judikatur zu § 3 FrPG (VfSlg. 8792/1980, 9028/1981, 9029/1981). Er ging hiebei allerdings nicht auf die spezifische Nähe dieser Bestimmung zu einem Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben (Art8 MRK) ein und meinte deshalb, § 3 FrPG verfassungskonform interpretieren zu können.
Bei einer Bedachtnahme auf die wegen der spezifischen Eingriffsnähe erforderliche besondere Strenge, mit der dem Auftrag des § 8 Abs 2 MRK nachzukommen ist, den Eingriff 'gesetzlich vorzusehen', stellt sich jedoch heraus, daß diese Meinung nicht länger aufrechterhalten werden kann:
d) Was unter 'gesetzlich' iS des Art 8 Abs 2 MRK zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Rechtssystem des Vertragsstaates (vgl. das Urteil des EGMR im Fall Sunday Times, EuGRZ 1979, 387). In Österreich müssen dem Art 18 B-VG zufolge die Eingriffsmöglichkeiten in einer - ausreichend kundgemachten auf Gesetzesstufe stehenden Norm (also insbesondere einem Gesetz im formellen Sinn oder einem Staatsvertrag iS des Art 50 B-VG) vorgesehen sein.
Das den Grundrechtseingriff erlaubende Gesetz muß das Verhalten der Behörde derart ausreichend vorausbestimmen, daß dieses für den Normadressaten vorausberechenbar ist und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes in der Lage sind, die Übereinstimmung des Verwaltungsaktes mit dem Gesetz zu überprüfen (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH zu Art 18 B-VG, zB VfSlg. 8792/1980, 8802/1980, 9609/1983, 9720/1983) oder - wie dies der EGMR in dem (ua.) zu Art 8 MRK ergangenen Urteil im Fall Silver, EuGRZ 1984, 150, ausgedrückt hat - das Gesetz muß so präzise formuliert sein, daß der Bürger sein Verhalten danach einrichten kann; er muß - gegebenenfalls aufgrund entsprechender Beratung - in der Lage sein, die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewißheit zu erkennen. Daß damit grundsätzlich weder ausgeschlossen wird, der Behörde ein Ermessen einzuräumen, noch sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, ist in der ständigen Judikatur des VfGH zu Art 18 B-VG (zB VfSlg. 8792/1980; 9627/1983, 9665/1983) festgehalten und wird auch vom EGMR in der Rechtsprechung zu Art 8 MRK (s. zB den Fall Silver, aaO, S 150) zugestanden. Ein eingriffsnahes Gesetz (s. die vorstehende litc), wie etwa Bestimmungen über das Aufenthaltsverbot, muß deutlich die Eingriffsschranken, wie sie die MRK (hier Art 8 Abs 2) vorschreibt, erkennen lassen. Es muß also mit der soeben dargelegten Bestimmtheit zu erkennen geben, unter welchen Voraussetzungen das Aufenthaltsverbot ohne jede Rücksichtnahme auf familiäre Beziehungen des Fremden verhängt werden darf - was Art 8 MRK keineswegs ausschließt - und unter welchen anderen Voraussetzungen bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die aufgrund des jeweiligen Tatbestandes zu erwartenden öffentlichen Interessen daran, daß der Fremde das Bundesgebiet verläßt, gegen die familiären (allenfalls auch privaten) Interessen am Verbleib des Fremden in Österreich gegeneinander abzuwägen sind (wobei das Gesetz die jeweiligen Grundsätze für diese Interessenabwägung festlegen und dabei auf eine angemessene Verhältnismäßigkeit Bedacht nehmen muß; vgl. Urteil des EGMR im Fall Silver, aaO S 152 - § 97c).
Diesen Voraussetzungen entsprechen die geltenden Bestimmungen über das Aufenthaltsverbot nicht. Der Abs 1 des § 3 FrPG umschreibt in Form einer weitmaschigen Generalklausel die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme. Die Intensität des öffentlichen Interesses am Aufenthaltsverbot ist bei den einzelnen Tatbeständen des Abs 2 dieser Gesetzesbestimmung völlig verschieden. Wird vor diesem Hintergrund Art 8 Abs 2 MRK als unmittelbar anzuwendende Vorschrift iZm. dem - bereits früher erlassenen - § 3 FrPG gelesen, so ergibt sich kein Normenkomplex, der die Eingriffstatbestände auf eine den vorstehenden Anforderungen genügende Weise umschreibt.
. . . . .".
b) Die Aufhebung des § 3 FrPG in der Stammfassung durch das soeben zitierte hg. Erkenntnis veranlaßte den Gesetzgeber, diese Gesetzesbestimmung mit der FrPG-Nov. BGBl. 555/1986 neu zu fassen.
Der VfGH sah sich aber veranlaßt, auch § 3 FrPG idF der Nov. 1986 wegen Widerspruchs zu Art 8 MRK (mit Wirkung vom ) aufzuheben (Erk. v. , VfSlg. 11 455/1987 - 2. FrPG-Erk.).
Der Gerichtshof verwies auf sein zum § 3 FrPG in der Stammfassung ergangenes, oben erwähntes Erkenntnis VfSlg. 10737/1985 und wiederholte dessen Grundaussagen. Er kam zum Ergebnis, daß die durch § 3 FrPG idF der Nov. 1986 erzielte Regelungsdichte genau dieselbe sei wie wenn anstelle dieser Vorschrift der Art 8 MRK als unmittelbar anzuwendende Vorschrift im Zusammenhalt mit § 3 Abs 1 und 2 FrPG gelesen würde. Genau einem derartigen Normenkomplex hatte der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 10737/1985 (mit dem § 3 FrPG in der Stammfassung aufgehoben wurde) vorgeworfen, daß er die Eingriffstatbestände verfassungsrechtlich ungenügend umschreibe.
Sodann lautet es im 2. FrPG-Erk.:
"Art8 MRK und Art 18 B-VG legen dem Gesetzgeber bei der Regelung des Aufenthaltsverbotes eine spezifische Determinierungspflicht auf. Sie ist ..... nicht dahin zu verstehen, daß sie den Gesetzgeber dazu verhält, keine unbestimmten Rechtsbegriffe zu verwenden, der Verwaltung kein freies Ermessen einzuräumen oder sich einer kasuistischen Regelungstechnik zu bedienen. Dem Gesetz muß aber mit hinlänglicher Genauigkeit der vom Gesetzgeber gewollte Inhalt derart entnommen werden können, daß das Verhalten der Behörde vom Adressaten vorausberechenbar und von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes nachprüfbar ist, wobei im
gegebenen Zusammenhang ..... strenge Anforderungen zu stellen sind.
....... Das Gesetz muß die Verwaltungsorgane ausreichend
konkretisiert anleiten, wie sie bei der gebotenen Interessenabwägung vorzugehen haben. Dies etwa derart, daß es klarstellt, welche Fallgruppen es allenfalls gibt, in denen das öffentliche Interesse so sehr überwiegt, daß eine Interessenabwägung von vornherein ausgeschlossen ist; vor allem aber derart, daß das Gesetz klärt, welche für den Verbleib des Fremden im Bundesgebiet sprechenden Aspekte im gegebenen Zusammenhang bedeutsam sind (allenfalls mit welchem Gewicht) und gegen das öffentliche Interesse daran, daß der Fremde das Bundesgebiet verläßt, abzuwägen sind. ....."
c) Am beschloß der Nationalrat neuerlich eine Nov. zu § 3 FrPG (BGBl. 575/1987), die mit in Kraft trat.
Die nunmehr geltende, in den beiden vorliegenden Beschwerdefällen präjudizielle Fassung des § 3 FrPG lautet:
"§3. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art 8 Abs 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom , BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht;
2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
3. im Inland wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen, mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit, oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
4. im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
5. an der rechtswidrigen Einreise von Fremden in das Bundesgebiet oder an der rechtswidrigen Ausreise aus diesem gegen Entgelt mitgewirkt hat ('Schlepper');
6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs 1 zu verschaffen;
7. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, daß er innerhalb der letzten fünf Jahre im Inland insgesamt drei Jahre einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privatoder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen."
2. Der VfGH hat unter dem Blickwinkel der beiden Beschwerdefälle gegen § 3 FrPG nF weder unter dem Gesichtspunkt des Art 8 MRK noch unter jenem eines anderen Verfassungsgebotes Bedenken:
a) Zu § 3 FrPG insgesamt
Dem § 3 Abs 1 FrPG nF zufolge darf ein Aufenthaltsverbot - und zwar unabhängig davon, ob es im konkreten Fall das Privat- und Familienleben tangiert oder nicht - nur verhängt werden, wenn dies das öffentliche Interesse, wie es im Art 8 Abs 2 MRK umschrieben wird, erfordert; in Betracht kommen alle dort aufgezählten Aspekte. Abs 2 führt beispielsweise an, welche Tatsachen diese öffentlichen Interessen berühren können. Wenn das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben eingreift, ist nach der ausdrücklichen Anordnung des Abs 3 (zusätzlich zu den aufgrund der Abs 1 und 2 anzustellenden Überlegungen - siehe hiezu die folgenden litb und c) eine Interessenabwägung vorzunehmen; diese Vorschrift läßt ein Aufenthaltsverbot gegen einen Fremden - trotz Vorliegens der in den Abs 1 und 2 erwähnten öffentlichen Interessen - dann, wenn es in das Privat- und Familienleben eingreift, nur unter der Voraussetzung zu, daß es zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist; § 3 Abs 3 FrPG (neu) legt fest, auf welche Umstände bei der gebotenen Interessenabwägung insbesondere Bedacht zu nehmen ist.
b) Zu § 3 Abs 1 FrPG
Durch den im § 3 Abs 1 FrPG nF enthaltenen Verweis auf Art 8 Abs 2 MRK ist klargestellt, daß alle dort genannten öffentlichen Interessen an sich ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen. Durch die im § 3 Abs 2 FrPG enthaltene demonstrative Aufzählung konkreter bezeichneter Tatsachen wird klar, was der Gesetzgeber mit der weiten Umschreibung im Abs 1 gemeint hat. Damit wird - entgegen der Meinung der Bf. - dem allgemeinen Determinierungsgebot des Art 18 B-VG Genüge getan (vgl. etwa die Judikatur des VfGH zum allgemeinen Versagungstatbestand und der folgenden beispielsweisen Aufzählung besonderer Versagungstatbestände in den Grundverkehrsgesetzen der Länder, zB VfSlg. 9063/1981).
Wenngleich den Bf. zuzugestehen ist, daß auch andere Rechtstechniken denkbar sein mögen, kann dem Gesetzgeber doch nicht vorgeworfen werden, das Determinierungsgebot mißachtet zu haben.
c) Zu § 3 Abs 2 FrPG
Zwar sind die Bf. damit im Recht, daß die Tatbestandsgruppen des § 3 Abs 2 FrPG nF von unterschiedlicher Gewichtung und Bedeutung sind; so etwa auch - wie in der zu B1078/88 erhobenen Beschwerde besonders hervorgehoben wird innerhalb ein und derselben Ziffer, so der Z 1.
Damit wurde aber keine dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Regelung getroffen. Ungeachtet der unterschiedlichen Gewichtung der im § 3 Abs 2 FrPG nF aufgezählten Tatsachen rechtfertigt doch an sich jede einzelne der hier erwähnten Voraussetzungen sachlich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes.
Die Fremdenpolizeibehörde darf, wenn eine der im § 3 Abs 2 FrPG nF angeführten Tatsachen vorliegt, ein Aufenthaltsverbot aussprechen. Sie hat von dem ihr eingeräumten freien Ermessen im Sinne des sich aus dem vorangehenden Abs 1 ergebenden Gesetzeszweckes Gebrauch zu machen. Insbesondere hat sie also zu bedenken, ob der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen im Art 8 Abs 2 MRK genannten
öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Sie hat hiebei - entgegen der Ansicht des Bf. zu B1078/88 - auch das Verhalten des Fremden seit der Anlaßtat zu berücksichtigen.
d) Zu § 3 Abs 3 FrPG
Würde aber das Aufenthaltsverbot einen Eingriff in das Privat- und Familienleben bewirken, so hat die Behörde nach § 3 Abs 3 FrPG nF vorzugehen, also über die bisher dargelegten Erwägungen hinaus die dort vorgesehene Interessenabwägung vorzunehmen.
§ 3 Abs 3 FrPG nF schreibt ausdrücklich vor, daß eine Interessenabwägung stattzufinden hat und gibt der Verwaltung durch eine beispielsweise Aufzählung der hiebei zu beachtenden Umstände eine Richtlinie an die Hand, die immerhin so konkret ist, daß das Verhalten der Verwaltung auf eine dem speziellen Determinierungsgebot des Art 8 Abs 2 MRK iVm Art 18 B-VG (noch) entsprechende Weise vorausbestimmt ist, wird doch durch diese demonstrative Aufzählung ausgedrückt, welchen Umständen bei der vorzunehmenden Interessenabwägung Gewicht beikommt.
Der VfGH teilt also auch das Bedenken der Bf. nicht, daß § 3 FrPG nF die Verwaltung nicht (dem Art 8 MRK und Art 18 B-VG entsprechend) ausreichend konkretisiert anleite, wie die gebotene Interessenabwägung vorzunehmen ist. Der VfGH hat zwar im 2. FrPG-Erkenntnis auf die Möglichkeit hingewiesen, Fallgruppen zu bilden (s.o. II.A.1.b), von der der Gesetzgeber allerdings nicht Gebrauch gemacht hat. Diese Möglichkeit ist aber nur eine von mehreren Gesetzestechniken, wie im gegebenen Zusammenhang dem Determinierungsgebot entsprochen werden könnte. Der Gesetzgeber hat jedoch - wie dargetan - auf andere Weise die bei der Interessenabwägung (besonders) bedeutsamen Umstände festgelegt, auf die die Vollziehung Bedacht zu nehmen hat.
e) Schlußfolgerung
Weder die von den Bf. vorgetragenen Bedenken noch sonstige Umstände veranlassen den VfGH, aus Anlaß der beiden Beschwerden von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 3 FrPG nF einzuleiten.
B. Zum sonstigen Vorbringen der Beschwerden
1.a) In der zu B888/88 erhobenen Beschwerde werden auch Vollzugsfehler geltend gemacht, durch die Art 8 MRK verletzt worden sei. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, das gegen den Bf. bestehende Aufenthaltsverbot aufzuheben: Nach 17-jährigem Aufenthalt in Österreich und im Hinblick darauf, daß ihn das Gericht nur zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt habe, sei ein Aufenthaltsverbot unangemessen.
b) aa) Nach der Judikatur des VfGH (zB ) wäre ein Eingriff in das durch Art 8 MRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht nur dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer dem Art 8 MRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art 8 Abs 1 MRK widersprechenden und durch Art 8 Abs 2 MRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hätte.
bb) Gegen das Gesetz bestehen keine Bedenken (s.o. II.A.). Ein den Art 8 MRK verletzender Vollzugsfehler liegt nicht vor:
Der Bf. wurde wegen illegalen Besitzes einer Faustfeuerwaffe und von zwei Springmessern vom Bezirksgericht Dornbirn rechtskräftig wegen Vergehens nach § 36 Abs 1 lita und b Waffengesetz zu 30 Tagessätzen bedingt verurteilt.
Zu den Privat- und Familienverhältnissen des Bf. hat die bel. Beh. festgestellt, daß er sich seit im Bundesgebiet aufhält und in Hohenems mit einer jugoslawischen Staatsangehörigen in Lebensgemeinschaft lebt. Seine Gattin befindet sich mit den 5 mj. Kindern in der Türkei.
Gegen diese Feststellungen der Behörde wurde im verfassungsgerichtlichen Verfahren nichts vorgebracht. Der von der Behörde angenommene Sachverhalt rechtfertigt die von ihr vorgenommene Interessenabwägung zumindest als denkmöglich.
2.a) In der zu B1078/88 erhobenen Beschwerde wird (außer dem Vorwurf, § 3 FrPG nF sei verfassungswidrig), vorgebracht, der angefochtene Bescheid verletze den Bf. im "Recht auf die Ergreiferprämie (Art140 Abs 7 B-VG)" und (durch der Vollziehung anzulastende Fehler) in dem durch Art 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens.
b) aa) Wie oben (I.2.a) geschildert wurde, war u.a. die vom Bf. erhobene Beschwerde seinerzeit Anlaß für die mit dem 2. FrPG - Erkenntnis verfügte Aufhebung des § 3 FrPG idF der Nov. 1986.
Die Behörde wäre dem Art 140 Abs 7 B-VG zufolge bei Erlassung des Ersatzbescheides an den aufhebenden Spruch des VfGH nur dann gebunden gewesen, wenn sich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Ersatzbescheides nicht geändert hätte.
Nun wurde aber nach dem 2. FrPG-Erkenntnis (vom ) mit der FrPG-Nov. 1987 vom der § 3 FrPG neu formuliert; diese Neufassung trat - ohne daß Übergangsvorschriften erlassen worden wären - mit in Kraft.
Die Sicherheitsdirektion hatte also bei Erlassung des (nun angefochtenen) Ersatzbescheides vom auf die geänderte Rechtslage Rücksicht zu nehmen, demnach § 3 FrPG nF anzuwenden.
bb) Wenn der Bf. meint, das Aufenthaltsverbot sei eine ihn unangemessen hart treffende Maßnahme, so weist er damit keinen den Art 8 MRK verletzenden Vollzugsfehler nach:
Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt:
"Fest steht und wird vom Berufungswerber auch nicht bestritten, daß er vom Landesgericht Feldkirch unter der Zl. 21 b Vr 864/85 am wegen des Verbrechens des schweren Diebstahles durch Einbruch nach den §§127 (1), (2) Ziffer 1, 128
(1) Ziff. 4, 129 Ziff. 1 und 2 und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten verurteilt wurde. Gemäß § 43 (1) StGB wurde der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe auf eine Probezeit von 3 Jahren vorläufig bedingt nachgesehen.
Anlaß für diese gerichtliche Verurteilung war, daß der Fremde als Beteiligter mit weiteren Mittätern
1. in der Nacht zum in Lech a.A. der Gastwirtin
M W durch Einbruch in deren Pension durch Aufbrechen eines Aktenschrankes sowie durch Aufbrechen eines Tresors vermögenswertes Gut in einem unbekannten Wert, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist und
2. am in St. Anton i.M. dem Hotelier L B bei einem Einbruch in das Hotel 'A' Briefmarken, Schmuck und Bargeld im Werte von ca. S 15.000,-- entzogen hat."
Die nach § 3 Abs 3 FrPG nF gebotene Interessenabwägung nimmt die Behörde wie folgt vor:
"An privaten Einwendungen, die für einen Weiterverbleib im Bundesgebiet sprechen würden, macht der Berufungswerber geltend, daß er seit dem Jahre 1975 bei wechselnden Beschäftigungsverhältnissen in Österreich aufhältig sei. Seine Eltern seien bereits verstorben. Weitere verwandtschaftliche Nahebeziehungen die sich auf das Bundesgebiet erstrecken würden, wurden nicht aufgezeigt. Dieser lange Aufenthaltszeitraum ist zweifelsohne bei der Entscheidungsfällung zu berücksichtigen. Die Berufungsbehörde hatte daher die öffentlichen Interessen an seiner Außerlandschaffung (wie oben aufgezeigt) mit diesen privaten Interessen abzuwägen. Daß die vorliegenden Taten als gravierend einzustufen sind, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung. Festzuhalten ist jedoch noch, daß gerade das Einbrechen in einen geschützten Bereich oder das Aufbrechen eines Tresors Tathandlungen darstellen, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung äußerst negativ beeinflussen. Besonders in Fremdenverkehrsgebieten stellen solche Delikte eine Beeinträchtigung der Reputation der Republik Österreich im Ausland dar. Nachdem Österreich als Fremdenverkehrsland auf die Einnahmen aus diesem Bereich angewiesen ist, müssen auch diese Interessen Berücksichtigung finden. Es ist der Berufungsbehörde auch durchaus bewußt, daß durch einen über zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet ein Naheverhältnis zur Bevölkerung und zu diesem Lande geschaffen wird. Die öffentlichen Interessen an der möglichsten Hintanhaltung von gravierenden Rechtsbrüchen, wie sie der Fremde gesetzt hat, sind jedoch sehr hoch anzusiedeln. Unter dieser Prämisse mußten seine privaten Einwendungen, zumal er keine familiären Bindungen im Bundesgebiet hat, diesen öffentlichen Interessen untergeordnet werden. Würde die Berufungsbehörde von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen, bestünde die begründete Gefahr (aufgrund der oben beschriebenen Sachverhalte), daß der Fremde erneut durch einschlägige Rechtsbrüche andere Personen in ihren Rechten schädigen könnte. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes würden nach Ansicht der Berufungsbehörde unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden."
All diese Überlegungen sind - ohne daß dies einer weiteren Erörterung bedürfte - zumindest vertretbar.
C. Abweisung der Beschwerden
1. Die Verfahren haben auch nicht ergeben, daß die Bf. durch die angefochtenen Bescheide in anderen als den von ihnen geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären.
Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s.o. II.A.) sind die Bf. auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden waren daher abzuweisen.
2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.