VfGH vom 20.02.2015, B888/2013
Leitsatz
Keine willkürliche Kündigung des kurativen Einzelvertrags sowie des Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrags eines Arztes aufgrund schwerwiegender Vertrags- und Berufspflichtenverletzung infolge „Krankschreiben aus Gefälligkeit“
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin in Wien. Sein mit der Wiener Gebietskrankenkasse abgeschlossener kurativer Einzelvertrag sowie sein Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrag wurden mit Schreiben der Wiener Gebietskrankenkasse vom zum mit der Begründung aufgekündigt, dass dem Beschwerdeführer "Verrechnungsmalversationen", welche auch Gegenstand eines laufenden Strafverfahrens seien, vorzuwerfen seien. Weiters habe sich der Beschwerdeführer auch über die gesamtvertraglichen Bestimmungen über die Krankmeldung von Versicherten hinweggesetzt, indem er mehreren Personen eine Krankenbescheinigung ausgestellt habe, obwohl die Betroffenen zuvor dem Beschwerdeführer eröffnet hätten, dass tatsächlich keine Erkrankung vorliegen würde, vielmehr sei von den Patienten unverhohlen der Wunsch nach freien Tagen geäußert worden. Die Kündigung des Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages gründe sich darauf, dass der Beschwerdeführer der Wiener Gebietskrankenkasse (im Zusammenhang mit unrechtmäßigen Krankenstandsbestätigungen) Vorsorgeuntersuchungen in Rechnung gestellt habe, die nicht nur von den Betroffenen nicht gewünscht gewesen seien, sondern auch in wesentlichen Teilbereichen gar nicht erbracht worden seien.
2. Der Beschwerdeführer erhob gegen die Kündigung am Einspruch bei der Landesschiedskommission für Wien. Die Landesschiedskommission Wien nahm in der Verhandlung vom Beweise auf und erstreckte die Verhandlung auf . Mit Devolutionsantrag vom beantragte der Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht auf die Bundesschiedskommission.
3. Die Bundesschiedskommission gab dem Devolutionsantrag statt und wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom den Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Kündigung des kurativen Einzelvertrages und des Vorsorgeuntersuchungs-Einzelvertrages ab. Die Bundesschiedskommission stellte folgenden Sachverhalt fest:
"Bei der Antragsgegnerin (im Folgenden: 'WGKK') gingen anonyme Anzeigen ein, dass in der Ordination des Antragstellers einiges im Argen liege und man sehr leicht eine Krankschreibung bekommen könne. Da nicht zu erwarten war, dass sich Patienten selbst belasten, eine ungerechtfertigte Krankschreibung erhalten zu haben, erschien der WGKK eine Patientenbefragung nicht sinnvoll und die Mitarbeiter in der zuständigen Abteilung, darunter der Zeuge [F.S.], beschlossen, Testpatienten in die Ordination des Antragstellers zu schicken. Der Auftrag an die sieben Testpatienten, die alle in einem Naheverhältnis zur WGKK standen, bestand darin, 'ergebnisoffen' zum Antragsteller zu gehen und zu verifizieren, ob die Vorwürfe betreffend die leichte Krankschreibung stimmen oder nicht […].
[N.F.], die seit […] bei der WGKK beschäftigt ist, wurde vom Zeugen [S.] bereits vor ihrem Dienstantritt gebeten, in die Ordination des Antragstellers zu gehen und zu versuchen, eine Krankmeldung zu bekommen, ohne krank zu sein. Sie begab sich am in die Ordination und erklärte gegenüber der Ordinationshilfe und dem Antragsteller, mit dem Ausmalen nicht fertig geworden zu sein; am nächsten Tag werde ein Sofa geliefert, weshalb sie einen Krankenstand benötige. Sie brachte – wahrheitsgemäß – zum Ausdruck, nicht krank zu sein. Der Antragsteller drückte sein Verständnis aus und wies darauf hin, dass die Krankenkasse so intensiv kontrolliere. Er erstellte eine Familienanamnese, nahm einige Untersuchungen vor und sprach eine Laborzuweisung sowie eine Vorsorgeuntersuchung an. Weiters erkundigte er sich nach dem beim Arbeitgeber angegebenen Grund für das Fernbleiben. Zur Überraschung der Testpatientin schrieb er sie mit der Diagnose 'Gastroduodenitis' für eine Woche krank […]. Außer der Unterfertigung des e-Card-Ersatzbelegs wurde [F.] um die Leistung weiterer Unterschriften im Zusammenhang mit der Vorsorgeuntersuchung gebeten, die sie 'blanko' leistete […].
Auf dem e-Card-Ersatzbeleg wurde als Diagnose angegeben: 'Mehrmalige Fieberanfälle; Aliment. Blutzuckerzunahme; Degen. Schmerz AcHumeriBil; Diffuse Muskelverspannung; Urinae -virarum- calculi!; Fibrinös obliter. BroSH-Ez'. Die Arbeitsunfähigkeit wurde von bis bestätigt […].
[K.S.], ein langjähriger Angestellter der WGKK, begab sich am in die Ordination des Antragstellers. Auf die Frage des Antragstellers nach seinen Beschwerden antwortete er wahrheitsgemäß, keine Beschwerden zu haben und gesund zu sein; allerdings wäre er hinausgeschmissen worden, wenn er arbeiten gegangen wäre. Deshalb ersuchte er um eine Krankschreibung für den . Der Antragsteller drückte sein Verständnis aus und meinte, dass das kein Problem sei; er müsse aber wegen der Glaubwürdigkeit gegenüber der Krankenkasse ein paar Untersuchungen machen. Er erstellte eine Familienanamnese und nahm diverse Untersuchungen vor, darunter eine Blutzuckeruntersuchung. Da der Wert leicht erhöht war, veranlasste er eine Laborüberweisung. Danach paraphierte er die Krankenstandsbestätigung und fragte, welchen Krankheitsgrund [K.S.] gegenüber seinem Arbeitgeber angegeben habe. Auf die Antwort 'Gastritis' stellte er ein entsprechendes Rezept aus […]. Ohne dass er zuvor einen entsprechenden Wunsch geäußert hätte, wurde [S.] schließlich noch gebeten, sechs Unterschriften auf Vorsorgeuntersuchungsformularen zu leisten; er leistete diese Unterschriften 'blanko' […]. Zum Vorsorgeuntersuchungsprogramm zählende Untersuchungen wurden vom Antragsteller nur ansatzweise und nicht vollständig verlangt und ausgeführt […].
Die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit wurde für bestätigt; als Diagnose wurde auf dem e-Card-Ersatzbeleg 'akute Gastroduodenitis' vermerkt […].
Weitere fünf Testpatienten – jeweils Angestellte der WGKK –suchten im Auftrag der WGKK die Ordination des Antragstellers auf: [A.A.] am , [C.M.] am , [S.J.] am , [M.P.] am und [S.B.] am […]. Auch bei [A.A.] veranlasste der Antragsteller, dass sie Vorsorgeuntersuchungsblätter 'blanko' unterschreibt. Zum Vorsorgeuntersuchungsprogramm zählende Untersuchungen wurden vom Antragsteller nur ansatzweise und nicht vollständig verlangt und ausgeführt […].
Daraufhin wartete die WGKK auf das Einlangen der Abrechnung des Antragstellers für das 2. Quartal 2011; die entsprechenden Daten langten Ende Juli 2011 ein. Eine Ärztin nahm die Auswertung der Abrechnung vor. Etwa Mitte August 2011 lag ein Bericht vor, der an die Generaldirektion weitergeleitet wurde, die umgehend 'grünes Licht' zu einer Kündigung der Vertragsverhältnisse mit dem Antragsteller gab. Da der zuständige Sachbearbeiter in der zweiten Augusthälfte auf Urlaub war, wurde der Kündigungsvorgang WGKK-intern Anfang September 2011 vorangetrieben und der Unterschriftenlauf in Gang gesetzt; es waren etwa sechs Personen in den Unterschriftenlauf eingebunden […]. Die WGKK möchte grundsätzlich keine Vertragskündigungsverfahren einleiten, bei denen die Kündigungsgründe dann letztlich nicht unter Beweis gestellt werden können, weshalb die Voraussetzungen für eine Kündigung intern genau geprüft werden […].
Am lagen alle notwendigen Unterschriften für die Kündigung vor, worauf das schriftliche Kündigungsschreiben ausgefertigt und dem Antragsteller zugestellt wurde […]. Die Kündigung der Einzelverträge mit dem Antragsteller wurde im Vorstand nicht beschlossen; sie wurde vom Vorstand auch nicht nachträglich genehmigt. Die Ausfertigung des – dem Antragsteller am zugestellten – Kündigungsschreibens vom ist von der Obfrau der WGKK und von ihrem Leitenden Angestellten unterfertigt […].
4. Zur rechtlichen Beurteilung führte die Bundesschiedskommission im angefochtenen Bescheid aus:
"Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbestätigungen zugunsten der gesunden 'Patienten' [N.F.] und [K.S.] sowie die Ausstellung eines Rezepts ohne gesundheitsbedingte Notwendigkeit eine Vertrags- und Berufspflichtverletzung darstellt.
8.2.2. Der Antragsteller hat auch gegen die sich aus dem Vorsorgeuntersuchungs-Gesamtvertrag ergebenden Pflichten verstoßen, indem er die Vorsorgeuntersuchungen gleichsam 'nebenbei' im Zusammenhang mit einer 'Krankenbehandlung' aufgedrängt hat. Anders als § 8 des maßgeblichen Gesamtvertrags über Vorsorgeuntersuchungen 'grundsätzlich' vorsieht, hat er mit den Patienten keinen eigenen, außerhalb der sonst üblichen Ordinationszeiten liegenden Termin für die Vorsorgeuntersuchung vereinbart; er hat sie nicht darüber aufgeklärt, was im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung gemacht wird, sondern einfach 'blanko' Formulare unterfertigen lassen und das Vorsorgeuntersuchungsprogramm nur in peripherer Weise umgesetzt, ohne dass dies durch das Verhalten der Patienten veranlasst gewesen wäre.
8.3. Eine schwerwiegende Pflichtverletzung berechtigt schon bei der erstmaligen Verfehlung zur Kündigung des Einzelvertrags. Maßgeblich hiefür ist eine besondere Intensität der Pflichtverletzung. Dieses besondere Maß ist im vorliegenden Fall zu bejahen, hat doch der Antragsteller ohne jeglichen Anhaltspunkt für eine Erkrankung – die beiden Patienten haben ausdrücklich das Vorliegen einer Krankheit verneint und einen anderen Grund für den Wunsch nach einer Arbeitsunfähigkeitsbestätigung genannt – eine Krankschreibung vorgenommen und versucht, diesen Umstand gegenüber der Antragsgegnerin durch Erbringung von nicht notwendigen – und daher auch nicht verrechenbaren – Leistungen zu rechtfertigen bzw zu verschleiern. Die durchgeführten und der Antragsgegnerin verrechneten Untersuchungen dienten also nicht der Abklärung der Arbeitsunfähigkeit, sondern dazu, den zu Unrecht bestätigten Sachverhalt plausibel zu machen. Diese vorsätzliche Vorgangsweise muss als besonders verwerflich qualifiziert werden, wird doch dem Krankenversicherungsträger praktisch jede Kontrolle verunmöglicht. Selbst wenn man die Verfehlungen im Zusammenhang mit den aufgedrängten Vorsorgeuntersuchungen noch nicht als schwerwiegend qualifiziert, ergibt das Gesamtbild ein gravierendes Fehlverhalten des Antragstellers, das die im Einzelvertragsverhältnis notwendige Vertrauensbasis zur Antragsgegnerin generell in einer nicht tolerierbaren Weise erschüttert hat, weshalb die Antragsgegnerin zur Kündigung beider Einzelverträge berechtigt war. Angesichts der Qualifikation der vorliegenden Verstöße gegen Vertrags- und Berufspflichten als schwerwiegend bedurfte es keiner vorherigen Verwarnung bzw Kündigungsandrohung.
8.4. Dass es sich bei den 'Patienten' um – aus dem Nahebereich der Antragsgegnerin stammende – Testpatienten handelte, vermag das Kündigungsrecht nicht zu beseitigen. Dem Antragsteller schwebt in diesem Zusammenhang offenbar vor, dass ihm gegenüber keine wirklichen Patienten aufgetreten sind, sondern Personen nur zum Schein die Ordination aufgesucht haben, um ein rechtswidriges Verhalten zu provozieren. Ein ausdrückliches Verbot eines Einsatzes von Testpersonen ist weder dem Gesetzesrecht noch den geltenden gesamtvertraglichen Regelungen zu entnehmen. Der VwGH hat den Einsatz einer Testkäuferin in einer Apotheke, die mit falschen Angaben den Erwerb eines rezeptpflichtigen Medikaments ohne Rezept erreicht hat, nicht als unzulässig qualifiziert, wenn die Testkäuferin nicht anders vorgegangen ist als gewöhnliche Apothekenkunden (VwGH 94/10/0019). Ähnlich wird in Strafsachen keine – nach § 5 Abs 3 StPO untersagte – Provokation durch einen Lockspitzel angenommen, wenn der Täter die strafbare Handlung ihrer Art nach auch ohne Intervention des verdeckten Ermittlers begangen hätte (OGH 11 Os 126/04 = JBl 2005, 531; […]; vgl auch EGMR , Bsw 23782/06 und Bsw 46629/06, NL 2009, 282).
Auch im vorliegenden Fall haben sich die beiden – von der WGKK auf der Grundlage entsprechender Verdachtsmomente ausgesandten – Testpatienten wie gewöhnliche Patienten mit 'besonderen Wünschen' verhalten, ohne dass sie unerlaubte oder verwerfliche Mittel angewendet hätten, um den Antragsteller damit zum Verstoß gegen vertragliche und gesetzliche Vorschriften zu verleiten.
8.5. Nach der Rechtsprechung der Bundesschiedskommission ist die Kündigung des Einzelvertrags unverzüglich auszusprechen; andernfalls erlischt das Kündigungsrecht (vgl BSK R4-BSK/00 = SSV-NF 14/A 2). Dieser 'Unverzüglichkeits-grundsatz' soll verhindern, dass lange zurückliegende Sachverhalte plötzlich zum Gegenstand einer Kündigung des Einzelvertrags gemacht werden, obwohl der Krankenversicherungsträger von diesen Vorkommnissen schon länger informiert war und sie offenkundig in Kauf genommen hat (Mosler in Grillberger/Mosler [Hrsg], Ärztliches Vertragspartnerrecht [2012] 182).
Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf aber nicht überzogen werden. Wie schon allein der Umstand zeigt, dass es bei der Kündigung – anders als im Arbeitsverhältnis, in dem bei einer sofortigen Auflösung jegliche weitere Fortsetzung als unzumutbar angesehen werden muss – um eine Auflösung des Vertragsverhältnisses zu einem zumindest drei Monate in der Zukunft liegenden Zeitraum geht, können bei der Kündigung deutlich längere Zeitspannen zwischen dem Entstehen des Kündigungsgrundes und dem Ausspruch der Kündigung als bei der sofortigen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses liegen (näher Geist, Kündigungsschutz für freiberufliche Vertragsärzte in Österreich, in Jabornegg/Resch/Seewald (Hrsg), Der Vertragsarzt [1999] 195 [201]). Auch die nicht unkomplizierte Organisationsform der Krankenversicherungsträger ist zu bedenken. Der Krankenversicherungsträger soll keinesfalls gezwungen sein, vorschnell eine Kündigung auszusprechen, ohne den Sachverhalt so weit erhoben zu haben, dass eine Kündigung nach einem Einspruch voraussichtlich auch 'halten' wird (vgl BSK R4-BSK/00, SSV-NF 14/A 2). So hat die Bundesschiedskommission in der zitierten Entscheidung R 4-BSK/00 (= SSV-NF 14/A 2) eine Kündigung etwa 2 1/2 Monate nach Kenntnisnahme von Verfehlungen (in diesem Zeitraum wurden Erhebungen durchgeführt) als rechtzeitig angesehen. Auch im vorliegenden Fall ist der bis zum Ausspruch der Kündigung vergangene Zeitraum noch nicht so lang, dass der Antragsteller auf einen Verzicht auf das Kündigungsrecht schließen hätte können. Immerhin war er es, der zur Verschleierung des maßgeblichen Sachverhalts dadurch beigetragen hat, dass er der Kasse nicht notwendige Leistungen verrechnet hat. Auch wenn die Ausstellung von unrichtigen Krankenstandsbestätigungen für sich allein bereits ausreichte, eine Kündigung zu rechtfertigen, war es für die Antragsgegnerin – im Hinblick auf das Erfordernis einer sehr genauen Prüfung – legitim, auch noch abzuwarten, welche Leistungen vom Antragsteller verrechnet werden. Überdies musste die Antragsgegnerin ins Kalkül ziehen, dass eine Kündigung unmittelbar nach der Aufnahme der letzten Niederschrift mit einer Testpatientin (am ) eine Kündigung erst auf das Ende des 4. Quartals 2011 ermöglicht hätte, so wie es im vorliegenden Fall auch geschehen ist.
8.6. Die Argumentation des Antragstellers, die ausgesprochene Kündigung sei mangels Genehmigung durch den Vorstand unwirksam, ist nicht nachvollziehbar. Nach dem am unter der Nr 31 amtlich verlautbarten Anhang zur Geschäftsordnung des Vorstandes der Wiener Gebietskrankenkasse werden ua folgende Angelegenheiten der Obfrau übertragen:
'2.3. a) Abschluss von Einzelverträgen mit Ärzten und Dentisten und Auflösung solcher Verträge gegen nachträgliche Berichterstattung an den Vorstand'.
9. Insgesamt hat daher die Antragsgegnerin die Kündigung des kurativen Einzelvertrags und des Voruntersuchungs-Einzelvertrags berechtigt ausgesprochen."
4.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Begründend wird dazu auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes ausgeführt:
4.1.1. Die Kündigung des Einzelvertrages sei ungerechtfertigt erfolgt. Eine wiederholte, nicht unerhebliche Vertrags- und Berufsverletzung iSd § 343 Abs 4 Satz 2 ASVG seitens des Beschwerdeführers liege nicht vor. Nach den Gesetzesmaterialien könne eine im Einzelfall unerhebliche Pflichtverletzung nur durch eine beharrliche Wiederholung zu einer erheblichen Pflichtverletzung werden. Das zweimalige Ausstellen einer unrichtigen Krankenstandsbestätigung reiche dazu nicht hin. Gleiches gelte für die drei nicht vollständig durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen. Die Kündigung des Einzelvertrages sei auch nicht rechtzeitig erfolgt. Nach der bisherigen Rechtsprechung der belangten Behörde sei die Kündigung eines Einzelvertrages unverzüglich auszusprechen. Die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse habe nach dem am unter Nr 31 amtlich verlautbarten Anhang zur Geschäftsordnung des Vorstandes über eine Beschlussdelegation verfügt, nach der ihr "der Abschluss von Einzelverträgen […] und Auflösung solcher Verträge gegen nachträgliche Berichterstattung an den Vorstand übertragen" worden sei. Wenn sich die Obfrau nach dem Mitte August 2011 vorliegenden Bericht bis zum weitere sechs Wochen Zeit gelassen habe, um den Vertrag zu kündigen, dann sei die Kündigung verspätet erfolgt.
4.1.2. Die belangte Behörde verkenne die Rechtslage gehäuft und eklatant, wenn sie bezüglich der Kenntnis des Kündigungsgrundes und der Rechtzeitigkeit der Kündigung auf das Einlangen der Abrechnung abstelle. Bereits die erfolgte Krankmeldung vom hätte unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der belangten Behörde für sich alleine einen Kündigungsgrund verwirklicht, welcher jedoch jedenfalls verfristet sei. Die Rechtfertigung der belangten Behörde, warum die Kündigung nicht unverzüglich ausgesprochen worden sei, nämlich, dass es legitim gewesen sei, noch abzuwarten, welche Leistungen vom Beschwerdeführer verrechnet werden, erfolge auf Grund eines völligen Verkennens der Rechtslage.
5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab. Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Rechtslage
1. Die im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl 189/1955, in der hier maßgeblichen Fassung, lauten auszugsweise:
"Aufnahme der Ärzte in den Vertrag und Auflösung des Vertragsverhältnisses
§343. (1) Die Auswahl der Vertragsärztinnen/Vertragsärzte und der Vertrags-Gruppenpraxen und der Abschluss der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Arzt/der Ärztin oder der Gruppenpraxis erfolgt nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer. Diese Einzelverträge sind sodann für alle Gebiets- und Betriebskrankenkassen sowie für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wirksam. Die Einzelvertragsparteien können abweichend von § 341 Abs 3 mit Zustimmung der zuständigen Ärztekammer ergänzende oder abweichende Regelungen hinsichtlich Art, Umfang und Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit insbesondere im Zusammenhang mit der Festlegung der Öffnungszeiten, für Spitalsambulanzen entlastende Leistungen, oder für dislozierte Standorte treffen. Wurden in einem Zulassungsverfahren nach § 52c ÄrzteG 1998 oder § 26b Abs 1 ZÄG Auflagen erteilt, so sind diese Inhalt des jeweiligen Einzelvertrages. Einzelverträge, die nicht im Rahmen der jeweils nach § 342 Abs 1 Z 1 vereinbarten Zahl und örtlichen Verteilung abgeschlossen werden, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Hauptverbandes und der zuständigen Ärztekammer, bei Nichteinigung der Zustimmung des Hauptverbandes und der Österreichischen Ärztekammer. Mit approbierten Ärztinnen/Ärzten (§44 Abs 1 ÄrzteG 1998) kann kein Einzelvertrag abgeschlossen werden, es sei denn, der Arzt/die Ärztin hat gemäß Artikel 36 Abs 2 der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen das Recht erworben, den ärztlichen Beruf als Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin im Rahmen eines Sozialversicherungssystems auszuüben.
(1a) – (1c) […]
(2) Das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt oder der Vertrags-Gruppenpraxis und dem Träger der Krankenversicherung erlischt ohne Kündigung im Falle:
[…]
(3) Der Träger der Krankenversicherung ist zur Auflösung des Vertragsverhältnisses mit einem Vertragsarzt oder mit einer Vertrags-Gruppenpraxis verpflichtet, wenn der Arzt oder ein Gesellschafter einer Vertrags-Gruppenpraxis die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes verliert oder wenn ihm diese Berechtigung von Anfang an fehlte oder wenn im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer festgestellt wird, dass die Voraussetzungen, die zur Bestellung des Vertragsarztes oder der Vertrags-Gruppenpraxis erforderlich sind, von Anfang an nicht gegeben waren. Abs 2 letzter Satz gilt sinngemäß.
(4) Das Vertragsverhältnis kann unbeschadet der Bestimmungen der Abs 2 und 3 von beiden Teilen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Der Krankenversicherungsträger kann nur wegen wiederholter nicht unerheblicher oder wegen schwerwiegender Vertrags- oder Berufspflichtverletzungen unter Angabe der Gründe schriftlich kündigen. Der gekündigte Arzt/die gekündigte Ärztin oder die gekündigte Vertrags-Gruppenpraxis kann innerhalb von zwei Wochen die Kündigung bei der Landesschiedskommission mit Einspruch anfechten. Die Landesschiedskommission hat innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des Einspruches über diesen zu entscheiden. Der Einspruch hat bis zum Tag der Entscheidung der Landesschiedskommission aufschiebende Wirkung. Eine Vertrags-Gruppenpraxis kann die Kündigung des Einzelvertrages abwenden, wenn sie innerhalb von acht Wochen ab Rechtskraft der Kündigung jenen Gesellschafter/jene Gesellschafterin, der/die ausschließlich den jeweiligen Kündigungsgrund gesetzt hat, aus der Vertrags-Gruppenpraxis ausschließt. Eine vom gekündigten Arzt/von der gekündigten Ärztin (von der gekündigten Gruppenpraxis) eingebrachte Berufung an die Bundesschiedskommission hat ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers keine aufschiebende Wirkung."
"Landesschiedskommission
§345a. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesschiedskommission zu errichten. Diese besteht aus einem Richter des Ruhestandes als Vorsitzenden und vier Beisitzern. Der Vorsitzende soll durch längere Zeit hindurch in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätig gewesen sein. Er ist vom Bundesminister für Justiz jeweils auf fünf Jahre zu bestellen. Je zwei Beisitzer werden im Einzelfall von der zuständigen Ärztekammer und dem Hauptverband entsendet.
(2) Die Landesschiedskommission ist zuständig:
1. zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages;
2. zur Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung gemäß § 343 Abs 4;
3. zur Entscheidung bei Anträgen nach § 343 Abs 1a.
(3) Gegen die Entscheidungen der Landesschiedskommission kann Berufung an die Bundesschiedskommission erhoben werden.
Bundesschiedskommission
§346. (1) Zur Entscheidung über Berufungen, die gemäß § 345a Abs 3 erhoben werden, ist eine Bundesschiedskommission zu errichten."
2. § 37 Abs 10 des Gesamtvertrages über kurative Leistungen, abgeschlossen zwischen der Ärztekammer für Wien, Kurie der niedergelassenen Ärzte einerseits und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die Wiener Gebietskrankenkasse und weitere Versicherungsträger, in der hier maßgeblichen Fassung, lautet auszugsweise:
"§37 Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch den Vertragsarzt
(1) – (9) […]
(10) Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer Dauer ist unter gewissenhafter Würdigung der maßgebenden Verhältnisse vorzunehmen. Bei Eintritt der Arbeitsfähigkeit ist der Versicherte von der Arbeitsunfähigkeit abzumelden und der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit genau anzugeben."
3. § 8 des Gesamtvertrages über Vorsorgeuntersuchungen, abgeschlossen zwischen der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte der Österreichischen Ärztekammer sowie den Landesärztekammern einerseits und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger für die Krankenversicherungsträger andererseits, lautet auszugsweise:
"§8
Ort und Zeit der Vorsorgeuntersuchungen
Der Vertragsarzt hat die Vorsorgeuntersuchung (Allgemeines Untersuchungsprogramm gemäß Anlage 1) in seiner Ordination selbst vorzunehmen. Mit den Probanden sind Termine zu vereinbaren, die grundsätzlich außerhalb der im kurativen Einzelvertrag (sofern vorhanden) vereinbarten Ordinationszeiten liegen sollen. Der Vertragsarzt ist berechtigt, die Untersuchung eines Anspruchsberechtigten abzulehnen. Auf Verlangen des Versicherungsträgers ist diesem der Grund der Ablehnung mitzuteilen."
4. Die Geschäftsordnung des Vorstandes der Wiener Gebietskrankenkasse vom , Nr 31, Anhang zur Geschäftsordnung, Angelegenheiten der Obfrau, lautet auszugsweise:
"Die Wiener Gebietskrankenkasse verlautbart gemäß § 456a Abs 3 ASVG:
Anhang zur Geschäftsordnung des Vorstandes
A. Gem. § 434 Abs 1 ASVG werden Obliegenheiten des Vorstandes an engere Ausschüsse aus Mitgliedern der Generalversammlung, an die Obfrau sowie laufende Angelegenheiten an das Büro übertragen:
1. – 2. […]
2.1. – 2.2. […]
2.3. Sonstige Angelegenheiten
a) Abschluss von Einzelverträgen mit Ärzten und Dentisten und Auflösung solcher Verträge gegen nachträgliche Berichterstattung an den Vorstand;
b) – e) […]
3. […]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.
2. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind – aus der Sicht des Beschwerdefalles – nicht entstanden und vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet worden:
3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
3.1. Keiner dieser Mängel liegt hier jedoch vor:
3.2. Die beteiligte Gebietskrankenkasse stützte ihr Kündigungsschreiben vom "neben den Rechnungsmalversationen", zu denen das Strafverfahren mittlerweile eingestellt wurde, auf in "nicht zu tolerierender Weise" erfolgte Verletzungen von Bestimmungen des Gesamtvertrages ("der Beschwerdeführer schreibe jeden krank, der dies wolle"), und der in diesem Zusammenhang obwohl nicht notwendigen, gleichwohl aber veranlassten und auch verrechneten ärztlichen Diagnoseleistungen, die ihm als "strafrechtlich relevante Falschabrechnungen" vorgeworfen wurden, darunter vier Vorsorgeuntersuchungen, die von den Patienten nicht intendiert und auch nicht zur Gänze erbracht worden seien.
3.3. Der Beschwerdeführer wendet unter dem Gesichtspunkt des Willkürvorwurfs dagegen auf das Wesentliche zusammengefasst ein, dass die strittigen Krankschreibungen nicht unverzüglich (ersichtlich gemeint: durch einen Kündigungsausspruch noch im Juni 2011 zum ) als Kündigungsgrund geltend gemacht worden und daher verfristet seien.
Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:
3.3.1. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegen hier nicht zwei voneinander in sachlicher und auch zeitlicher Hinsicht zu unterscheidende Gruppen von Rechtsverletzungen vor. Denn nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer versucht, die grund- und anlasslosen Krankmeldungen jeweils dadurch vor Aufdeckung zu schützen, dass er (mangels Behauptung einer Erkrankung durch die Patienten gar nicht erforderliche) Untersuchungen vornahm und Rezepte ausstellte und diese demgemäß auch der Gebietskrankenkasse verrechnete. Insofern liegt somit in jedem dieser Fälle ein vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfasstes, zwar mehraktiges, aber einheitliches Tatgeschehen vor, das erst mit der (versuchten) Verrechnung der Aktivitäten des Beschwerdeführers gegenüber der beteiligten Kasse durch Aufnahme in die Quartalsabrechnung als gleichsam letztem Akt sein Ende gefunden hat. Auf Grund dieses Zusammenhanges beider, zeitlich zwar auseinanderfallender, aber nach der zu unterstellenden Vorstellung des Beschwerdeführers voneinander nicht zu trennender, Komponenten der erhobenen Tatvorwürfe konnte der Lauf einer allfälligen Frist zur rechtzeitigen Geltendmachung des Kündigungsrechtes frühestens mit dem Einlangen der Quartalsabrechnung bei der beteiligten Gebietskrankenkasse ihren Anfang nehmen.
3.3.2. Der Zeitraum von sechs Wochen zwischen dem Vorliegen des Berichts über die Malversationen des Beschwerdeführers und dem Ausspruch der Kündigung ist schon deshalb unschädlich, weil die Gebietskrankenkasse auch zum früheren Zeitpunkt Mitte August 2011 auf Grund der Fristregelung des § 343 Abs 4 ASVG das Vertragsverhältnis nur unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist zum Quartalsende kündigen konnte, dh. frühestens zum . Im Hinblick auf die Dauer dieser selbst bei Vorliegen gravierender Gründe einzuhaltenden Frist begründet es keine Willkür, wenn die belangte Behörde den Ausspruch der Kündigung als rechtzeitig angesehen hat.
3.3.3. Die Zulässigkeit des von der belangten Behörde nicht beanstandeten Einsatzes von eigenen Angestellten des beteiligten Krankenversicherungsträgers als Testpatienten wird in der Beschwerde nicht begründet gerügt; der Verfassungsgerichtshof hegt nach dem von der belangten Behörde dazu festgestellten Sachverhalt auch insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu auch , SZ56/57 – Testkauf im Recht des unlauteren Wettbewerbs = RdM 2003/29 – Scheinpatient, Eigenbluttherapie durch Heilpraktiker uva. sowie – Testkauf in Apotheken zur Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen über die Rezeptpflicht).
3.3.4. Der belangten Behörde kann aber auch insofern kein Vorwurf willkürlicher Vorgangsweise gemacht werden, als sie das Verhalten des Beschwerdeführers als für eine Kündigung des Einzelvertrages ausreichend beurteilt hat:
3.3.4.1. Das Vertragsverhältnis eines Vertragsarztes kann gemäß § 343 Abs 4 ASVG in der Fassung der 72. Novelle zum ASVG wegen wiederholter, nicht unerheblicher oder wegen schwerwiegender Vertrags- oder Berufspflichtenverletzungen unter Angabe der Gründe schriftlich gekündigt werden.
3.3.4.2. Gemäß § 55 Ärztegesetz 1998 darf ein Arzt ärztliche Zeugnisse nur nach gewissenhafter Untersuchung und genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausstellen. Das Ausstellen von Gefälligkeitsattesten über eine angebliche Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit verstößt daher gegen § 55 Ärztegesetz 1998 und damit gegen Berufspflichten des Vertragsarztes.
3.3.4.3. Dem Vertragsarzt ist aber auch gesamtvertraglich die Verpflichtung überbunden, mit Wirkung der Begründung einer Leistungsverpflichtung des Krankenversicherungsträgers gegenüber der versicherten Person deren Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit festzustellen (vgl. VfSlg 15.787/2000). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begegnet eine Auslegung des § 343 Abs 4 ASVG, wonach eine Vertragsverletzung vor allem dann als besonders schwerwiegend anzusehen ist, wenn dadurch – zB wegen der fehlenden medizinischen Indikation zur Verschreibung (vgl. VfSlg 15.857/2000 mwH) – nicht nur die finanziellen, sondern auch die Interessen des Krankenversicherungsträgers an einer einwandfreien ärztlichen Versorgung bzw. das Vertrauen der hilfesuchenden Patienten in die Bereitstellung einer fachlich einwandfreien Behandlungsleistung in besonderer Weise beeinträchtigt werden, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (VfSlg 15.818/2000). Dies trifft auch für die Vornahme und Verrechnung von Untersuchungen zu, die ohne Vorliegen einer Erkrankung vorgenommen werden.
3.3.4.4. Wie der Verfassungsgerichtshof schon ausgesprochen hat, ist für eine Vertragsbeziehung, wie sie der Einzelvertrag darstellt, ein hohes Maß an Vertrauen erforderlich, wird doch durch die Verrechnung von ärztlichen Leistungen indirekt im eigenen wirtschaftlichen Interesse des Arztes über beträchtliche Mittel der Versichertengemeinschaft disponiert (vgl. zu diesem Gesichtspunkt in einem vergleichbaren Zusammenhang VfSlg 15.804/2000). Krankschreiben "auf Bestellung" ist daher auch geeignet, dieses Vertrauen des Krankenversicherungsträgers zu seinem Vertragsarzt nachhaltig zu zerstören.
3.3.4.5. Durch die Bestätigung einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit wird schließlich bei Dienstnehmern die arbeitsrechtliche Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung sistiert, während für den Dienstgeber im Allgemeinen eine Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung besteht. Krankschreiben aus Gefälligkeit richtet daher auch materiellen Schaden beim Dienstgeber an und beeinträchtigt auch dessen Vertrauen in eine ordnungsgemäße Gestion der gesetzlichen Krankenversicherung.
3.3.4.6. Es begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die belangte Behörde im Verhalten des Beschwerdeführers (jederzeitige Bereitschaft zum "Krankschreiben aus Gefälligkeit", Vornahme von Deckungshandlungen durch unbegründete Untersuchungen und Verrechnung dieser Untersuchungen an den Krankenversicherungsträger sowie durch Ausstellung von Rezepten über nicht indizierte Medikationen) schwerwiegende Vertrags- und Berufspflichtenverletzungen erblickt hat, die den Krankenversicherungsträger zur Kündigung des Einzelvertrages berechtigten.
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden.
2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
1. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
2. Ob die Behörde das Gesetz in jeder Hinsicht richtig angewendet hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie vorliegend – gegen den Bescheid einer sogenannten Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß Art 133 Z 4 B VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden konnte (zB VfSlg 9541/1982 mwN, 17.412/2004, 19.306/2011).
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Der beteiligten Partei sind für den von ihr eingebrachten, vom Verfassungsgerichtshof aber nicht abverlangten Schriftsatz Kosten nicht zuzusprechen (zB VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2015:B888.2013