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OGH vom 26.11.2015, 9ObA84/15s

OGH vom 26.11.2015, 9ObA84/15s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Johann Sommer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Zentralbetriebsrat *****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner Ö*****, vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Schriftsatz des Antragstellers vom („Urkundenvorlage“) wird zurückgewiesen.

II. Dem Feststellungsantrag wird teilweise stattgegeben.

1. Es wird zwischen den Parteien festgestellt, dass die Gehaltseinstufung der Arbeitnehmer iSd § 36 ArbVG, die zum in einem aufrechten Dienstverhältnis zum Antragsgegner standen und die der FBV / FBV 93 / KV 96 (A) / KV 96 (B) sowie dem KV 2003 unterliegen, so vorzunehmen ist, dass auch die vor Vollendung des 19. Lebensjahres liegenden kollektivrechtlich vorgesehenen Vordienstzeiten bei der Einstufung berücksichtigt sind.

2. Es wird zwischen den Parteien festgestellt, dass die Arbeitnehmer iSd § 36 ArbVG, die zum in einem aufrechten Dienstverhältnis zum Antragsgegner standen und deren Gehaltseinstufung auf der FBV / FBV 93 / KV 96 (A) / KV 96 (B) sowie dem KV 2003 beruht oder beruht hat, Anspruch auf Nachzahlung des Differenzbetrags zwischen dem ihnen tatsächlich zugekommenen Entgelt und dem sich unter Außerachtlassung der Anrechnungsbeschränkung für Vordienstzeiten vor dem vollendeten 19. Lebensjahr gebührenden Entgelt haben.

3. Im Übrigen, also hinsichtlich des beim Antragspunkt 2. enthaltenen Zusatzes „das ab dem fällig war, soweit dieses nicht verjährt ist und Verjährung eingewendet wird“ und des zum Antragspunkt 2. gestellten Eventualzusatzes, „das ab dem fällig war, soweit dieses nicht verjährt ist und Verjährung eingewendet wird“, wird der Feststellungsantrag abgewiesen.

4. Der Antrag des Antragsgegners, den Streitwert mit 21.900 EUR festzusetzen, wird abgewiesen.

5. Der Antragsgegner hat seine Verfahrenskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller stellt gegenüber dem Antragsgegner den Antrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG,

der Oberste Gerichtshof möge zwischen den Parteien feststellen:

1. Die Gehaltseinstufung der Arbeitnehmer iSd § 36 ArbVG, die zum in einem aufrechten Dienstverhältnis zum Antragsgegner standen und die der FBV / FBV 93 / KV 96 (A) / KV 96 (B) sowie dem KV 2003 unterliegen, ist so vorzunehmen, dass auch die vor Vollendung des 19. Lebensjahres liegenden kollektivrechtlich vorgesehenen Vordienstzeiten bei der Einstufung berücksichtigt sind.

2. Die Arbeitnehmer iSd § 36 ArbVG, die zum in einem aufrechten Dienstverhältnis zum Antragsgegner standen und deren Gehaltseinstufung auf der FBV / FBV 93 / KV 96 (A) / KV 96 (B) sowie dem KV 2003 beruht oder beruht hat, haben Anspruch auf Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen dem ihnen tatsächlich zugekommenen Entgelt und dem sich unter Außerachtlassung der Anrechnungsbeschränkung für Vordienstzeiten vor dem vollendeten 19. Lebensjahr gebührenden Entgelt, das ab dem fällig war, soweit dieses nicht verjährt ist und Verjährung eingewendet wird;

in eventu zu 2. Die Arbeitnehmer iSd § 36 ArbVG, die zum in einem aufrechten Dienstverhältnis zum Antragsgegner standen und deren Gehaltseinstufung auf der FBV / FBV 93 / KV 96 (A) / KV 96 (B) sowie dem KV 2003 beruht oder beruht hat, haben Anspruch auf Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen dem ihnen tatsächlich zugekommenen Entgelt und dem sich unter Außerachtlassung der Anrechnungsbeschränkung für Vordienstzeiten vor dem vollendeten 19. Lebensjahr gebührenden Entgelt, das ab dem fällig war, soweit dieses nicht verjährt ist und Verjährung eingewendet wird.

Der Antragssteller ist Zentralbetriebsrat des Antragsgegners und vertritt die beim Antragsgegner am beschäftigten Arbeitnehmer iSd § 36 ArbVG.

Nach dem vom Antragsteller vorgetragenen Sachverhalt richtet sich die Entlohnung dieser Arbeitnehmer je nach dem wann die Arbeitnehmer eingestellt wurden bzw welches Optionsrecht sie geltend gemacht haben nach den zwischen den Streitteilen abgeschlossen Kollektivverträgen (KV) bzw nach sog freien Betriebsvereinbarungen (FBV), die mit Zustimmung des (Zentral )Betriebsrats und der zuständigen Fachgewerkschaft zustande gekommen sind.

Die FBV vom gilt für Arbeitnehmer, die vor dem eingestellt wurden.

Die FBV 93 vom gilt für Arbeitnehmer, die nach dem und vor dem eingestellt wurden.

Der KV 96 (A) vom gilt für Arbeitnehmer, die nach dem und vor dem eingestellt wurden sowie für jene Arbeitnehmer, die nach der FBV 93 angestellt wurden, auf die Anwendung der FBV 93 verzichteten und in den KV 96 (A) umgestiegen sind.

Der KV 96 (B) vom gilt für Arbeitnehmer, die vor dem nach der FBV 93 angestellt wurden, auf die Anwendung der FBV 93 verzichteten und in den KV 96 (B) umgestiegen sind.

Der KV 03 gilt für alle Arbeitnehmer, die nach dem und vor dem eingestellt wurden.

Am trat der von den Streitteilen am abgeschlossene KV 14 in Kraft, der alle nach dem begründete Arbeitsverhältnisse umfasst.

Nach den einschlägigen und im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der FBV, der FBV 93, dem KV 96 (A) und dem KV 96 (B) gelangen bestimmte (in den FBV und KV aufgelisteten) Beschäftigungs- und Studienzeiten sowie Zeiten des Wehrdienstes zur für die jeweilige Gehaltseinstufung maßgeblichen - Anrechnung. Die Anrechnung der Vordienstzeiten wird allerdings folgendermaßen eingeschränkt: „Vor dem (vollendeten) 19. Lebensjahr werden keine Beschäftigungs- oder Studienzeiten als Vordienstjahre zur Anrechnung herangezogen.“

Gemäß § 24 Abs 2 Z 2 KV 03 sind anrechenbare Vordienstzeiten Zeiträume nach Vollendung des 19. Lebensjahres. Dazu gehören Zeiten der (nicht/ einschlägigen) Berufsausübung und Studienzeiten sowie Zeiten eines Grundwehr- oder Zivildienstes.

In der Fassung KV 14 wurde die Einschränkung „nach Vollendung des 19. Lebensjahres“ gestrichen.

Der Antragsteller stützt seinen Feststellungsantrag nach § 54 Abs 2 ASGG darauf, dass der Ausschluss der Anrechnung jener Zeiten, die vor Vollendung des 19. Lebensjahres liegen, eine Diskriminierung aufgrund des Alters darstelle und daher wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht nicht anwendbar sei. Rechtfertigungsgründe lägen nicht vor.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung, in eventu Abweisung des Feststellungsantrags des Antragstellers. Der Antragsteller sei mangels Kollektivvertragsfähigkeit iSd §§ 4 bis 7 ArbVG nicht antragslegitimiert iSd § 54 Abs 2 ASGG. Dem Antragsteller fehle auch das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung, weil im gegenständlichen Feststellungsverfahren auch zu klären sei, ob die Behandlung der Arbeitnehmer unter Umständen zu einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts führe. Diese Unsicherheit könne aber durch das gegenständliche Feststellungsverfahren nicht beseitigt werden. Zudem sei der Feststellungsantrag unschlüssig, weil der Antragsteller nicht vorgebracht habe, welchen Arbeitnehmern Zeiten vor der Vollendung des 19. Lebensjahres anzurechnen wären und gegenüber welchen Arbeitnehmern des Antragsgegners eine Ungleichbehandlung vorliege. Schließlich sei die geltend gemachte Altersdiskriminierung aus mehreren Gründen sachlich gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Dazu ist auszuführen:

1. Nach § 54 Abs 3 ASGG ist nach Einlangen des Feststellungsantrags gemäß § 54 Abs 2 ASGG nur ein Auftrag zur Stellungnahme durch den Antragsgegner vorgesehen. Nachträgliche Ergänzungen des Antrags, die weitere Aufträge an den Antragsgegner zur Stellungnahme iSd § 54 Abs 3 ASGG erfordern würden, sind abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen nicht zulässig (RIS Justiz RS0119227). Der weitere Schriftsatz des Antragstellers vom („Urkundenvorlage“), bei dem es sich um eine Replik zur Stellungnahme des Antragsgegners vom handelt, war daher zurückzuweisen.

2. Gemäß § 54 Abs 2 ASGG sind kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (§§ 4 bis 7 ArbVG) zur Einbringung eines besonderen Feststellungsantrags an den Obersten Gerichtshof legitimiert. Schon § 1 Abs 4 BG vom über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks, BGBl 1974/397, bestimmte, dass der Österreichische Rundfunk als Arbeitgeber kollektivvertragsfähig ist. Diese arbeitsverfassungsrechtliche Sonderregelung findet sich auch in § 48 Abs 5 Satz 1 ORF G. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber auch dem Zentralbetriebsrat des Österreichischen Rundfunks die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt (§ 48 Abs 5 Satz 2 ORF G).

Der Oberste Gerichtshof hat schon in früheren Verfahren ausdrücklich oder implizit (9 ObA 243/02d) die Parteistellung des Antragstellers (9 ObA 155/05t) und des Antragsgegners (9 ObA 803/94; 9 ObA 155/05t) im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG bejaht. Daran wird auch in dieser Entscheidung festgehalten. Aus dem in § 54 Abs 2 ASGG für den Hauptanwendungsfall enthaltenen Verweis auf §§ 4 bis 7 ArbVG folgt entgegen der Annahme des Antragsgegners für das Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG keine Ausgrenzung jener Einrichtungen, denen erst durch gesetzliche Sonderbestimmungen die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde.

3. Der gegenständliche Feststellungsantrag betrifft einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt. Er hat Rechtsfragen des Arbeitsrechts zum Gegenstand, die nach den Angaben des Antragstellers für mindestens drei Arbeitnehmer von Bedeutung sind (RIS-Justiz RS0109384; RS0085639).

4. Ein Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG muss einen Sachverhalt enthalten, der ein Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO begründet. Dieses rechtliche Interesse ist vom Obersten Gerichtshof auf der Grundlage des vom Antragsteller behaupteten Sachverhalts, der auch auf das rechtliche Interesse Bezug nehmen muss, von Amts wegen zu prüfen (RIS-Justiz RS0085712).

Das Feststellungsinteresse ist hier schon deshalb gegeben, weil der Antragsgegner das vom Antragsteller behauptete Recht bestreitet (vgl RIS-Justiz RS0038968). Der Antragsgegner erkennt richtig, dass der Antrag nach § 54 Abs 2 ASGG vom Obersten Gerichtshof allein auf Grundlage des vom Antragsteller behaupteten Sachverhalts zu prüfen ist (§ 54 Abs 4 ASGG; RIS-Justiz RS0085712). Die Tatsachenbehauptungen des Antragsgegners sind nicht zu beachten. Sie können dem Feststellungsantrag auch nicht das auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens des Antragstellers geprüfte und bejahte rechtliche Interesse nehmen. Die Meinung des Antragsgegners, dass erst eine Berücksichtigung des Tatsachenvorbringens des Antragsgegners der künftigen Streitvermeidung zwischen den Parteien diene, mag allenfalls richtig sein, ist aber aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des § 54 Abs 2 ASGG nicht weiter beachtlich.

II. Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist daher zulässig und aus den folgenden Überlegungen auch - teilweise - berechtigt:

1. Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt, ua in der Entscheidung 9 ObA 70/12b und jüngst etwa in einem Vorabentscheidungsersuchen zu 9 ObA 20/15d, zum Verbot der Altersdiskriminierung Stellung genommen. Dabei hat er ausgeführt, dass das - mittlerweile auch in Art 21 Abs 1 GRC verankerte und nach Art 6 Abs 1 EUV im Rahmen des Primärrechts verbindliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters auch nach ständiger Rechtsprechung des EuGH als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts iSd Art 6 Abs 3 EUV anerkannt ist. Dieser Grundsatz wird durch die einschlägige RL 2000/78/EG konkretisiert, die einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung unter anderem wegen des Alters schafft. Danach darf es nach Art 2 Abs 1 RL 2000/78 keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters geben. Es darf damit insbesondere auch in Bezug auf das Arbeitsentgelt (Art 3 Abs 1 lit c RL 2000/78) keine Diskriminierung aus Gründen des Alters geben.

2. Die Gerichte haben auch Kollektivverträge dahin zu überprüfen, ob sie allenfalls gegen Unionsrecht verstoßen (Art 16 lit b RL 2000/78; 9 ObA 10/15h; RIS-Justiz RS0018063 [T5]). Ein Verstoß gegen das unmittelbar anzuwendende Verbot der Altersdiskriminierung zieht die Unwirksamkeit des davon betroffenen Kollektivvertrags(teils) nach sich (vgl RIS-Justiz RS0117073 ua). Das gilt auch für Betriebsvereinbarungen.

3. Auch für den Anlassfall ist vor allem die Vorabentscheidung des , Hütter , einschlägig. Die dort betroffene nationale Rechtsvorschrift des § 26 Abs 1 des Vertragsbedienstetengesetzes (VBG), wonach Dienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags ausgeschlossen waren, ist mit den im Anlassfall zugrunde liegenden Bestimmungen in den FBV und KV vergleichbar. Der EuGH sprach in seiner Entscheidung aus, dass eine nationale Vorschrift, die die Anrechnung von Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres ausschließt, eine Ungleichbehandlung begründet, die unmittelbar auf das Kriterium des Alters abstellt (Rn 38). Eine Ungleichbehandlung, die unmittelbar auf das Alter der Arbeitnehmer abstellt, liegt auch im Anlassfall vor, weil nach dem im Antrag geltend gemachten Sachverhalt bis zum Inkrafttreten des KV 14 nur Vordienstzeiten nach dem 19. Lebensjahr bei der Gehaltseinstufung berücksichtigt wurden.

4. Daraus folgt in Verbindung mit der gesetzlichen Vorgabe, dass der Oberste Gerichtshof über den Feststellungsantrag auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhalts zu entscheiden hat (§ 54 Abs 4 ASGG), dass die in den FBV / FBV 93 / KV 96 (A) / KV 96 (B) sowie dem KV 2003 nach dem Alter (Vollendung des 19. Lebensjahres) differenzierende Anrechnung der Vordienstzeiten unmittelbar altersdiskriminierend ist. Da die Anrechnung der Vordienstzeiten für die Gehaltseinstufung von Bedeutung ist, führt die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten wegen des Alters zu einer Ungleichbehandlung der betroffenen Arbeitnehmer beim Entgelt.

5. Nach Art 17 RL 2000/78 legen die Mitgliedstaaten die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind. Die österreichische Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben in § 26 Abs 2 GlBG sieht nun vor, dass ein Arbeitnehmer, der wegen einer Diskriminierung aufgrund des Alters ein geringeres Entgelt als ein Arbeitnehmer erhält, bei dem keine Diskriminierung wegen des Alters erfolgt, gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Bezahlung der Differenz hat. Daraus folgt unter Bindung des Obersten Gerichtshofs an dem vorgebrachten Sachverhalt, dass die beiden Feststellungsbegehren des Antragstellers (1. Berücksichtigung auch von Vordienstzeiten vor dem 19. Lebensjahr bei der Gehaltseinstufung; 2. Anspruch auf Bezahlung der Differenz) grundsätzlich vorbehaltlich der Zusätze zur Fälligkeit und Verjährung beim Antragspunkt 2. (siehe Pkt 7.2) berechtigt sind. Für die Annahme einer unmittelbaren Diskriminierung genügt es nämlich, dass eine andere Person als die diskriminierte Person eine günstigere Behandlung erfahren würde (Art 2 Abs 1 lit a RL 2000/78; § 19 Abs 1 GlBG). Es kommt nicht darauf an, dass tatsächlich begünstigte Personen vorhanden sind (9 ObA 154/12f). Das Begehren des Antragstellers ist daher auch in diesem Punkt nicht unschlüssig.

6.1 Richtig ist, dass das Unionsrecht in Art 6 RL 2000/78 bzw das nationale Recht in § 20 GlBG „Ausnahmen“ regelt, bei denen eine Ungleichbehandlung wegen des Alters „gerechtfertigt“ ist. Art 6 Abs 1 RL 2000/78 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“) normiert ua, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile vorsehen. Ähnliches regelt § 20 GlBG („Ausnahmebestimmungen“) in den Abs 3 und 4 Z 2.

6.2 Die Diskussion, ob es sich beim Vorstehenden um eine Rechtfertigung im engeren Sinn oder eine Tatbestandseinschränkung handelt (vgl Rebhahn in Rebhahn , GlBG § 5 Rz 14; Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 20 Rz 26 ua), spielt hier keine Rolle. Gemäß dem Wortlaut der Richtlinie, wird im Folgenden von „Rechtfertigung“ gesprochen. Entscheidend ist hier, dass im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG, in dem auf der Grundlage des vom Antragsteller vorgebrachten Sachverhalts zu entscheiden ist, eine Beurteilung von Rechtfertigungsaspekten iSd Art 6 RL 2000/78, insbesondere zur Rechtmäßigkeit von Zielen und zur Verhältnismäßigkeit, die nicht schon aus der Auslegung der im Hinblick auf ihre behauptete Altersdiskriminierung zu beurteilenden Norm folgen, sondern von einem weiteren Sachverhalt abhängen, nur dann möglich ist, wenn der Antragsteller diesen Sachverhalt auch vorbringt. Bringt er hingegen wie im vorliegenden Fall keinen für die Beurteilung einer allfälligen Rechtfertigung relevanten Sachverhalt vor, muss sich der Oberste Gerichtshof unter Zugrundelegung des im Antrag vorgebrachten Sachverhalts auf die rechtliche Beurteilung beschränken, ob die im Antrag angesprochene Regelung als solche altersdiskriminierend ist oder nicht. Davon, dass auch daran ein rechtliches Interesse besteht, ist jedenfalls auszugehen, wenn der Antragsgegner wie im vorliegenden Fall die begehrte Feststellung schon als solche bestreitet (zB wegen mangelnden rechtlichen Interesses, mangelnder Schlüssigkeit etc).

6.3 Dass die Frage einer allfälligen Rechtfertigung einer Diskriminierung nicht damit abgetan werden kann, dass der Antragsteller wie im vorliegenden Fall - ohne Vorbringen eines diesbezüglichen Sachverhalts - die Rechtsbehauptung aufstellt, dass Rechtfertigungsgründe iSd § 20 GlBG bzw des Art 6 RL 2000/78 nicht bestehen, versteht sich von selbst. Dies erkennt zumindest der Antragsgegner, der zwar Rechtfertigungsfragen thematisieren will, aber gleichzeitig einräumen muss, dass zur Begründung des Rechtfertigungsvorbringens weitere Sachverhaltsausführungen unvermeidlich und notwendig sind. Dass der Oberste Gerichtshof im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG aber auf Tatsachenvorbringen des Antragsgegners nicht Bedacht nehmen kann, wurde schon eingangs dargelegt.

7.1 Zusammenfassend ist somit bei den in Frage stehenden Regelungen, die hinsichtlich der Berücksichtigung von Vordienstzeiten ausdrücklich nach dem Alter der Arbeitnehmer differenzieren, von einer unmittelbaren Altersdiskriminierung auszugehen, die einen entsprechenden Differenzanspruch der bezüglich des Entgelts altersdiskriminierten Arbeitnehmer zur Folge hat. Insofern ist daher auch der Antragspunkt 2. grundsätzlich berechtigt. Auf Fragen der Rechtfertigung der Altersdiskriminierung aufgrund von ergänzenden tatsächlichen Überlegungen des Antragsgegners konnte der Oberste Gerichtshof mangels eines diesbezüglichen Sachverhalts im Antrag nicht eingehen.

7.2 Die Frage der Verjährung der Differenzansprüche kann nur bei jedem einzelnen Arbeitnehmer beurteilt werden. Für das Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG eignen sich aber nur Sachverhalte, aus denen eindeutige Rechtsfolgen abgeleitet werden können (RIS-Justiz RS0085635). Der den Feststellungsantrag in Pkt 2. einschränkende erste Zusatz „soweit dieses (gemeint: Entgelt) nicht verjährt ist“ ist daher beim hier zu beurteilenden Antrag genauso überflüssig wie es beispielsweise der Zusatz „soweit nicht darauf verzichtet wurde“ wäre. Dieser Zusatz hat daher zu entfallen.

Der Sinn des in Verbindung mit dem vorstehenden ersten Zusatz aufgenommenen zweiten Zusatzes „und Verjährung eingewendet wird“ erschließt sich dem Senat mangels näherer Darlegung im Antrag nicht und hat daher ebenfalls zu entfallen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es nicht darauf ankommen kann, ob Verjährung eingewendet wird (zweiter Zusatz), wenn wovon der Antrag ausgeht - der Anspruch nicht verjährt ist (erster Zusatz).

Damit bleibt aber auch kein Raum für den weiteren Zusatz „das ab dem fällig war“ bzw den auf abstellenden Eventualzusatz. Der Antragsteller selbst geht in seinem Antrag vom unter Hinweis auf 8 ObA 11/15y davon aus, dass für die einzelnen Nachforderungsbeträge (Gehaltsdifferenzen) die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB iVm § 29 Abs 1 GlBG gilt. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fälligkeitszeitpunkts (sei es jetzt der oder der ) hat der Antragsteller nicht dargetan. Dies wäre hier aber umso mehr erforderlich gewesen, als diese Zusätze im korrespondierenden Antragspunkt 1. keinen Niederschlag finden. Zur Entscheidung über einen Antrag unter Zugrundelegung hypothetischer Sachverhaltsannahmen ist der Oberste Gerichtshof im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG aber nicht berufen (vgl RIS-Justiz RS0085635 [T3]).

Aus den vorstehenden Erwägungen mussten die Zusätze zur Verjährung und Fälligkeit beim Antragspunkt 2. abgewiesen werden.

8. Im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG steht keiner Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere zu (§ 58 Abs 1 ASGG). Ein Grund, für die Kostenbemessung den Streitwert mit 21.800 EUR festzusetzen, besteht entgegen dem Begehren des Antragsgegners nicht. Der diesbezügliche Antrag war daher ebenfalls abzuweisen wie das Kostenbegehren des Antragsgegners.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00084.15S.1126.000