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OGH vom 13.03.1997, 8ObS2314/96v

OGH vom 13.03.1997, 8ObS2314/96v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter OSR Dr.Friedrich Weinke (Arbeitgeber) und Mag.Kurt Retzer (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing.John M*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Tobler ua Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Wien, Niederösterreich und Burgenland, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 1,844.912,38 sA (Insolvenz-Ausfallgeld), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 127/96x-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 16 Cgs 1312/93g-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bis zu seinem vorzeitigen Austritt am bei der L***** K***** GesmbH, über deren Vermögen mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom das Ausgleichsverfahren, in der Folge mit Beschluß vom das Anschlußkonkursverfahren eröffnet worden war, beschäftigt.

Im vom Kläger angestrengten Prüfungsprozeß wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom , zu 3 R 95/95, im Verfahren des Erstgerichtes zu 3 Cg 181/93 festgestellt, daß die Forderung des Klägers im Konkursverfahren mit S 2,098.134,71 zu Recht besteht. Nachdem die vom Masseverwalter erhobene außerordentliche Revision zurückgewiesen worden war, wurde das Urteil, zugestellt am , mit diesem Tage rechtskräftig.

In diesem Verfahren hatte der Masseverwalter einen Teil der Forderungen des Klägers in Höhe von S 749.926,73 brutto anerkannt. Das damals zuständige Arbeitsamt Eisenstadt hat daraufhin einen Anspruch des Klägers auf Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 623.167,-- netto anerkannt und bezahlt.

Am beantragte der Kläger beim Arbeitsamt Eisenstadt die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld von S 2,836.252,92 sowie die Gewährung eines Vorschusses von S 250.000,--. Nach Teilzahlung des anerkannten Betrages von S 623.167,-- netto wurde das Verfahren (über den ersten Antrag) bis zur Entscheidung über das Feststellungsbegehren im Prüfungsprozeß gemäß § 38 AVG ausgesetzt.

Gegen diesen Aussetzungsbescheid vom richtet sich die Säumnisklage, mit der der Kläger Gehaltsrückstände (von November 1990 bis einschließlich August 1992), vereinbarte Verzugszinsen, Reisekosten, Kündigungsentschädigung, Abfertigung, Urlaubsentschädigung und Verzugszinsen aus dem Gehaltsrückstand von zusammen S 1,176.833,-- begehrt. Dieses Begehren dehnte der Kläger sodann aus Anlaß eines Fortsetzungsantrages des ruhenden Verfahrens auf S 2,217.999,44 samt 13,5 % Zinsen aus (vgl AS 83); in der mündlichen Verhandlung vom schränkte er sein Klagebegehren auf Zahlung eines Betrages von S 1,884.912,38 samt bankmäßigen Zinsen ab ein.

Die beklagte Partei wandte unter anderem hinsichtlich der Zinsen ein, daß der Kläger lediglich für einen Zeitraum von vier Monaten ab Eröffnung des Anschlußkonkurses zu S 13/93 des Landesgerichtes Eisenstadt über das Vermögen des Dienstgebers des Klägers Anspruch auf Zinsen habe, es sei dies der . Ferner stünden dem Kläger lediglich die gesetzlichen Zinsen in der Höhe von 4 % zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger binnen 14 Tagen bei Exekution aus Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeldfonds den Betrag von S 1,884.912,38 samt 13 % Zinsen aus S 2,508.079,38 vom bis , 12,5 % Zinsen aus S 2,508.079,38 vom bis , 12,5 % Zinsen aus S

1,884.912,38 vom bis , 12,25 % Zinsen aus S

1,884.912,38 vom bis und 12,75 % Zinsen aus S 1,884.912,38 ab dem zu bezahlen sowie dem Kläger die Prozeßkosten zu ersetzen. Es ging dabei von dem bereits eingangs erwähnten Sachverhalt und davon aus, daß ausdrückliche Feststellungen hinsichtlich einer Vereinbarung eines höheren Zinssatzes zwischen dem Kläger und seinem damaligen Arbeitgeber fehlen. Dieser Umstand wurde vom Kläger in seiner Berufungsbeantwortung nicht gerügt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß nach § 3 Abs 2 Z 2 IESG Insolvenz-Ausfallgeld für Zinsen für die nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 gesicherten Ansprüche ab Fälligkeit dieser Ansprüche bis zum Ablauf der Frist nach § 6 Abs 1 IESG gebühre. Diese Frist betrage seit dem IRÄG 1994 6 Monate ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, vorher 4 Monate. Diese Frist beginne jedoch neuerlich zu laufen, wenn hinsichtlich von Ansprüchen nach § 1 Abs 2 IESG ein Gerichtsverfahren bis längstens zum Ablauf der Frist nach dem ersten Satz anhängig gemacht werde, und ende erst 4 bzw 6 Monate nach der rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens. Nach rechtzeitiger Anmeldung seiner Ansprüche im Insolvenzverfahren sowie nach Bestreitung seiner Forderung habe der Kläger rechtzeitig Klage gegen den Masseverwalter eingebracht; es bestehe daher ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der von ihm zu bezahlenden Zinsen von allen gesicherten Ansprüchen nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG für die Zeit über den Tag der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens hinaus bis 4 Monate nach rechtskräftiger Beendigung des von ihm anhängig gemachten Verfahrens auf Feststellung seiner Forderung.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte das Ersturteil im Zinsenzuspruch dahin ab, daß es die beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger binnen 14 Tagen aus Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeldfonds den Betrag von S 1,884.912,38 samt 13 % Zinsen aus S 2,506.109,38 vom bis und 4 % Zinsen aus S 1,882.942,38 vom bis zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig,

13 % Zinsen aus S 1.970,-- vom bis , 13 % Zinsen aus S 625.137,-- vom bis , 12,5 % Zinsen aus S 625.137,-- vom bis , 12,25 % aus S 1.970,-- vom bis , 12,25 % aus S 1.970,-- vom bis , 12,25 % aus S 1.970,-- vom bis , 9 % aus S 1,882.942,38 vom bis , 8,5 % aus S 1,882.942,38 vom bis , 8,25 % aus S 1,882.942,38 vom bis , 8,75 % aus S 1,882.942,38 vom bis , 12,75 % aus S 1,884.912,38 ab binnen 14 Tagen zu bezahlen, wies es ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision wegen des Fehlens einer höchstgerichtlichen Judikatur zur entscheidenden Rechtsfrage zulässig sei.

Es vertrat unter anderem die Rechtsauffassung, daß hinsichtlich des Betrages von S 1.970,-- (Forderungsanmeldungskosten im Ausgleichsverfahren), keine Zinsen zustünden; weiters gebührten dem Kläger nur Zinsen in der gesetzlichen Höhe für die Zeit zwischen Fälligkeit (= Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ) und Ablauf der Frist des § 6 Abs 1 Z 4 IESG, somit 4 Monate nach rechtskräftiger Beendigung des Feststellungsverfahrens vom , das ist bis .

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich des Zeitraumes und der Höhe der nach dem IESG gesicherten Zinsen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Zufolge Teilanfechtung ist im Revisionsverfahren nur mehr der Differenzbetrag zwischen den gesetzlichen Zinsen von 4 % vom bis zum zu den höheren Bankzinsen (bis zu 13 %) strittig.

§ 3 Abs 2 Z 2 IESG lautet: "Unbeschadet Abs 1 gebührt Insolvenz-Ausfallgeld für Zinsen für die gemäß § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 gesicherten Ansprüche ab der Fälligkeit dieser Ansprüche bis zum Ablauf der Frist nach § 6 Abs 1;". § 6 Abs 1 Z 4 leg cit lautet: "Der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld ist bei sonstigem Ausschluß binnen 6 Monaten ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 1 Abs 1 bzw binnen 6 Monate ab Kenntnis von dem Beschluß nach § 1 Abs 1 Z 3 bis 7 zu stellen. Diese Frist beginnt neuerlich zu laufen, wenn hinsichtlich von Ansprüchen nach § 1 Abs 2 ein Gerichtsverfahren bis längstens zum Ablauf der Frist nach dem 1. Satz anhängig gemacht wird, mit der rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens (....)".

Eine dem § 3 Abs 2 Z 2 IESG idgF entsprechende Bestimmung war dem Gesetz in seiner Stammfassung fremd, in welcher das IESG den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld an die Verwirklichung der heute in § 1 Abs 1 Z 1 bis 3 IESG genannten Tatbestände knüpfte. Der VwGH judizierte daher, daß Insolvenz-Ausfallgeld für Verzugszinsen, sei es für Masseforderungen, sei es für Konkursforderungen, zeitlich unbegrenzt zusteht (zB 873/79 = Arb 9807 = ZfVB 1980/4/1213 ua).

Als Reaktion auf diese Rechtsprechung des VwGH ist die Novelle BGBl 1980/580 zu sehen, welche den noch heute in Kraft stehenden § 3 Abs 2 Z 2 IESG einfügte. Die Materialien (RV 446 BglNR 15. GP 4 ff) geben keine Gründe für die Einfügung dieser Bestimmung an, auf Seite 4 der RV wird lediglich ausgeführt, ein finanzieller Mehraufwand bzw ein Bedarf an zusätzlichen Personal werde durch den Gesetzentwurf nicht eintreten.

§ 6 Abs 1 IESG in der heutigen Fassung geht mit Ausnahme hier nicht relevanter Änderungen (zB Z 3a) auf die Novelle BGBl 1986/395 zurück. Grund für die Änderung des § 6 Abs 1 war die Einfügung neuer Tatbestände für den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber mit dieser Novelle den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für (Verzugs-)Zinsen zeitlich ausdehnen wollte, sind nicht vorhanden (RV 993 BlgNR 16 GP 6 ff); es sollten lediglich Härtefälle bei Versäumung der Antragsfrist vermieden werden (RV, 8).

Gemäß § 3 Abs 2 Z 2 IESG gebührt Insolvenz-Ausfallgeld für Zinsen für die gemäß § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 gesicherten Ansprüche ab der Fälligkeit dieser Ansprüche bis zum Ablauf der Frist nach § 6 Abs 1 IESG. Hiezu hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt (VwSlg 10.857 A = ÖJZ 1983, 501 = Arb 10.205 = HS 12.214), daß durch die Vorschußgewährung nach § 4 IESG jede andere Art einer zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeldfonds gehenden "Vorfinanzierung" des Insolvenz-Ausfallgeldes ausgeschlossen werde. Auch dann, wenn der Arbeitnehmer zufolge Ausbleibens des Arbeitsentgeltes ein Darlehen bzw einen Bankkredit aufzunehmen genötigt sei, seien die hiefür auflaufenden höheren als die gesetzlichen Zinsen ebenfalls dann nicht als gesicherte Ansprüche im Sinne des IESG anzusehen, wenn sie nach dem Zeitpunkt der frühestmöglichen Antragstellung nach § 4 bzw § 6 IESG entstanden seien. Im Vergleich zu § 58 Z 1 KO handelt es sich dabei um eine systemwidrige Ausnahme zugunsten der Arbeitnehmer, da nämlich im Konkursverfahren ausgeschlossene Ansprüche zum Teil nach dem IESG gesichert sind (vgl 8 ObS 28-36/95 zu einer ähnlichen systemwidrigen Ausnahme von Kosten). Gemäß § 4 IESG hat in berücksichtigungswürdigen Fällen das Bundesamt einen Vorschuß zu gewähren, wenn der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld glaubhaft gemacht worden ist. Damit ist unter sozialen Gesichtspunkten eine Notwendigkeit für eine weitergehende Vorfinanzierung für den Arbeitnehmer und auch für eine weitergehende Berücksichtigung von Zinsen nicht gegeben. In vergleichbarer Weise hat auch die Rechtsprechung in Sozialrechtssachen die Gewährung von Zinsen für Leistungsansprüche nach dem ASVG (Wochengeld) wegen der Möglichkeit der Vorschußgewährung gemäß § 368 Abs 2 ASVG verneint (vgl SSV-NF 4/131 = DRdA 1991/55, 463 = infas 1991 S 35 und S 45). Des weiteren hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß durch § 3 Abs 2 Z 2 IESG der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für Zinsen abschließend geregelt werde (SZ 65/164 = DRdA 1993, 247 = infas 1993 A 67 = RdW 1993, 250 = WBl 1993, 123).

Die Vereinbarung höherer Zinsen zwischen dem Kläger und seinem früheren Arbeitgeber ist, soweit sie über gesicherte Ansprüche hinausgeht, rechtlich unerheblich, weil es sich um im Sinne der obigen Ausführungen nicht gesicherte höhere Zinsen handelt. Der vom Kläger insoweit gerügte Feststellungsmangel liegt nicht vor.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; besondere Gründe, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen, sind weder bescheinigt, noch lassen sich solche der Aktenlage entnehmen, zumal der Kläger einen Großteil seiner Ansprüche ersetzt erhielt.