OGH vom 10.06.2008, 10ObS61/08f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Maggale (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dipl. VW Maria Anna F*****, vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pensionshöhe, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 120/07m-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cgs 292/06d-9, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am geborene Klägerin bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt seit eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer und seit eine Alterpension. Ebenfalls seit übt sie eine die Pflichtversicherung nach dem ASVG begründende Erwerbstätigkeit aus. Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde der Klägerin zu ihrer Alterspension ab eine besondere Höherversicherung in der Höhe von 18,32 EUR brutto monatlich gewährt, sodass ihre Pension ab insgesamt 1.780,30 EUR brutto monatlich betrug. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung der ihr „zustehenden erhöhten Pension nach Neuberechnung". Sie vertritt den Standpunkt, dass bei der Bemessung der besonderen Höherversicherung nicht nur die von ihr im Jahr 2004 sondern alle seit dem zur Pensionsversicherung geleisteten Beiträge zu berücksichtigen seien.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, die Bestimmungen des § 248c ASVG über die besondere Höherversicherung erwerbstätiger Pensionsbezieher sei erst mit in Kraft getreten und es gebühre daher ein besonderer Höherversicherungsbetrag erstmalig ab .
Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Nach § 248c Abs 3 ASVG gebühre ein besonderer Höherversicherungsbetrag für erwerbstätige Pensionsbezieher erst ab jenem Kalenderjahr, welches dem Kalenderjahr der Aufnahme der Erwerbstätigkeit folge. Da diese Bestimmung mit in Kraft getreten sei, gebühre der besondere Höherversicherungsbetrag erstmalig ab . Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die beklagte Partei - entsprechend dem durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheid - verpflichtete, der Klägerin ab eine besondere Höherversicherung in der Höhe von monatlich 18,32 EUR brutto zu gewähren. Das Mehrbegehren nach Gewährung einer höheren Pension durch Einbeziehung der vor dem geleisteten Pensionsbeiträge bei der Bemessung des besonderen Höherversicherungsbetrags wies es ab. Nach seinen Ausführungen sollte durch die im Zuge des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, mit Wirksamkeit ab in Kraft getretene Regelung des § 248c ASVG die Bereitschaft älterer Personen, weiter berufstätig zu sein, honoriert werden, indem den berufstätigen, pensionierten Versicherten ein besonderer Höherversicherungsbetrag gewährt werde. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sollten - unabhängig vom jeweiligen Pensionsstichtag - ausschließlich nach dem in der Pensionsversicherung entrichtete Beiträge in die Bemessung der Höherversicherung einfließen. Dies führe im Falle der Klägerin, die eine Alterpension beziehe und zugleich erwerbstätig sei und Pensionsbeiträge entrichte, zu dem Ergebnis, dass diese von ihr ausgeübte Erwerbstätigkeit - ungeachtet einer früheren Aufnahme dieser Tätigkeit - erstmals für das Beitragsjahr 2004 jeweils im Folgejahr mit einer Höherversicherung (= Zuschlag zur Pension) honoriert werde. Gegen dieses Ergebnis bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage, ob gegen die Nichtberücksichtigung der Zeiten einer die Pensionsversicherung begründenden Erwerbstätigkeit vor dem bei der Bemessung der Höherversicherung nach § 248c ASVG verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag, das angefochtene Urteil nach Aufhebung der insoweit verfassungswidrigen Bestimmung des § 248c ASVG im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Mit der am in Kraft getretenen Bestimmung des § 248c ASVG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, wurde eine besondere Höherversicherung für erwerbstätige Pensionsbezieher geschaffen. Wird neben dem Bezug einer Alterspension eine pensionsversicherungspflichtige Erbwerbstätigkeit ausgeübt, so kommt es dadurch zu einer Erhöhung der Pension aus dem Titel der Höherversicherung, wenn Beiträge nach dem geleistet wurden. Für die Beiträge gibt es jeweils ab dem 1. 1. des folgenden Kalenderjahres einen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechneten besonderen Höherversicherungsbetrag, der zusätzlich zur Pension ausbezahlt wird. Dieser Betrag wird in der Folge jährlich - den entrichteten Beiträgen folgend - angepasst.
Nach den Erläuternden Bemerkungen zur RV 59 BlgNR XXII. GP 176 (abgedruckt in Teschner/Widlar/Pöltner, MGA-ASVG Anm 1 zu § 248c) sei vielfach von Personen, die neben dem Bezug einer Regelalterspension (ab dem 65. Lebensjahr bei Männern, ab dem 60. Lebensjahr bei Frauen) einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen, kritisiert worden, dass sie zwar weiterhin Pensionsversicherungsbeiträge zahlten, dafür aber keine entsprechende Leistung erhielten. Gegen diese im Rahmen der Solidaritätsgemeinschaft erfolgende Beitragsleistung parallel zum Pensionsbezug ohne direkte Leistungsauswirkung bestünden zwar keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da diese Personen trotz ihrer Erwerbstätigkeit die volle Pension erhielten, obwohl diese nicht durch eigene Beitragsleistungen im versicherungsmathematischen Sinne gedeckt sei. Dennoch solle dem Argument Rechnung getragen werden, älteren Personen die Bereitschaft, weiterhin berufstätig zu sein, auch pensionsrechtlich zu honorieren. Der Entwurf sehe daher vor, dass die von diesen Pensionisten nach dem entrichteten Pensionsversicherungsbeiträge zu einer besonderen Höherversicherung angerechnet werden.
Die Richtigkeit der Rechtsansicht der beklagten Partei und ihr folgend der Vorinstanzen, wonach schon aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung des § 248c Abs 2 ASVG nur nach dem in der Pensionsversicherung entrichtete Beiträge in die Bemessung der Höherversicherung einzubeziehen seien und damit die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Berechnung der Höhe dieser Leistung der Sach- und Rechtslage entspricht, wird auch von der Klägerin nicht mehr in Zweifel gezogen. Die Klägerin macht aber in ihrer Revision weiterhin verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 248c ASVG geltend. Der Umstand, dass diese Regelung zwar auch auf - wie die Klägerin - Bezieher einer Alterspension mit einem Stichtag vor dem - jedoch nur für Zeiten der Pflichtversicherung, die ab dem erworben wurden -, anzuwenden sei, verletze die Klägerin in ihren verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und Gleichbehandlung.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs steht innerhalb der jeweiligen Rechtsgemeinschaft der Sozialversicherten der Versorgungsgedanke im Vordergrund, während der Versicherungsgedanke in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückgedrängt ist. Es gilt daher in der Sozialversicherung auch nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung, sodass auch in Kauf genommen werden muss, dass es in manchen Fällen trotz Leistungen von Pflichtbeiträgen zu keiner - oder wie im vorliegenden Fall nur zu einer sehr geringen - Versicherungsleistung kommt (VfSlg 16.007, 14.842, 12.739 uva). In diesem Sinne ist somit eine „direkte Relation" zwischen Beiträgen und Leistungshöhe nicht geboten, wohl aber das Vorliegen eines durchgängigen - „funktionellen" - Zusammenhangs zwischen Beiträgen und Leistungen: Beitragsleistungen müssen jedenfalls ein Versicherungsverhältnis, das heißt, das Versicherthalten des Einzelnen gegen bestimmte wirtschaftliche Risiken, entstehen lassen. Den in die Versicherungspflicht einbezogenen Personen müssen somit - wenn auch in Abhängigkeit von der Erfüllung gewisser Mindestanspruchsvoraussetzungen - grundsätzlich Leistungsansprüche zustehen, wenngleich diese nicht notwendigerweise der Beitragsleistung äquivalent sein müssen. Dem entspricht es, dass - wie der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung ebenfalls mehrfach betont hat - es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, für Personen, die eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aufnehmen, trotz eingetretener Versorgung eine Beitragspflicht vorzusehen (VfSlg 16.007 mwN ua).
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen hegt der erkennende Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 248c Abs 2 ASVG, wonach für die Bemessung des besonderen Höherversicherungsbetrags nur die aufgrund einer Pflichtversicherung nach dem in der Pensionsversicherung geleisteten Beiträge zu berücksichtigen sind. Es bestehen solche Bedenken aber auch nicht im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz. Dieser verbietet dem Gesetzgeber nur, Differenzierungen zu schaffen, die sachlich nicht begründet sind und verbietet ihm nicht, von einem einmalig gewählten Ordnungsprinzip abzugehen (vgl SSV-NF 5/1 mwN ua) und Sachverhalte ab einem bestimmten Zeitpunkt nach anderen Grundsätzen zu behandeln, wenn innerhalb der Fallgruppen vor bzw nach der Änderung das Gebot der Sachlichkeit verletzende Unterschiede nicht bestehen. Unter diesen Gesichtspunkten liegt eine mit einem bestimmten Zeitpunkt eintretende Neuregelung im Rahmen der dem einfachen Gesetzgeber zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit (vgl VfSlg 17.238; SSV-NF 10/27; 10 ObS 223/95 ua). Wenn die Klägerin meint, es hätten auch bei ihr - so wie bei Versicherten, die erst seit in den Genuss der Alterspension gekommen sind bzw noch kommen werden - alle neben dem Bezug der Alterspension erworbenen Zeiten einer Pflichtversicherung berücksichtigt werden müssen, zeigt sie keine Verfassungswidrigkeit auf, sondern erhebt sie eine rechtspolitische Forderung, die im Gesetz keine Deckung findet.
Ausgehend von der dargestellten ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs sieht der erkennende Senat für eine Vorgangsweise nach Art 140 Abs 1 B-VG daher keine Veranlassung. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich.