OGH vom 03.09.2019, 14Os64/19x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Leitner in der Strafsache gegen Andreas S***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 18 Hv 113/18b-185, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die gegen den Ausspruch über den Verfall gerichteten Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz übermittelt.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Andreas S***** (zu 1) und Klaudia S***** (zu 2) je eines Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB, Zweitgenannte auch nach § 12 dritter Fall und § 15 StGB schuldig erkannt.
Danach haben in V*****
1./ Andreas S***** „am und am “ (richtig: ab dem ; vgl US 6 iVm US 10) als Schuldner mehrerer Gläubiger einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag vereitelt, indem er in dem beim Bezirksgericht Villach zum AZ 18 S 83/14y gegen ihn geführten Schuldenregulierungsverfahren in seinem Eigentum stehende, im Urteil näher beschriebene Waffen und Waffenteile (sowie Munition; US 7) im Gesamtwert von 49.865 Euro sowie ein Bild des Malers A***** (Selbstportrait) mit einem Schätzwert von 420.000 Euro verschwieg und das Gemälde um 500.000 Britische Pfund (GBP) zu veräußern versuchte;
2./ Klaudia S***** am zur Ausführung der zu 1./ beschriebenen strafbaren Handlung des Andreas S***** dadurch beigetragen, dass sie den Verkaufsvorgang des bezeichneten Bildes des Malers A***** im Londoner Auktionshaus C***** Ltd, in Gang setzte, wobei es infolge des Einschreitens des Masseverwalters beim Versuch blieb.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5a, 9 lit a und 11 StPO ergriffenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten sind nicht im Recht.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) leitet Bedenken gegen die Feststellung, wonach das inkriminierte Gemälde im Tatzeitraum im Eigentum des Angeklagten Andreas S***** stand (US 7, 9, 11 f), zunächst nicht „aus den Akten“, sondern bloß aus – auf Basis eigener (ohne jeden Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial angestellter) Plausibilitätserwägungen als „unlogisch und empirisch nicht nachzuvollziehen“ bezeichneten – Erwägungen des Erstgerichts selbst ab (RIS-Justiz RS0117961). Soweit sie – ohne Nennung der Fundstelle in den umfangreichen Akten (vgl aber RIS-Justiz RS0124172) – auf (von den Tatrichtern als nicht überzeugend beurteilte; US 11 f) Aussagen des Angeklagten Andreas S***** und der von ihm „geführten Zeugen“ zu einer Schenkung des Bildes an Klaudia S***** sowie auf (solches im Übrigen gerade nicht bestätigende) „Darlegungen des Masseverwalters“ verweist, weckt sie gleichfalls keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Insgesamt erschöpft sie sich in einer in dieser Form unzulässigen Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Mit der – zudem großteils aus urteilsfremden Prämissen abgeleiteten – Behauptung, „die ursprüngliche Verheimlichung von Vermögensbestandteilen“ habe „zu keiner nachfolgenden wirklichen Vermögensverringerung geführt“, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar, weshalb dies trotz der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 9 iVm US 12 f) und angesichts rechtlicher Gleichwertigkeit der Versuchsstrafbarkeit (RIS-Justiz RS0122138) für die Schuldfrage von Bedeutung und „aus diesem Grund das Tatbild des § 156 Abs 1 und 2 StGB nicht erfüllt“ sein sollte (RIS-Justiz RS0115184, RS0116565).
Die gegen den Ausspruch über den Verfall gerichtete Sanktionsrüge (Z 11) lässt bei ihrem Einwand, es läge keine unrechtmäßige Bereicherung vor, weil „unbestrittenermaßen die Waffen und das Bild immer unser Eigentum waren“, außer Acht, dass die Anordnung einer vermögensrechtlichen Maßnahme nach § 20 StGB weder unrechtmäßige Bereicherung des vom Verfall Betroffenen (Fuchs/Tipold in WK² § 20 Rz 15) noch einen durch die Tat bewirkten (originären) Eigentumserwerb an dem für verfallen erklärten Vermögenswert voraussetzt.
Zur weiteren Argumentation, wonach der ausgesprochene Verfall die Angeklagten unbillig hart treffen würde, einer Enteignung gleichkäme, „extrem resozialisierungsfeindlich“ sei und einen Neuanfang verhindere, genügt der Hinweis, dass § 20a Abs 3 StGB – entgegen dem Beschwerdestandpunkt – nach seinem Wortlaut keine Härteklausel enthält (vgl zum Ganzen Fuchs/Tipold in WK² § 20a Rz 38 ff).
Von den Angeklagten (nachträglich) überreichte eigene, als „Nichtigkeitsbeschwerde“ bezeichnete Aufsätze (samt Beilagen) und Mitteilungen sind – übrigens auch dann, wenn der Verteidiger in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde seinen Mandanten notwendig erscheinendes Vorbringen gegen deren Willen unterlassen hat – ebenso unbeachtlich wie die vom (hier: Wahl-)Verteidiger selbst verfasste „Ergänzende Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde“ vom , weil diese gegen die von § 285 Abs 1 erster Satz
StPO verlangte Einmaligkeit der Ausführung der Beschwerdegründe verstoßen und bei mehreren Beschwerdeschriften jener des Verteidigers der Vorzug zu geben ist (Ratz, WK-
StPO § 285 Rz 6 f; RIS-Justiz RS0100175, RS0100152). Ausnahmen sieht das Gesetz nicht vor.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zu dem auf § 20 „Abs 1“ StGB gestützten, „die sichergestellten Waffen, Waffenteile und Munition sowie das inkriminierte Selbstbildnis des Malers A*****“ betreffenden Verfallserkenntnis (US 2, 15) bleibt anzumerken:
Der Verfall nach § 20 Abs 1 StGB bezieht sich auf Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, und erstreckt sich nach Abs 2 der Bestimmung auch auf Nutzungen und Ersatzwerte. Der Anknüpfungstatbestand der Maßnahme, nämlich der Begriff „Vermögenswerte“, umfasst alle wirtschaftlichen Vorteile, die in Zahlen ausgedrückt werden können. Durch mit Strafe bedrohte Handlungen erlangte geldwerte Dienstleistungen sind vom Begriff „Vermögenswerte“ daher ebenso erfasst wie ersparte Aufwendungen oder Nutzungen von Gebrauchsvorteilen (vgl EBRV 918 BlgNR 24. GP 7). Die Anordnung des insoweit nicht gegenstandsbezogenen Verfalls kann in diesem Anwendungsbereich nur auf § 20 Abs 3 StGB gestützt werden, dessen Bezugnahme auf Abs 1 nach diesem Begriffsverständnis auch mit Blick auf das strafrechtliche Analogieverbot (§ 1 StGB) unproblematisch ist (zum Ganzen RIS-Justiz RS0130833; vgl hingegen Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 17).
Davon ausgehend kann ein Gegenstand, durch dessen Verheimlichung, Veräußerung oder Beiseiteschaffung im Sinn des § 156 Abs 1 StGB das Vermögen des Täters wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines seiner Gläubiger vereitelt oder geschmälert wird, einen durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswert darstellen und solcherart dem Verfall nach § 20 Abs 1 StGB unterliegen (vgl zum in diesem Sinn zulässigen Verfall bei einem Dritten 14 Os 54/17y), und zwar auch beim Täter selbst, in dessen Eigentum der Gegenstand definitionsgemäß („wer einen Bestandteil seines Vermögens“) zum Tatzeitpunkt stand. Denn auch diesfalls wird der – in der Verhinderung des Gläubigerzugriffs auf die Sache gelegene – Vermögenszuwachs eben gerade durch nach § 156 StGB tatbildliches Verhalten bewirkt. Dies gilt umso mehr bei (wie hier) Verheimlichung eines Vermögensbestandteils im Rahmen eines (der Quotenfestsetzung und damit der nur teilweisen Befriedigung der Gläubiger dienenden) Schuldenregulierungsverfahrens, ab dessen Eröffnung dem Schuldner ex lege die freie Verfügung über sein gesamtes, der Exekution unterworfenes Vermögen (Insolvenzmasse) entzogen ist (§ 2 Abs 2 iVm § 181 IO) und dessen vollständige Verwertung (mit Ausnahme – hier nicht in Rede stehender – Gegenstände, die in § 250 Abs 1 Z 2 EO genannt sind) Voraussetzung für die Verhandlung und Beschlussfassung über den Zahlungsplan sowie für dessen gerichtliche Bestätigung ist (§ 193 Abs 2, § 195 Z 2 IO).
Soweit der – solcherart dem Verfall nach Abs 1 unterliegende – verheimlichte Bestandteil des Vermögens des Täters (im Urteilszeitpunkt) nicht sichergestellt oder beschlagnahmt (§ 110 Abs 1 Z 3, § 115 Abs 1 Z 3 StPO) ist, hat das Gericht einen diesem (und damit den ersparten Aufwendungen, hier: den über die Quote hinausgehenden, nicht beglichenen Verbindlichkeiten) entsprechenden Geldbetrag für verfallen zu erklären (§ 20 Abs 3 StGB).
Vorliegend umfasst das auf § 20 Abs 1 StGB gestützte Verfallserkenntnis auch das nach den Feststellungen verheimlichte Gemälde, ohne dass Feststellungen zu dessen Sicherstellung oder Beschlagnahme getroffen worden wären.
Dass es sich bei den sichergestellten Waffen, Waffenteilen und „Munitionen“ um Bestandteile des Vermögens des Angeklagten, solcherart also massezugehörige und insolvenzverfangene Gegenstände handelt, wurde nach dem Urteilssachverhalt – ohne Zutun des Angeklagten Andreas S***** – noch während aufrechten Schuldenregulierungsverfahrens bekannt und von diesem (anders als in Ansehung des inkriminierten Gemäldes) auch zugestanden (US 7 ff). Inwieferne deren ursprüngliche (letztlich misslungene) Verheimlichung dennoch ursächlich für die Annahme des Zahlungsplans (mit einer 80%igen Quote) durch die Gläubiger sowie dessen (wenn auch contra legem erfolgte; vgl erneut § 195 Z 2 iVm § 193 Abs 2 IO) Bestätigung durch das Gericht war, solcherart also die Vermögenswerte im oben aufgezeigten Sinn durch die mit Strafe bedrohte Handlung erlangt wurden, bleibt damit unklar und wurde auch durch Feststellungen nicht geklärt.
Zu amtswegiger Wahrnehmung darin gelegener Nichtigkeit (Z 11, RIS-Justiz RS0114233) sah sich der Oberste Gerichtshof jedoch nicht veranlasst, weil die Behebung des im rechtsfehlerhaften Verfall bestehenden Nachteils für den Angeklagten Andreas S***** dem – zur Erledigung der (durch die Geltendmachung von Nichtigkeit des Verfallsausspruchs nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO implizit ergriffenen; § 290 Abs 1 dritter Satz StPO; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 28) Berufung der Angeklagten gegen den Ausspruch über den Verfall zuständigen (§ 285i StPO) – Oberlandesgericht überlassen bleiben kann (Ratz, WK-StPO § 285i Rz 6, § 290 Rz 29).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00064.19X.0903.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.